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Updated: 18.12.2012 15:51 |
"Angolagate" - die paralellen Strukturen des Bürgertums in Westeuropa treten zutage..: Die 17.000 Personenminen werden nicht bestraft Der EU Bürger weiss natürlich: In den Staaten, die "von uns" Demokratie zu lernen haben, gibt es neben der gewählten Regierung noch andere Machtstrukturen, die ihre Leute selber wählen. Was er durchaus auch wissen könnte, aber meist nicht will, trat jetzt in einem Prozeß in Frankreich zutage: Dass es solche Strukturen eben auch in den sogenannten Kerndemokratien Europas gibt. Was in Frankreich vor beinahe einem Jahrzehnt als Bestechungsskandal begann - und bis zum Schluß so behandelt wurde - fand sein vorläufiges Ende in der Verurteilung des ultrakonservativen früheren Innenministers Pasqua. Was in dem Prozeß aber vor allem nicht behandelt wurde: Die Beteiligung der französischen Ölfirmen an der Fortdauer des Bürgerkriegs in Angola und die menschlichen Opfer, die diese Art Politik gefordert haben. Unsere aktuelle Materialsammlung "Angolagate und viel mehr" vom 25. November 2009 legt den Schwerpunkt genau auf diese beiden Problemkomplexe. Angolagate und viel mehr... Liest man die Berichterstattung in französischen Zeitungen so ist das ganze Konstrukt Angolagate auf einen der überall in der bürgerlichen Welt längst nicht mehr skandalösen Skandale beschränkt und die Urteile ein Beweis, dass die Justiz funktioniert. Es ist einigermassen bekannt, dass Frankreich zu den meisten seiner ehemaligen afrikanischen Kolonien besondere Beziehungen unterhält - und es ist auch immer wieder ersichtlich geworden, dass diese besonderen Beziehungen auch auf besondere Weise organisiert sind. So wurde auch im Verlauf der Untersuchungen erst richtig deutlich, dass es sich keineswegs "nur" um eine Verlängerung von "Franceafrique" bis tief in den Süden des Erdteils handelt. Die Grundzüge Worum es ging ist einfach: Die MPLA-Regierung Angolas brauchte Waffen für den Bürgerkrieg. In Osteuropa gab es in den 90er Jahren mehr als genug davon. Finanziert und organisiert wurde der Deal über Frankreich - das seinerseits ein Interesse daran hatte, den fanzösischen Ölfirmen verbesserten Zugang zu Angolas Erdöl zu verschaffen. Dazu gab es einerseits die Verbindungen des Mitterandschen Afrikanetzwerkes - und nicht umsonst gehört der Sohn des verstrobenen Expräsidenten zu den Angeklagten in einem der mit Angolagate zusammenhängenden Prozesse. Es gab aber auch Kontinuität: Chirac und sein Innenminister, der jetzt verurteilte Pasqua hatten ihre eigenen Strukturen - von denen sich zwei kurz schlagwortartig nachzeichnen lassen. Zum einen das Unternehmen Brenco, mit dem Sitz auf der Isle of Man, über das die Finanzierung abgewickelt wurde. Und zum anderen eine ganze Reihe von Personen - wie etwa Michel Roussin: Ehemaliger Vizechef des Auslandsgeheimdienstes DGSE, Afrikaexperte des Unternehmerverbandes MEDEF, Kabinettsdirektor des damaligen Bürgermeisters von Paris, Jacques Chirac...Diese Fakten und viele mehr trägt Thierry Brugvin in seinem Beitrag "Le procès de l'Angolagate : un symbole de la collusion entre élites économiques et politiques françaises et africaines" vom 18. November 2009 beim hns-info zusammen und bietet noch viele weitere Quellen dazu. Das ganze kann man auch von der anderen Seite her lesen: "Nach dem Waffenschieberskandal "Angolagate" hat der frühere französische Innenminister Charles Pasqua erneut schwere Vorwürfe gegen die damalige Regierung erhoben, insbesondere gegen Altpräsident Jacques Chirac und den ehemaligen Regierungschef Dominique de Villepin. Chirac und Villepin sowie der frühere Verteidigungsminister Charles Millon hätten 1995 von den Waffenverkäufen nach Angola gewusst, sagte Pasqua am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Paris" - so wird in dem kurzen redaktionellen Bericht "Früherer Innenminister wirft Chirac und Villepin Mitwisserschaft vor" vom 12. November 2009 im österreichischen Standard zusammengefasst. Und, im Umkehrschluss: "Das Urteil könnte Frankreichs Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zu Angola beeinträchtigen. Die angolanische Regierung hatte beim Prozessbeginn verlangt, dass gewisse Akten aus Rücksicht auf die Geheimhaltung aus dem Dossier entfernt werden. Neben diplomatischen Spannungen drohen auch wirtschaftliche Konsequenzen. In diesem rohstoffreichen Land verfügt der französische Erdölkonzern Total über bedeutende Schürfrechte" so wird es in dem Artikel "Urteil im «Angolagate»-Prozess" von Rudolf Balmer am 27. Oktober 2009 in der Neuen Zürcher Zeitung festgehalten. Was zu zu ergänzen ist: Die "bedeutenden Schürfrechte" von Total entstanden im Verlauf der 90er Jahre... Bilanz: Es geschah alles keineswegs "ad hoc" sondern für den Waffendeal wurden dauerhafte Strukturen unkontrollierter Art benutzt, in einem Bereich wo "seriöse" und weniger seriöse Lebensentwürfe Schnittmengen haben. (Was man kennen kann: Von der teutonischen Treuhand bis zu der Grünen Bande, die die Arbeiterehebung von Schanghai vor 80 Jahren niederschiessen half...) Der Krieg Die Sachlage, die zu dem Waffendeal führte, ist eindeutig: Die Unita hatte - offensichtlich für die Regierung in Luanda überraschend - das Abkommen von Lusaka gebrochen und war 1992 wieder, erfolgreich, zum militärischen Angriff übergegangen. Von diesem Zeitpunkt an, gab es teils schrittweise, teils schnell eine allgemeine Öffnung der internationalen Allianzen: Die US-Regierung Clinton erkannte 1993 erstmals die angolanische Regierung an. Über die Angriffe der Unita und die Quelle ihrer Ausrüstungen trotz Sanktionen gibt es eine ausführliche UNO-Dokumentation: "Final Report of the UN Panel of Expertson Violations of Security Council Sanctions Against Unita" vom März 2000. Die Akten über die Gegenseite wurden bisher, wie im oben zitierten Artikel angedeutet, nicht veröffentlicht. Tatsache aber ist, dass beide Seiten diesen Krieg wie einen Krieg von Regierungen führten, ohne Rücksicht auf das, was damals noch nicht als Kollateralschaden ein berüchtigtes Wort geworden war. Weshalb auch zumindest ein Teil der Öffentlichkeit sich insbesondere über den Verkauf von Personenminen erregte. "Während des Jahrzehnte andauernden Krieges wurden von allen Kriegsparteien Millionen Landminen verlegt. Noch heute ist Angola eines der am meisten verminten Länder der Welt. Die Minen stellen eine permanente Gefahr für die Bevölkerung dar, sie verhindern die Rückkehr zum Alltag" - dies ist ein kurzer Auszug aus dem Bericht "Nach dem Schrecken" am 1. Januar 2008 bei medico international publiziert... Und, was die Position der Regierung in Luanda auch eben nicht verbessert, ist die Tatsache, dass einer der Hauptangeklagten, Pierre Falcone, nicht nur 2003 als Angolas Unnesco-Botschafter nominiert wurde, sondern dies auch noch mit ausdrücklichem Lob Seitens des Staatspräsidenten dos Santos, schreibt in "How France fuelled Angola's civil war" Rafael Morais am 1. November 2009 inm britischen The Guardian. Die Ergebnisse Wenn sie gezwungen ist, auf öffentlichen Druck zu reagieren, betont die Regierung Angolas stets, alle ihre Schritte seien legal gewesen und hätten lediglich der nationalen Souveränität gedient. eine andere Bilanz auch der Nachkriegszeit samt Ölboom wird in dem kurzen Beitrag "Armut und Ressourcenreichtum" vom 21. April 2007 bei medico international gezogen. Dass offiziell 86.000 Menschen als durch Personenminen so schwer verletzt geführt werden, dass sie bleibend behindert sind, rundet dieses üble Bild ab - so wurde es jedenfalls schon 2002 von Global Witness in "All the President's Men" bilanziert. Zusammengestellt von hrw |