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Updated: 21.11.2006 16:39 |
We want you! Erste Ergebnisse der LeserInnenumfrage und warum wir diese machen So schnell kann's gehen mit dem Wetterumschwung. Bei der Produktion des letzten express hieß es noch: »Es ist heiß, es ist Sommer, und die Welt ist zu Gast bei Freunden (...) Prima Klima also«. Aber dass die Naturphänomene bisweilen noch schneller wechseln als die – ohnehin kaum noch von Jahreszeiten abhängigen – Moden, war auch im August schon klar. Und dass der schöne Schein eines kurzen Sommers, in dem »wir« alle Freunde und gleich waren vor den Leinwänden, wenig Substanz hat, war Hintergrund unseres Fischzugs in Untiefen, den wir im letzten express angekündigt hatten. Jetzt ist August, und spätestens seit Peer Steinbrücks Äußerung, die Deutschen mögen doch bitte weniger in Urlaub fahren und ihr – oder eigentlich unser? – Geld in fremden Ländern, d.h. in den Ökonomien der »Freunde« ausgeben, sondern stattdessen »unsere« – oder ihre? – Pensionsansprüche finanzieren, ist klar, dass im Ausland so wenig Prima Klima möglich sein soll, wie es hier schon herrscht. Nur die Bundeswehr, die darf künftig Sonne an ferne Gestade tragen, da sie schon so viel Erfahrung damit hat, wie die Länder der Freunde zu wahrhaften Îles d'heureuses umgestaltet werden können. Furchtbar sind nicht nur die sozialen Abgründe, in die wir (nicht nur) hierzulande blicken, sondern auch die alles andere lichten intellektuellen Höhen, in denen die Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr, um nur ein Beispiel für die außenpolitischen Ambitionen der BRD zu nennen, geführt wird. Einig ist man sich in Einem, egal ob Befürworter oder Opposition: Es geht um die Verteidigung der Menschenrechte, die schon für vieles herhalten mussten. Und um die besondere Verantwortung Deutschlands aufgrund des Nationalsozialismus. Differenzen gibt es lediglich bei der Frage, zu welchem Zweck der NS instrumentalisiert, und damit seiner historischen Bedeutung und insofern auch seiner Kontinuitäten nach 1945 entkleidet wird: ob nun für oder gegen den Einsatz im israelisch-libanesischen Krieg. Immer verschwindet in solchen manichäischen Entscheidungsalternativen, zumal auf dem Felde der militärischen Logik, die Begründung und der Hintergrund – und das soll es ja auch. Denn sonst müsste über die sozialen Verhältnisse, die diese hervorbringen, geredet werden – und nicht nur das. Als vorerst letzter, kurzer Nachtrag zur Debatte um den »entspannten« Nationalismus, und weil sich's gerade so schon fügt, dass Bert Brecht landauf, landab aus Gründen entsprechender Jahreszahlenarithmetik (und nicht etwa aus politisch-ästhetischer Sympathie) geehrt wird: Wir schließen uns vorbehaltlos seinem Vorschlag an, künftig von »unserem« Land nur noch als »Land Nr. 11 und damit basta« zu sprechen, denn, wie Brecht am 11. November 1943 in seinem Arbeitsjournal formulierte: »deutschland muß sich nicht als nation emanzipieren, sondern als volk, genauer als arbeiterschaft. Es war nicht ›nie eine nation‹, sondern es war eine nation, d.h., es spielte das spiel der nationen um weltmachtstellung und entwickelte stinkenden nationalismus« (frankfurt a.m. 1973, S. 642) Das ist nun kein kleines Programm. Weder im Juli noch jetzt im August, der seiner äußeren Erscheinung nach auch wieder mehr den inneren Verhältnissen entspricht, steht es zum Besten mit der Emanzipation der Deutschen als Arbeiterschaft. Und es ist auch die Frage, was eine Zeitung wie der express dazu beitragen kann, selbst wenn er könnte. Ersteres hängt entscheidend von der Wahrnehmung dieser Zeitschrift in den verschiedenen sozialen und politischen Zusammenhängen, in denen unsere LeserInnen, also Ihr, tätig seid, ab; letzteres entscheidend vom »Machen« der Zeitschrift selbst, damit von den »Machern« und ihren MitarbeiterInnen, letztlich also auch Euch. Die LeserInnenumfrage dient also nicht nur dem bereits erwähnten »Fishing for compliments und Kritik«, d.h. der Ermittlung des »Gebrauchswerts«, den eine solche Zeitung für Euch, unsere LeserInnen, hat. Das ist für sich genommen allerdings auch schon eine Anstrengung wert, stellen die Ergebnisse solcher Befragungen doch einen ersten Schritt zur Überbrückung der Distanzen zwischen Redaktion und Rezipienten dar. Denn selbst wenn wir unterhalb der »großen Linien« im Einzelnen immer genau anzugeben wüssten, warum und in welcher Perspektive wir welche Konflikte, Probleme, Themen, Artikel etc. für wichtig halten und sie entsprechend behandeln, so ist damit doch noch lange nicht gesagt, dass dies auch in der Zeitung zum Ausdruck und bei den LeserInnen ankommt. Vielleicht »lest« Ihr etwas ganz anderes heraus und hinein in dieses Produkt eines nicht wenig anstrengenden »ständigen Prozesses der Diskussion, Organisation und des Artikelschreibens«, wie unser Vorgänger Eberhard Schmidt 1979 die Tätigkeit der damaligen Redaktion aus ähnlichem Anlass beschrieb. Es geht hier also um die Vermeidung des Sprechens in den berühmten »leeren Raum«, der zwar ohnehin eine Fiktion ist, aber vielleicht mit ganz anderen Interessen, Begehrlichkeiten und Wünschen gefüllt, als es aus und in Offenbach scheint. Und es geht darum, in einen engeren Austausch zu kommen, der schließlich auch die Suche nach, Verständigung über und Konkretisierung von Perspektiven auf die vielzitierte »andere Welt«, die möglich ist, beflügeln kann. Selbige Interessen und Begehrlichkeiten einzubeziehen, und damit wären wir beim zweiten Ziel unserer »Umfrage«, war ebenfalls damals schon ein Anliegen der Redaktion. Denn, um noch einmal Eberhard Schmidt zu zitieren aus einer Sonderbeilage, mit der der express im September 1983 erneut versuchte, ein Stück Öffentlichkeit (zurück) zu gewinnen und sein MitarbeiterInnen- und Korrespondentennetz auszuweiten: »Die Schwierigkeiten beim Machen einer solchen Zeitung sind keine geringen (...) [d]a die Zeitung von der Informationsbeschaffung bis hin zum Umbruch von den Redakteuren selbst hergestellt wird (...) In der Redaktion, die sich aus Kolleginnen und Kollegen aus Betrieben und Verwaltungen, Wissenschaftlern und Bildungsarbeitern zusammensetzt, werden kontroverse politische Einschätzungen ausdiskutiert. Gleichwohl wird eine gewisse Bandbreite an Meinungsvielfalt trotz aller ›Linie‹ bewusst angestrebt. Obwohl mehr als die Hälfte der Beiträge von draußen kommt, stellt die Ausweitung des Korrespondentennetzes und die Beschaffung von Informationen und Artikeln zu aktuellen Themen in jeder Ausgabe neue Probleme, zumal viele Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben vor der Anstrengung zurückschrecken, ihre Erfahrungen und Vorstellungen zu Papier zu bringen. Sicherlich sind dies Probleme, die auch bei anderen Betriebszeitungen eine große Rolle spielen. Sie stellen sich jedoch verschärft, je weiter eine Zeitung vom unmittelbaren Betriebsgeschehen entfernt ist und dem Anspruch genügen muss, verallgemeinerungsfähige und exemplarische Inhalte vorzustellen. Eine große Rolle spielen in diesem Zusammenhang Sprache und Umbruch der Zeitung, sie sind nicht zufällig ständiger Kritikpunkt in unseren internen Diskussionen und Gesprächen mit Lesern. Komplizierte Sachverhalte, etwa im technologischen, ökonomischen oder tarifpolitischen Bereich so zu vermitteln, dass weder Schwierigkeitsgrad der Probleme verloren geht, noch die Verständlichkeit darunter leidet, ist nicht selten äußerst schwer lösbar und erfordert große Anstrengungen von Redaktion und Artikelschreibern.« Fast schon ein bisschen trotzig schrieben damals seine Kollegen aus der Offenbacher »Sitzredaktion« in der gleichen Sondernummer über hohe Ansprüche aus den Niederungen des Redaktionsalltags heraus betrachtet: »Von daher sieht es nicht gerade rosig aus mit dem, was wir uns unter unserer Arbeit ›noch‹ vorstellen. Wir sind damit ständig überfordert. Und versuchen, uns realistische Ziele zu stecken, ohne freilich diese Ansprüche aufzugeben. Dazu gehört ›noch‹: Teilnahme an Veranstaltungen, Mitwirkung an Diskussionen und Initiativen anderer. Wir sind ja keine Redigierer oder so was wie journalistische Transportarbeiter für andere. Wir wissen selber auch was – und gerade bei der redaktionellen Arbeit sammeln wir viel Erfahrungen. Eigene Initiativen, Konferenzen, das politische Ein- und Mitmischen gehört auch ›noch‹ dazu. Ganz zu schweigen von der Alltagsarbeit, die nach außen gar nicht bekannt, aber dennoch wichtig ist: das Vermitteln von Kontakten, Referenten, Informationen.« Nun ist es – siehe Einleitung – nicht so, dass die materiellen Voraussetzungen für ein solches Projekt besser, die politischen Verhältnissen für emanzipatorische Debatten offener, die Gewerkschaften fortschrittlicher, die Arbeitsverhältnisse abgesicherter, die Zeitkapazitäten umfänglicher, die Linke zahlreicher, die Welt kleiner und überschaubarer geworden wäre. Umso abhängiger sind wir von Eurem »Feedback«, und umso mehr freuen wir uns, Euch in dieser Ausgabe erste Rückmeldungen auf unsere Leserumfrage präsentieren zu können. Den nächsten »Schwung« gibt es in der nächsten Ausgabe, ebenso wie einen Bericht über unsere eigenen Erfahrungen und Einschätzungen der Situation sowie einen Bericht darüber, wie es »hinter den Kulissen« zugeht. Was wir damit anfangen, und wie es weiter geht, würden wir dann gerne zusammen mit Euch diskutieren. Seid jetzt schon herzlich eingeladen – enrichez vous! Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 7-8/06 »Ein identifizierbares politisches Profil« in der Informationsflut Liebe Leute von der express-Redaktion, gerne komme ich Eurer Aufforderung nach, etwas zu meiner Wahrnehmung des »express« zu sagen. Zunächst einmal: ich finde es enorm wichtig, dass es den express als eine Zeitung gibt, die einer linken undogmatisch-kritischen Position verpflichtet geblieben ist. Diesbezüglich hat sich der Blätterwald mittlerweile doch erheblich gelichtet, quantitativ wie qualitativ. Das sage ich auch als Mitglied der alten links-Redaktion, der es leider nicht gelungen ist, ihr Blatt in schwierigen Zeiten über die Runden zu bringen. Das hatte seine Gründe in der etwas prekäreren finanziellen Basis, nicht zuletzt aber auch in den innerlinken Spaltungsprozessen, von denen die neunziger Jahre geprägt waren. Einer Tradition linker Publizistik treu zu bleiben und in der inzwischen angesagten Flexibilität nicht alle politischen und medialen Wenden mitzumachen, bedeutet allerdings auch das Risiko, LeserInnen und AbonnentInnen zu verlieren, die mit so etwas sozusagen Altbackenem nicht mehr viel anfangen können. Für die Abo-Rückgänge, die Ihr verzeichnen müsst, gibt es wahrscheinlich nicht nur finanzielle Gründe, sondern sie haben auch etwas mit veränderten politischen Lagen und auch mit Lese(un)gewohnheiten zu tun. Wie dem zu begegnen wäre, ist mir auch nicht ganz klar. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass gerade angesichts des aktuellen Booms der neuen elektronischen Medien eine gedruckte Zeitung mit einer Redaktion, die ein identifizierbares politisches Profil hat, unverzichtbar ist. Dies nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die wachsende Informationsflut allmählich in Desinformation umzuschlagen droht. Information ohne Einordnung, Bewertung, Kontext und Hintergrund ist nutzlos. Gerade deshalb wird es noch wichtiger, dass es Leute gibt, die wichtige Probleme identifizieren können, die Information von Schrott zu unterscheiden vermögen und die eine nachvollziehbare Sicht auf die Welt zu vermitteln vermögen. Natürlich hat jedeR LeserIn ein spezifisches Interesse. So stehen Betriebs- und Gewerkschaftsfragen bei mir nicht im Zentrum, aber trotzdem schätze ich es, über den express auch auf diesem Gebiet mit Informationen und Einschätzungen versorgt zu werden, die ich in den anderen von mir wahrgenommenen Medien weniger finde. Aber ich halte es auch für wichtig, dass der express über den gewerkschaftslinken Tellerrand hinauszublicken versucht und Themen aufgreift, die dort (noch) nicht im Zentrum stehen. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um ein allgemeines garantiertes Grundeinkommen. Für unerlässlich halte ich es auch, dass sich der express vielleicht noch stärker mit so genannten allgemeinpolitischen Themen und Analysen beschäftigt. Und nicht nur das: Eher theoretische Beiträge finde ich hin und wieder nicht schlecht, wenn sie sich auf wichtige Probleme beziehen und mehr als Übungen im akademischen Elfenbeinturm sind. Das findet man in leserlich aufbereiteter Form sonst auch immer weniger. Und schließlich finde ich auch den Rezensionsteil gut. Der könnte sogar noch ausgebaut werden. Meine Erfahrungen mit dem links-netz (im Internet, www.links-netz.de) zeigen, dass es gar nicht schlecht ist, wenn der Zwang besteht, ein gedrucktes Organ mit regelmäßigem Erscheinen machen zu müssen. Das systematisiert die Arbeit und erzeugt einen Druck, bei dessen Fehlen leicht ein gewisser Schlendrian um sich greift. Eine gedruckte Zeitung erfordert halt insgesamt mehr Verbindlichkeit bei den Machenden. Eine Internet-Publikation ist sicherlich kein Ersatz, sondern eher eine Ergänzung zu gedruckten Zeitungen. Ich würde mir wünschen, dass die bisher eher noch punktuelle Kooperation zwischen dem express und den links-netz noch etwas enger und kontinuierlicher würde. Mit den besten Wünschen fürs Weitermachen! Joachim Hirsch Joachim Hirsch war Professor am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Redaktionsmitglied der »links« und ist mittlerweile Redakteur des »links-netz« (www.links-netz.de ). »hin und wieder ermutigende Perspektiven« Einige Zeit hat die letzte Nummer vom express hier provozierend auf dem Arbeitstisch gelegen. Soll ich, will ich, kann ich Eurer Aufforderung nachkommen oder nicht? (...) Ich will ich es versuchen, Du wirst an der Kürze des Textes sehen, wie wenig wir im Grund beitragen können.
Mit ganz vielen Grüßen und in der Vorfreude auf die nächste Nummer des express. Angela Hidding, Fritz Stahl Angela Hidding war Betriebsrätin, Fritz Stahl Vertrauensmann bei DaimlerChrysler in Mannheim. Nicht bloß gegen den Neoliberalismus Dass der express nötig ist, wird mir in meinem beruflichen Alltag immer wieder vor Augen geführt. Die »Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit« hilft mir nicht nur dabei, die ökonomisch-politischen Hintergründe aktueller Veränderungen bei der Deutschen Post zu erfassen. Der express dient mir auch als ein Leitfaden bei (gewerkschafts-) politischen Debatten mit Kolleginnen und Kollegen. Diese Unterstützung möchte ich nicht missen, da ich im Betrieb des Öfteren mit problematischen, manchmal geradezu Besorgnis erregenden Einstellungsmustern und Meinungsäußerungen konfrontiert werde. Grob differenziert lassen sich drei Gruppen von KollegInnen beobachten. Eine von ihnen ist das in den letzten Jahren merklich geschrumpfte Segment der sozialdemokratisch Orientierten. Sie trauern der korporatistisch geprägten »guten, alten Post« nach und hoffen, dass ver.di und die Betriebsräte das Post-Management im Sinne einer »sozialverträglichen« Konzernpolitik beeinflussen können. Mit solchen Vorstellungen einher geht oft der Wunsch nach der Wiederbelebung einer staatlichen Wirtschaftspolitik, die mittels keynesianischer Instrumente für einen wohlfahrtsstaatlich eingebetteten Vollbeschäftigungskapitalismus sorgt. Eine weitere Gruppe sympathisiert mit neoliberalen Ideologien. Die von den Massenmedien verbreiteten Floskeln (»weniger Sozialklimbim«, »mehr Markt«) stoßen hier auf beträchtlichen Zuspruch. Folglich kann es nicht verwundern, dass diese Kolleginnen und Kollegen keine Schwierigkeiten mit der Leistungs- und Wettbewerbsrhetorik der Postspitze haben. Sie legen eine ausgeprägte Ellenbogenmentalität an den Tag, schimpfen über die Gewerkschaften und gehen offenbar davon aus, durch demonstrativen Arbeitseifer aus den postbetrieblichen Umstrukturierungen als »Sieger« hervorzugehen. Das dritte Segment setzt sich zusammen aus einer erklecklichen Zahl von Kolleginnen und Kollegen, denen »Neoliberalismus pur« anscheinend zu wenig emotionalen Überschuss und »Gemeinschaftsgeist« bietet. Sie sind empfänglich für einen modernisierten Nationalismus, in dem sich Bausteine neoliberalen Denkens mit Elementen völkischer Ideologie mischen. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass auch unter den Postbeschäftigten der schwarz-rot-goldene WM-Begeisterungstaumel um sich greifen konnte. Diesen Schattierungen muss die linke Gewerkschaftsdebatte Rechnung tragen. Sie darf sich nicht zu sehr auf die Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus fixieren. Auch das Hinterfragen des keynesianischen Staats- und Arbeitsfetischismus ist wichtig. Hier zeigt der express erheblich mehr Problembewusstsein und kritischen Biss als etwa die Zeitschrift Sozialismus oder das ATTAC-Spektrum. Erfreulich ist überdies, dass der express rechte Orientierungen unter den Lohnabhängigen zum Thema macht. Das sollte auch weiterhin geschehen, denn es steht zu befürchten, dass der modernisierte Nationalismus seine Attraktivität als Verarbeitungsideologie gesellschaftlicher Krisenprozesse in den nächsten Jahren weiter steigern kann. Was erwarte ich außerdem vom express? Ich hoffe, dass in dieser Zeitung weiterhin längere, mit grundsätzlichen Überlegungen gespickte Artikel zu finden sind. Sie sind für mich eine wichtige Ergänzung zu den tagesaktuellen Informationen, die per Email-Newsletter vom labournet geliefert werden. In dem Zusammenhang möchte ich insbesondere für die Buchbesprechungen und Kongressberichte eine Lanze brechen. Sie ermöglichen einen Überblick über gewerkschaftlich relevante Trends in Publizistik und Wissenschaft. Und dürfen deshalb auch im zukünftigen express – wie auch immer sein Emblem demnächst aussehen mag – nicht an den Rand gedrängt werden. Geert Naber Geert Naber wohnt in Oldenburg und arbeitet im Briefzentrum der Deutschen Post und ist ver.di-Mitglied. »Nachdenken« – das tun wir bei der SoZ – gezwungenermaßen – in gleiche Richtung! Keine Zeit für viele Zeilen ..., aber wenn ich kurz und spontan was sagen soll: Tun wir die Zeitungen zusammen und machen was Neueres – schließlich plagt nicht nur Ihr Euch mit den genannten Problemen. Aber das erfordert mehr als nur eine lockere Überlegung, und ob wir dazu noch kommen werden? Alles Gute und Soligruß, Rolf Euler Rolf Euler ist Mitarbeiter der Zeitschrift »soz«, Köln. »etwas sozial-kultureller bitte« Mit dem Blick des Arbeiters in die Gesellschaft zu sehen, bleibt wichtig; es wird sogar wieder wichtiger, weil dieser allgemeiner wird. Eine Zeitung, die das kann und durchhält, ist es demnach auch. Mögen die Arbeiter inzwischen ebensogut Angestellte sein – ob vom Fabrikboden oder vom Großraumbüro aus: Entscheidend ist, wer von wo aus guckt, mit welchen Maßstäben er die Gesellschaft misst. Die Bedeutung des express besteht m.E. in dieser Bodenhaftung. Der »Blick in die Gesellschaft« mag deshalb streckenweise nur den Bereich der Wirtschaft umfassen, aber durch jene Bindung an die betriebliche Sphäre und Atmosphäre ist er unersetzlich. Basisinitiativen, soweit es sie gibt, oder neue Formen in der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit erfahre ich kontinuierlich nur hier. Elektronische Medien scheinen mir schon gar keinen Ersatz für diese Beobachtungs- und Ausdrucksarbeit zu bieten. Sie mögen im einfachsten Bereich der Information manche Beschleunigung bieten, doch nichts für die Stabilisierung jenes Blicks und die Verknüpfung tatsächlicher Erfahrungen zu leisten. Etwas »kultureller«, sozialkultureller könnt's vielleicht sein, da doch auch die Lebensformen (Konsumtionsformen) der Arbeiter expandieren. Ich denke, die Tendenzen der Gesellschaftsdynamik nach dem Umbruch 1989 (er)kennen weder die Oberen noch die Unteren schon; sie werden oben wie unten nur mitgemacht. Weder Gewerkschaften noch mehr oder weniger linke Parteien können bisher artikulieren, wo mehrheitliche Selbstbestimmung wieder real wird. Der wirkliche, heute noch nicht bekannte, weil noch nicht gebildete Durchschnitt der Arbeits- und Lebensformen wird der Ausgangspunkt, die Basislinie neuer Selbstbestimmung sein. Jene Position, die man sich nicht (mehr) nehmen lässt, weil man sie nicht aufgeben kann. Deshalb ist eine Zeitung, die Tuchfühlung zu den Arbeits- und Lebensformen der Mehrheiten hält, legitim und notwendig. Der lange Atem ist dabei m.E. durchaus spezifisch, jede Wurzel, die vor etwa 1970 zurückreicht, von Eigenwert. Die heutige Zeit, d.h. der heutige Zustand hat damals begonnen und seine innere Grenzen sind der Beobachtung und Analyse wert. Klaus Wolfram Klaus Wolfram ist Mitarbeiter des Basisdruck-Verlags in Berlin und vormaliger Autor der Zeitschrift »Sklaven«. Bequem heißt nicht antiquiert Da ich Eure Zeitung sehr schätze, beantworte ich gerne die Fragen:
Ich hoffe, Ihr könnt mit diesen (knappen) Anmerkungen etwas anfangen. Ich wünsche der Zeitung weiterhin eine gute Hand, herzliche Grüße, Christa Sonnenfeld (Komitee für Grundrechte, Redaktion links-netz) Relaunchismus gefordert Liebe express-Redaktion, mit Interesse habe ich die neue Ausgabe und den Artikel auf Seite 2 gelesen, in dem Ihr zur Kritik und zu Vorschlägen bezüglich der Neugestaltung des express aufruft. Wohlan, nun denn, hier sind meine Kritik und Vorschläge zur vor allem Layout-Veränderung: Der express ist, wie wir alle, in die Jahre gekommen. Und so sieht er auch aus! Im Erscheinungsbild sehr konventionell und für jüngere LeserInnen daher wahrscheinlich ziemlich uninteressant. Wenn ich mir das ver.di-Zentralorgan »publik« anschaue, dann finde ich das für die Masse der ver.di-Mitglieder zwar ganz gelungen, aber in meiner eigenen Gewerkschaft, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten Union, gibt es viel Kritik an der PUBLIK. Unser eigenes Verbandsorgan, die »M – Menschen machen Meinung« hat vor einiger Zeit auch einen Relaunch gemacht und wird deswegen allenthalben gelobt. Andere Gewerkschaftszeitungen sehe ich selten, weil ich sie nur bekomme, wenn ich im Gewerkschaftshaus bin. Der express müsste ein frisches, neues und zeitgemäßes Layout bekommen. Es ist ziemlich umständlich, den großen Aufmacher über das neue LIDL-Schwarzbuch Europa über mehrere Seiten am unteren Rand zu lesen. Dann vermisse ich Reportagen und vor allem Comics. Die Fotos stehen oft ziemlich quer im Heft und sind meistens Fremdkörper. Es gibt genug FotografInnen, die aktuelle Fotos haben, mit denen sich die Artikel gut illustrieren ließen. All diese Sachen werden für ver.di-Mitglieder kostenlos in DJU-Seminaren vermittelt und unterrichtet. Dann würde ich mich gerne mal mit express-Lesern aus Hamburg unterhalten. (...) Es ist gut, dass jetzt von der Redaktion selber dieser Aufruf zur Kritik und Veränderung kommt. Es ist an der Zeit, was am Aussehen des express zu verändern, weil es für eine linke Zeitung eine stramme Leistung ist, den 44. Jahrgang herauszugeben. Ich wünsche mir, dass spätestens der 45. Jahrgang anders aussieht. Wie, das sollten die LeserInnen mit der Redaktion diskutieren. Ich helfe mit meinen journalistischen und Vertriebsfähigkeiten gerne dabei mit. Auf Artikel, die ich vorschlagen könnte, will ich erst einmal nicht eingehen, weil ich es aus Zeitmangel bis auf ein einziges Mal nie geschafft habe, einen Artikel für den express zu schreiben. Worüber sich aber aus Hamburger Sicht für den express zu schreiben lohnte, das wäre:
Dies sind nur vier Artikel, die mir einfallen. Vielleicht schaffe ich es ja, mindestens zwei davon für den express zu schreiben. Grüße aus Hamburg an einem heißen Juli-Nachmittag Michael Rittendorf DJU-Vorsitzender Hamburg, Redaktion mare, Mitglied des Beirats in »umdenken e.V.«, der Landesstiftung der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, Herausgeber des kulturpolitischen Journals »Der fröhliche Marxist. Zum Studium der Quellen, Werke, Schriften von Chico, Groucho, Harpo, Karl und Zeppo Marx«. Im September erscheint ein neues Heft zum Thema »70 Jahre Spanischer Bürgerkrieg«. Fishing for Compliments Liebe express-Redaktion. Ihr fragt danach, ob und warum wir, die Leser es wichtig finden, dass es den express gibt und worin wir seine besondere Bedeutung sehen. Lasst mich alle drei Fragen auf einmal beantworten, denn ich kann das so gar nicht trennen. Für mich ist der express die einzige am Betrieb orientierte Zeitung, die zugleich aber Produktion nicht auf die Betriebsebene reduziert, sondern immer zugleich versucht, Produktion gesamtgesellschaftlich zu diskutieren. Das schlechte Gegenbeispiel zum express stellt für mich der dgb-einblick dar, der sich an den vermeintlichen Gewohnheiten eines vermeintlichen BILD-Zeitungslesers zu orientieren versucht und damit »Modernität« demonstrieren will. Der express ist dagegen manchmal etwas anstrengend zu lesen, was für mich aber an der Kompliziertheit der Probleme liegt und insofern in den allermeisten Texten auch einsichtig ist. Die Lage ist nun mal kompliziert im Moment, und deshalb gibt es weder einfache Erklärungen oder Erklärungsversuche – und schon gar keine einfachen Lösungen. So verstehe ich das Anliegen des express, und das ist der Grund, warum ich ihn gerne lese. Hier findet man nicht »die« politische Linie, die durchgezogen werden soll/muss, sondern hier finde ich Auseinandersetzung mit den Problemen und dem »Material« – ohne dass der express insgesamt pluralistisch und damit affirmativ wirkte. Wer will, kann den express als Leser, als Schreiber, aber auch als politisch aktiver im Betrieb oder innerhalb einer politischen/sozialen Bewegung als Selbstverständigungsorgan nutzen. Und gleichzeitig finde ich hier keine Zwangsbornierung auf den deutschen Arbeitsmarkt und die deutschen Gewerkschaften. Es ist immer sehr wohltuend, von Auseinandersetzungen, Problemen und Kämpfen in anderen Ländern zu erfahren, von denen man sonst nur mit sehr viel Recherchemühen und Zeitaufwand etwas wissen könnte. Dass der express hier nicht einem abstrakten Internationalismus verpflichtet ist, sondern auch hier bzw. dort versucht, die Beschäftigten und Engagierten nicht bloß als Objekt westlicher Gewerkschaftspolitik und Beglückungsstrategie vorzustellen, sondern jeweils versucht Ausschau zu halten nach den Auseinandersetzungen und Berichten darüber, in denen die Leute selbst als Subjekte agieren, macht ihn für mich besonders lesenswert. Natürlich können alle diese Ansprüche nicht immer eingelöst werden, aber das ist nicht das Entscheidende, sondern das Ringen darum. Es gibt genug Veröffentlichungsorgane im Gewerkschaftsumfeld, die jeweils – zumindest kommt es bei mir so an – bloß aus einer »Funktionärsperspektive« auf die aktuellen sozialen Probleme schauen. Auch hier hebt sich der express wohltuend ab. Wo sonst erfahre ich von den Auseinandersetzungen z.B. bei DaimlerChrysler, von den immer noch existierenden linken Betriebsgrüppchen etc? Was ich in den letzten Monaten (oder sind es schon Jahre?) sehr interessant fand, waren die Versuche, sich der Realität und dem Begriff der Prekarisierung zu nähern. Mir scheint es sehr plausibel, dass die Probleme der Arbeiterschaft nicht mehr bloß aus der Perspektive des (deutschen) Facharbeiters betrachtet werden können. Dass man bei einer solchen komplexen Sicht auf die Dinge weder staats- noch nachfragegläubig sein kann und sich mit beidem kritisch auseinandersetzen muss, versteht sich meines Erachtens von selbst. Ist aber im Unterschied zum express bei vielen linken Zeitungen noch lange nicht selbstverständlich. Der Linkspartei scheint mir diesbezüglich eher Hemmschuh... Und noch eins, bevor die Kritik kommt: Was mir fast immer gut gefällt, sind die Bilder. Manchmal kann ich sie mit dem Inhalt der Texte verbinden, manchmal nicht. Und manchmal übermitteln sie noch eine zusätzliche eigenständige Botschaft. Ein Höhepunkt der Bebilderung war für mich die Ausgabe 3/2003, die parallel zum Beginn des Irakkrieges erschien. Dass Ihr hier einfach die ganze Nummer mit Fotos von moslemischen Minaretten aus aller Welt bestückt habt, war ein kleiner, feiner Kommentar zur – immer noch anhaltenden – Islamhysterie, den ich bei aller selbstverständlichen Religionskritik, sehr geschätzt habe. Was mir fehlt: Ich würde es begrüßen, wenn Ihre es schaffen würdet, mehr eigenständige ökonomische Analysen zu schreiben. Sehr schön war der Artikel über China von Boy Lüthje. Mehr davon! ! Wer, wenn nicht die Schreiber des express, wären in der Lage, über Ökonomie nicht ökonomistisch zu berichten? Das Potential könnte weiter ausgeschöpft werden. Außerdem würde es mir gut gefallen, wenn Ihr die Musik/Plattenkritik wieder aufleben lassen würdet. Gute Tipps!! Weiter so. Ralf Kliche Ralf Kliche ist Ex-IT-Berater und Lehrer. express heute und morgen – Wünsche und Begehren! Eure Idee, zu Beginn von Herbst und Winter, also zu Anfang der Rentrée, wie die Franzosen sagen, wenn alle wieder gut erholt aus den Ferien kommen und sich gedanklich und praktisch wieder vorbereiten auf den Alltag und seine anstehenden Konflikte, eine kleine Untersuchung zu starten, finde ich gut. Das sollte vielleicht sogar schon mal ein kleiner Teil werden von Veränderungen: mehr Stimmen für kritische Kommentare einfordern zu Artikeln im express. Zum express selber: Was ich einfach gut finde an der Zeitung: Der express versucht immer, heranzukommen an die Umbrüche in der gesellschaftlichen Landschaft, an die Veränderungen der Arbeitswelt und ihre Rückwirkungen auf die bestehenden Organisationen, und ist vor allem angenehm offen und nicht voreingenommen gegen die unterschiedlichsten Versuche und Ansätze neuer Formen von Organisation wie zum Beispiel den Versuch, workers center aufzubauen. Der Bericht über die workers center-Versammlung in Frankfurt war für mich ein kleines Highlight von Wiedergabe der Lebendigkeit einer Veranstaltung für den nicht anwesenden Leser. Solche Berichte direkt aus dem Innern der Versuche, neue gesellschaftliche Zusammenhänge aufzubauen oder auch bestehende Zusammenhänge – wie zum Beispiel die Auto-Koordination – zu dynamisieren, sind für mich ein ganz wichtiger Teil des Nutzens der Zeitung. Dabei formuliere ich auch gleichzeitig eine eigene Kritik, viel zu wenig selbst zu berichten von Veranstaltungen, Diskussionen, aber auch Streikerfahrungen wie zum Beispiel aus den Krankenhäusern. Diese kritische Lebendigkeit gehört dazu. Der express sollte auch mehr Raum geben für gewerkschaftsstrategische Diskussionen in Verbindung auch mit einem Teil der Gewerkschaftslinken, die sich eher wiederfindet in der Zeitschrift Sozialismus und ihrem Verständnis von Politikwechsel. Solche Debatten sollten gerade so geführt werden, dass man sich nicht gegenseitig niedermacht, sondern die Unterschiede in der strategischen wie auch alltäglichen Orientierung für LeserInnen und damit auch innerhalb der Bewegungen und des alltäglichen Engagements klarer werden. Ich denke, das ist eine sehr wichtige Sache für die Zukunft, ein wenig mehr zu verstehen von den inneren Auseinandersetzungen innerhalb der gewerkschaftlichen und sozialen Bewegungen besonders in Europa. Ein Beispiel für das Aufkeimen einer solchen orientierenden Diskussion war der Artikel von Stefanie Hürtgen über gewerkschaftliche Positionen zur Globalisierung in Deutschland und Frankreich. Er löste eine eher ungewöhnliche Gegenrede von Richard Detje in der Zeitschrift Sozialismus aus. Aber genau solche Ansätze kontinuierlicher zu verfolgen und auch einzufordern, ist ein wichtiger Baustein einer Redaktionspraxis als kleiner Teil von aufzubauenden emanzipativen Zusammenhängen. Selbst initiativ werden, wenn personell möglich, um Veranstaltungen und andere öffentliche Debatten zu führen wie die geplante Tagung im November 2006 (»Konzessionen und kein Ende«, Anm. d. Red.) mit Organisationen, die zum Umfeld des express gehören, oder auch jetzt in Zusammenhang mit den Bewegungen im Gesundheitswesen. Gerade in solchen Konflikten, wo konkurrierende Gewerkschaften in einer Bewegung wirken, könnte der express eine ganz wichtige Funktion übernehmen. So, als letzten Punkt: mehr Platz und noch mehr Wahrnehmung vor allem dem kulturellen Schaffen der verschiedensten Gruppen widmen – ich denke dabei an Initiativen wie das Film-Festival »globale 06«, an die Auseinandersetzung mit Filmen wie »des Wahnsinns letzter Schrei« und auch die zunehmende Zahl historischer Romane über die Zeit nach '68. Hier ist ein Feld, das meiner Wahrnehmung nach recht munter ist, aber zu wenig sichtbar wird im express. Vielleicht sollte der express als nächster Schritt nach den Befragungen mal wirklich zu einer erweiterten Redaktionskonferenz einladen, wo jede/r kommen kann, ob organisiert oder bewusst nicht organisiert, wo sich die Ungehorsamen aus den verschiedensten Bereichen und Generationen mal treffen. In diesem Sinne: une grande bise Willi Hajek Willi Hajek ist Mitarbeiter des Bildungsnetzwerks SOFA (Soziale Fantasie und Bewegung) und betreut für das TIE-Bildungswerk e.V. u.a. Projekte in Frankreich und in Afrika. |