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Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Diamanten gibt es genug - Wasser fehlt" Ich kann gar nicht anders anfangen, als zu fragen: Was hält man denn in Angola von Deutschland? Das kommt doch sehr darauf an: Die vielen die selbst, oder in der Familie Bekanntschaft gemacht haben mit Minen aus Deutschland, sind nicht sehr gut auf Euer Land zu sprechen - am wenigsten gut natürlich auf die Firma, die dieses Teufelszeug produziert. Wenn Dir ein Bein abgerissen wird - und Luanda ist heute voll mit Leuten aus (verminten) ländlichen Gebieten, bist Du schon schlecht genug, demjenigen, der das hergestellt hat, daselbe zu wünschen. Auf der anderen Seite: Diejenigen, die ein Auto derselben Firma fahren, haben sicherlich bessere Gefühle dem Unternehmen und dem Land gegenüber, nur: ich kenne keine davon, das sind auch nicht eben viele in Angola. Aber ich dachte eigentlich, es gäbe einen Prozess der Überwindung von Kriegsfolgen, zumindest wird das in der bürgerlichen Presse so dargestellt - wie sieht das aus? Auch das ist unterschiedlich - und allmählich. Es gibt beispielsweise Minen-Röumprogramme und auch soziale Hilfestellung für Behinderte des Krieges, da tut sich einiges. Aber das Land - und die Leute - sind vom Krieg um die Macht ziemlich beschädigt worden und für den Aufbau fehlt an allen Ecken das Geld, das für den Krieg ausgegeben worden ist. Und an dem sich auch einige bereichert haben, wir haben heute in Angola eine ziemlich andere Gesellschaft - als vor der Unabhängigkeit sowieso, aber auch als vor und während des Krieges. Weil Du aus Luanda kommst - wie sieht es in der Hauptstadt aus? Nun ja, Luanda war eigentlich für eine halbe Million Einwohner gedacht und hat heute vier Millionen, was vor allem ein Ergebnis der Kriegsflucht ist. Die Menschen sahen sich ja keineswegs von einer der beiden Seiten vertreten, sondern eher als das Gras, das unter kämpfenden Elefanten leidet. Also sind sie geflohen, vor allem eben nach Luanda, so daß jetzt fast ein Drittel aller AngolanerInnen in Luanda wohnt, das ist ein bißchen wie Uruguay, da war ich gerade, nur ist Angola eigentlich viel grösser.Und dementsprechend ist auch die Situation: Wenn ich Dir jetzt alle Probleme aufzählen möchte, die die Menschen haben, dann sitzen wir morgen noch da. Aber die versorgung mit Wasser ist ein dermaßen dringliches Problem, dass selbst ein so bürokratisches Ungetüm wie die UNO schon realisiert hat, das sei das aktuelle Hauptproblem. In der Regel ist "Wasserholen" eine ganz wesentliche Aufgabe, die Stunden dauern kann, oft genug dauert - und manchesmal vergeblich ist. Deswegen ist ein Brunnen, eine Pumpe in der Nachbarschaft eine ganz wesentliche soziale Errungenschaft, deswegen haben sich viele, vor allem in den Slums, in nachbarschaftlichen Wasserkomitees organisiert, ich selbst bin in einem aktiv und das kämpft um Versorgung und regelt den Zugang. Weil, auch wenn eine Pumpe da ist - meist gibt es nur jeden zweiten Tag Wasser. Und sonst? Kurz: Natürlich gibt es jede Menge Erwerbslose, da kannst Du nicht nach offiziellen Statistiken gehen, in unserem Bezirk sind 90 Prozent erwerbslos - dh sie müssen sich irgendwie durchschlagen. Überfüllte Wohnungen - die Familien waren die Aufnahmestätte - jede Menge Müll auf den Straßen und kein Strom - reicht das fürs erste? Sich durchschlagen - wie? Ja, alles, was denkbar ist, aus meinem Freundeskreis gibt es eine Reihe, die alle Arten von Reparaturwerkstätten betreiben, das sind Menschen die in Wirklichkeit hoch qualifiziert sind, da sie ja alle Ersatzteile selbst herstellen müssen. Aber natürlich gibt es nicht nur welche aus dem Congo, die versuchen, an Diamanten ranzukommen, sondern auch Tausende, die aus Luanda kommen und es entweder mal versuchen - und die ersten Male klappt es nie - oder aber eben immer wieder und das zum guten Teil auch erfolgreich. Aber illegal ist es, oder nicht ? Versteh mich recht, ich gebe da nichts drauf, aber um die verhältnisse zu kennen frage ich. Klar ist es illegal - seit 2003 gibt es die "Operação Brilhante", was nichts anderes ist, als ein konzentrierter Polizei- und Militäreinsatz und das in Zusammenarbeit mit sogenannten privaten Sicherheitsfirmen, die ja wohl weltweit in der Diamantenbranche die Besitzstände verteidigen. Die Steuerverluste wegen Diamantenschmuggels sind der Grund - wobei der kongolesische oder angolanische Hungerleider, den die Not in die Felder treibt trotz aller Angst und realer Gefahr schwerlich so viel Schaden anrichten wird, wie die Kriegsherren hier oder bestechliche Beamte. Aber Lunda ist weit weg und Nachrichten hört man kaum - lediglich, was die Rückkehrere erzählen. Von Festgenommenen, die allesamt in der Polizeiwache an Lungenentzündung gestorben sind - zwei Tage nach ihrer Festnahme. Was passiert mit den Ausländern? Die werden massiv und auf brutale Weise abgeschoben - in den letzten 14 Monaten sollen es rund 250.000 gewesen sein. Und wieviele Angolaner gibt es da? Das weiss niemand und ich könnte nur sagen, dass ich einige kenne, die da waren und so ihren familien das Überleben gesichert haben - auch solche, die selbst bisher noch nicht wiedergekommen sind. Ich vermute allerdings, dass es sehr sehr viele sind, denn trotz allem Terror ist die gegend reichlich unzugänglich, auch fürs Militär und die Privatschützen. Und wie ist das Verhältnis zu den "offiziell" in Diamantenminen arbeitenden? Soweit ich es von Leuten von hier beurteilen kann, ziemlich freundschaftlich eigentlich - was sicher damit zu tun hat, dass "offiziell angestellt" oft genug von einem Tag auf den anderen beendet ist, zumal wenn jemand mit den Sicherheitsleuten zusammenstösst. Und da sind sie nun dort und was sie gelernt haben ist Diamanten suchen, graben - also, was werden sie wohl tun? Also haben sie keinen Grund prinzipiell gegen die "Illegalen" zu sein zumal auch die arbeitsbedingungen dermaßen schlecht sind, dass sie sich gleichen. Denn Gewerkschaften sind entweder nicht vorhanden oder Totalversager. Und wie siehst Du die Zukunft? Wir sind ein reiches Land, nicht nur wegen Diamanten und Erdöl. Der Rest ist Politik - aber wer wird sich von der MPLA noch etwas erwarten? Nicht einmal mehr mein vater und der war selbst 30 Jahre dabei und hat versucht, seine Söhne dazu zu bekommen, was ihm nicht immer gelang. Ich war nie dabei und werde es auch künftig bestimmt nicht sein, wir bräuchten irgendetwas unabhängiges, nicht von der Geschichte gezeichnetes... (Das Interview führte Helmut Weiss) |