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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Mensajeros Interview von Johannes Schulten mit Javier (Prensa) und Javier von der argentinischen Gewerkschaft der Kuriere und Boten, Simca, unter anderem anlässlich ihres kürzlichen Beitritts zum inoffiziellen Gewerkschaftsverband CTA. JS: Hi, bevor wir zur Gewerkschaft und eurer Arbeit dort kommen, könnt ihr uns ein wenig über den Alltag des "mensajero" erzählen und was für verschiedene Arbeiten darunter zu verstehen sind? Javier (Presse): Unser Gremium umfasst verschiedene Arbeitssektoren. Einer dieser Sektoren hat mit dem "delivery" zu tun, also die Auslieferung von Essen und Medikamenten hauptsächlich durch Jungs auf Fahrrädern und Mopeds, das ist dort wo man normalerweise anfängt zu arbeiten. Javier: Normalerweise ist es so dass wir für eine Agentur arbeiten die Aufträge für andere Firmen erledigt. Hier in BA (capital Federal) schätzen wir das so um die 50.000 und im ganzen Land rund 60.000 "mensajeros" arbeiten. J.S.: Koennt ihr uns etwas zum Durchschnittsalter sagen? Javier: Die Mehrheit hat zwischen 18 oder 20 Jahre bis 25, aber man findet auch welche mit 35 bis 40 Jahren. Javier (Prensa): Das Durchschnittsalter ist sehr jung, was mit der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt zu tun hat und damit, dass viele die Arbeit als sozusagen Übergangssituation nutzen. Auch viele Arbeitslose kaufen sich von ihren Abfindungen ein Motorrad und fangen als "mensajeros" an. JS: So wie ich den Verkehr hier in BA erlebt hab, kann ich mir vorstellen, dass eure Arbeit relativ gefährlich ist, gibt es so etwas wie eine Unfallversicherung, oder was passiert wenn ihr unfallbedingt nicht arbeiten koennt? 95% von uns arbeiten in schwarz, hier in Buenos Aires kommen wir laut Register auf 8 Tote "companeros" durch Arbeitsunfall pro Monat. Das ist allerdings nur eine Statistik, wir denken dass die eigentliche Zahl höher ist, weil es keine offiziellen Zahlen oder Statistiken für Arbeitsunfälle im Straßenverkehr gibt. Viele Unfälle werden also als normale Unfälle aufgenommen, obwohl es Arbeitsunfälle sind. JS: Noch mal zur Größe dieses Sektors, ihr sagtet es wären ca. 50.000, das scheint mir ungeheuer viel, wahrscheinlich mehr als in manchem Industriebereich. Javier (Presse): Es sind tausende aber eben nicht registriert und es scheint daher so das sie nicht existieren. Der Bereich ist in den 90ern, Carlitos (Menem) sei Dank, entstanden als der Produktivsektor vernichtete wurde und als der Finanzsektor florierte. Durch den Bedarf nach mehr Postverkehr, die Nötigkeit die neuen Arbeitslosen in anderen Bereichen unterzubringen und der Aufschwung des Dienstleistungssektors sind weitere Gründe. Vorher hat dir einfach nicht jede Pizzeria deine Pizza nach hause gebracht. JS: In Schwarz angestellt sein bedeutet dann auch keine Art von Krankenversicherung oder ähnlichem zu haben? Javier (Presse): Hierin liegt eine doppelte Gefahr, wenn du mal nen Tag bei der Arbeit fehlst z.B. bei Regen oder im Sommer durch den Smok krank geworden bist, und am nächsten Tag nicht arbeiten kannst, wirst du nicht bezahlst. Gar nicht davon gesprochen, wenn irgendeinen Unfall bei der Arbeit hast und mal 15 bis 20 Tage flach liegst. Das sind die Bedingungen unserer Arbeit, deshalb hast du auch soviel Rotation. Allerdings glaube ich auch, dass sie schöne Seiten die Arbeit, du musst nicht den ganzen Tag eingesperrt in einem Büro sitzen, die Kollegialität mit den "companeros" in der Strasse. Viele "companeros" opfern aber auch andere Jobs mit mehr Sicherheit und Stabilität für diesen. JS: Könnt ihr uns etwas zum Durchschnittsverdienst sagen? Javier (Presse): Schwierig... weil zum einen verdienen die Jungs auf den Fahrrädern sehr viel weniger als die auf dem Motorrad und zum zweiten gibt keinen Tarifvertrag der Löhne und so regelt. Es gibt verschiedene Gehaltsformen. Die wichtigste hier in BA ist die des Prozentsatzes, heißt die "mensajeros" bekommen einen bestimmten Anteil pro Fahrt die sie machen, außerhalb von BA ist es etwas anderes. So ist das Gehalt ist daran gebunden wie viel du an einem Tag oder in einem Monat schaffst. Javier: Es gibt aber auch kein Durchschnittsprozentsatz, es gibt Agenturen arbeiten mit 50%, andere mit 70% oder 75%, jede Agentur hat ihren eigenen Prozentsatz. JS: Seit wann gibt's euch als Gewerkschaft, wann habt ihr angefangen euch zu organisieren? Javier (Presse): Wir haben kein genaues Datum. Die ersten Treffen gab es 1998, die fanden allerdings noch in der Straße statt, in den Kreuzungen wo man sich mit den Companeros trifft. Danach haben wir den "Club Paraguay" genutzt, das ist der Ort wo sich die Vereinigung paraguayanischer Einwander trifft, danach im Local von HIJOS (die Organisation der Kinder von während der Militärdiktatur verschwundenen Eltern). Und das hier ist unser eigenes Lokal, hier sind wir seit November des letzten Jahres. JS: Könnt ihr mir ein wenig zu Aktionen erzählen die ihr gemacht habt und ob ihr etwas mit ihnen erreicht habt? Javier (Presse): Die wichtigste Mobilisierung, glaub ich, war als wir zu einer Demo aufgerufen und sie koordiniert haben, weil die Stadtverwaltung Parkkrallen, eine Art Fessel für falsch geparkte Autos im Mikrozentrum, für Motorräder einführen wollte. Das Problem ist, dass das argentinische Verkehrsgesetz nur die Parkzeiten regelt, es im Mikrozentrum aber keine Parkmöglichkeiten gibt. Nach der Demo zu der tausende kamen, wir wissen nicht die genaue Zahl, haben wir erreicht das die Verwaltung das Projekt fallen gelassen hat und Parkzonen für Motorräder im Mikrozentrum eingerichtet hat. Javier: Die spontanste Aktion war als De La Rua gefallen ist. Hier gab es aber keinerlei Organisation, es kamen einfach alle auf ihren Motorrädern und demonstrierten. Das war schon größte was wir bisher gemacht haben. Javier (Presse): Historisch gesprochen haben wir haben so erreicht, dass wir jetzt einen Platz in der argentinischen Gesellschaft bekommen haben, dass man uns kennt, vorher haben wir praktisch nicht existiert . Ein wenig aktueller und mehr gremial war der Konflikt, den wir vor 2 Monaten mit der Apothekenkette Vantage hatten. Die haben das komplette für die Auslieferung zuständige Personal entlassen haben, das waren ungefähr 10 "companeros". Zuerst haben sie sie dazu gezwungen auf eigene Rechnung zu arbeiten und haben nicht ihren Angestelltenstatus anerkannt. Da ihnen das aber scheinbar nicht gereicht hat, wollten sie nun die "companeros" entlassen und durch neue ersetzen, aber zur hälfte des Gehaltes und polyfunktional, heisst sie sollten neben der Auslieferung auch Arbeiten in den Apotheken verrichten. Wir als Gewerkschaft versuchten uns mit den Besitzern in Dialog zu setzen, aber man wollte uns nicht anhören. Daher haben wir ein Filiale von ihren Microzentrum, es gibt 300 im ganzen land und wir besetzen die wichtigste hier für 4 oder 5 Stunden. Einen Freitag haben wir dann erreicht, dass der Geschäftsführer aus seinem Country (eine Art gatet comunity) kam, mit uns sprach . und wir die Wiedereinstellung der "companeros" erreicht und die Reduktion der Arbeitszeit auf 8 Stunden, wir in Wirklichkeit arbeiten alle mehr als 8 Stunden. Man muss auch hervorheben dass hier in Argentinien 45% in schwarz arbeiten, in unter schlechten Bedingungen . Nachdem wir nun die Wiedereinstellung erreicht haben diskutieren wir die Beschäftigung in Weiß. JS: Wenn ich recht informiert bin habt ihr keine "Personaria gremial" (Recht auf Vertretung der MitgliederInnen bei Tarifverhandlungen), gibt es Planungen für Aktionen um dieses zu bekommen? Ja, am findet am 31. Mai eine Demonstration statt, wir haben schon die einfache "inscripción gremial" erreicht. In Argentinien ist es so dass für einen Bereich es nur eine offizielle gewerkschaftliche Vertretung, d.h. mit Tarifrecht, geben darf. Faktisch sind wir die reräsentitivsten, nun wollen wir es auch rechtlich sein, wir wollen auf den Papieren stehen. Weil eben nur die Gewerkschaft mit "personaria gremial" an den Tarifverhandlungen. Teilnehmen kann. Hier werden das Gehalt, die Arbeitskonditionen und Tarifverträge diskutiert. Am 31 May werden wir dem Arbeitsministerium zeigen, dass wir die die Gewerkschaft mit der höchsten Repräsentation sind. JS: Ihr spracht davon, dass ihr schon die "simple inscipsción" erreicht habt, wo liegt der Unterschied zur "personaria gremial"? Javier (Prensa): Die "simple inscripsión gremial" geben sie dir wenn noch keine Gewerkschaft mit "personaria gremial" existiert, sie gibt dir die gleichen Rechte, man darf aber nicht an Tarifverhandlungen teilnehmen. Die Gewerkschaft hat das Recht die Angestellten einer Firma bei punktuellen Konflikten mit ihrer Firma zu vertreten, wie im Fall von Vantage, darf aber nicht mit den Unternehmenskammern über allgemeingültige Verträge verhandeln. JS: Es ist interessant, das die Arbeitgeber schon als Verband oder Kammer organisiert während es noch nicht mal eine vertretungsberechtigte Gewerkschaft Javier (Prensa): Es gibt 3 Kammern, in denen Unternehmer dieses Sektors organisiert sind, aber sie sind nicht vereinigt, und der Grossteil der Agenturen weiß nicht einmal dass es sie gibt. Vom Organisationsniveau her gesehen sind wir ihnen einen Schritt voraus. JS: Wir schätzt ihr eure Chancen ein, dass man euch die "personaria gremial" gibt? Alle offiziellen Formalitäten haben wir erfüllt, alles was vom Gesetz her verlangt wird, was das Ministerium von uns will haben ist erfüllt. Wir haben den Kompromiss mit dem Ministerium dass, wenn wir alles erfüllen was sie von uns verlangen, sie uns die "personaria" geben. Gut, am 31 machen wir die Probe . JS: Im Januar seit ihr als bisher unabhängige Gewerkschaft der nicht offiziellen Dachgewerkschaft CTA beigetreten. Was hat euch dazu bewogen, wird eure Unabhängigkeit darunter leiden? Der Eintritt in die CTA hatte mit dem Kampf für die "personaria gremial" zu tun ... Wir denken und haben entschieden, dass es nötig ist unseren Rahmen für Alianzen zu erweitern... Daher haben wir uns in die CTA eingeschrieben. Der Eintritt ist ein sehr interessanter Prozess, sehr reichhaltig. Die Diskussion hat im Oktober letzten Jahres angefangen und im Januar haben wir uns entschieden. Aus der Idee heraus, dass die Arbeiterklasse geeint sein sollte haben wir beschlossen dass es keinen Sinn mehr macht alleine weiter zu kämpfen . die CTA war einfach das Beste wo wir sein kommen. Das soll nicht heißen, dass wir keine Kritik zu verschiedenen Positionen haben die die CTA in ihrer Geschichte vertreten hat. . Soll heißen wir haben kritischen Positionen ihnen gegenüber und sie akzeptieren unserer Positionen und unser Projekt. Und das ist es worum es geht, ein autonomes Projekt in der CTA zu entwickeln. JS: Verschiedene Teile der radikalen Linken kritisieren die CTA oft als genau korrupt, bürokratisch und genauso "gordo" (dick) wie die CGT. Wie ist eure Position? Javier: Die grundlegende Unterschied liegt darin, dass eine von beiden uns erlaubt etwas eigenes Unabhängiges in ihren Strukturen zu kreieren, unsere eigene Position beizubehalten, die andere nicht. JS: Abschließend etwas generelleres, wie steht ihr zum Unterstützungsakt den am 25 diesen Monats Teile der Gewerkschaften aber auch Piqueterobewegungen wie Barrios de Pie oder Movimiento Evita für den Präsidenten veranstalten wollen? Javier (Presse): Als Gewerkschaft haben wir hierzu noch keine klare Position, aber man muss entscheiden zwischen Barrios de Pie und Movimiento Evita. Evita ist von der Regierung erschaffen worden, "Barrios de pie" gab es schon vorher, und als Dario und Maxi ermordet wurden haben die "companeros" mit den anderen Bewegungen zusammen gekämpft. Sie kommen aus einer peronistischen Tradition, was heißt, dass sie gewisse Erwartungen an die Regierung haben. Das gleiche passiert mit vielen anderen Sektoren der Gesellschaft, sie haben Erwartungen an Maßnahmen, von denen wir als Gewerkschaft denken dass sie nur Kosmetik sind. Das hat mit den Menschenrechten zu tun, die Regierung geht auf historische Auseinandersetzungen, die immer von der argentinischen Gesellschaft hochgehalten worden sind wie die Bestrafung von Militärs, ein, aber was machen sie mit den aktuellen Menschenrechten, hier werden die Hintergründe nicht angerührt. 47% der Argentinier arbeiten weiter in schwarz, die Regierung klagt dieses zwar an aber fragt nicht nach den wahren Gründen. Javier: 50% der argentinischen Bevölkerung lebt in Armut und die Regierung Kirchner erhöht die Spanne zwischen Reich und Armut und erhöht die Reichtumskonzentration. Wie haben die Position, dass sie im Bezug auf Menschenrechte Sachen machen, die von keiner Regierung vorher gemacht worden sind, aber im Bezug auf die täglichen Menschenrechte wie Gesundheit, Ernährung, würdige Arbeit und würdiges Leben gibt diese Regierung keine Antworten. Dieses fordern wir mit unserem Gremium und mit viel Kampf haben wir erreicht, dass z.B. das Arbeitsministerium nun Inspektionen in den Agenturen gegen Schwarzarbeit durchführt, aber es hat uns Kampf gekostet. Diese Regierung führt eine Art doppeltes Spiel, um dich zu spalten. Es ist eine unheimlich feine und dünne Grenze. Manche Organisationen geben sich damit zufrieden und unterstützen die Regierung akritisch um so Gegenleistungen zu erhalten . Wir haben für uns klar, dass man kämpfen muss um etwas zu bekommen, aber die Unabhängigkeit immer bewahrt werden muss. |