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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Besondere Dienstleistungen!? 1, 2, 3 – ganz viele Anlaufstellen Vor ziemlich genau einem Jahr berichteten wir im express (Nr. 2/2009) von den beiden gewerkschaftlichen Anlauf- und Beratungsstellen für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, die am 1. Mai 2008 in Hamburg und am 11. März 2009 in Berlin jeweils von der Gewerkschaft ver.di zusammen mit einem Unterstützerkreis eröffnet wurden. Seitdem gibt es in verschiedenen Städten Deutschlands Anläufe, den guten Beispielen nachzueifern. ver.di Bayern startet am 10. März 2010 im Gewerkschaftshaus in München die Beratung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Aufenthaltsstatus. Laut ver.di-Pressemeldung vom 9. März leben in München und Region schätzungsweise 30000 Menschen, denen der Zugang zu einem gesicherten Aufenthaltsstatus verweigert wird. Viele von ihnen arbeiten in der Dienstleistungs- und Baubranche oder in privaten Haushalten für Löhne von ein bis zwei Euro pro Stunde. ver.di will Menschen ohne Papiere zur Durchsetzung ihrer Rechte in der Arbeitswelt beraten und unterstützen und sieht sich dabei, so die Pressemeldung, als Teil des Netzwerkes, das sich um die Belange der Illegalisierten kümmert. Dazu zählen Probleme mit dem Aufenthaltsstatus, der gesundheitlichen Versorgung oder der Wohnung. Der Fachbereich sucht dabei die Zusammenarbeit mit entsprechenden Initiativen der Stadt München, des Café 104 oder den »Ärzten der Welt« und ergänzt deren bisherige Arbeit durch die Beratung bei Problemen im Arbeitsverhältnis, da die Arbeitgeber die ungesicherte Situation dieser Menschen oft schamlos ausnutzten, so Dagmar Rüdenburg vom ver.di-Fachbereich »Besondere Dienstleistungen«. Der Fachbereich hat eine gesonderte Email-Adresse eingerichtet: sans-papiers.muenchen@verdi.de, über die sich Interessierte beraten lassen oder zur persönlichen Beratung anmelden können. Regulär soll die Anlaufstelle im DGB-Haus zunächst jeden zweiten Mittwoch im Monat jeweils für drei Stunden geöffnet sein. Auch in Frankfurt am Main, wo die Zahl der Statuslosen lt. Angaben einer Expertise auf 25000 bis 50000 geschätzt wird, soll im Frühsommer eine solche Anlaufstelle in den Räumen des Landesbezirks von ver.di im DGB-Haus eröffnet werden. Nach langjährigen Vorarbeiten der »Workers Center-Initiative Rhein-Main« hatte die Tagung »Arbeit, Migration, Organisierung«, zu der »kein mensch ist illegal« (kmii) und express-Redaktion in Kooperation mit dem Europäischen Wanderarbeiterverband im Juli 2009 eingeladen hatten, den Ausschlag gegeben, das ›Abenteuer Anlaufstelle‹ zu konkretisieren. Bei Landesbezirksleiter Jürgen Bothner, der die ›Schirmherrschaft‹ für das zunächst ehrenamtliche Projekt auch gegen gewisse Vorbehalte in der DGB-Region übernommen hat, stieß die Idee nicht nur auf offene Ohren, sondern auch Türen. Mittlerweile hat sich ein Unterstützerkreis konstituiert, in dem neben kmii und express die Malteser Migranten Medizin, die Diakonie, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, das Stadtteilprojekt Rödelheim, das Bündnis gegen Abschiebungen und andere antirassistische Initiativen mitwirken. Ihre Kooperation zugesagt haben auch die örtliche IG Metall und der DGB Südosthessen – GEW, IG BAU mit den Resten des Europäischen Wanderarbeiterverbands und NGG sollen noch gewonnen werden, um das Projekt von vornherein auf branchen- und gewerkschaftsübergreifende Beine zu stellen. Die konkrete Beratungsarbeit wird, darin ist sich der Kreis einig, über die ›erhofften‹ Einzelfälle und entsprechende Feuerwehrarbeit hinaus nur Erfolg haben, wenn sie eingebettet ist in eine breitere gesellschaftliche Diskussion über die Bedeutung migrantischer Arbeit als prekarisierte Arbeit und die Gründe für deren systematische Nutzung und Ausnutzung. Gemeinsam mit ver.di-Hessen wird derzeit an einem Schulungskonzept für die künftigen »BeraterInnen« gearbeitet, um die Anlaufstelle in Kürze eröffnen zu können. Darüber hinaus geht es um die Vertiefung von Kooperationen und Vertrauen im und mit dem UnterstützerInnen-Netzwerk und insbesondere in den migrantischen Communities selbst. Über Initiativen zur Gründung einer Anlaufstelle wird auch aus Bremen berichtet. Dort luden am 10. März diesen Jahres der DGB (Region Bremen/Elbe-Weser), die Initiative Antidiskriminierung in der Arbeitswelt (ADA), der Runde Tisch Hausarbeit und MediNetz Bremen ein, um mit Emilija Mitrovic (ver.di-Hamburg, aktiv bei MigrAr), und Dirk Hauer vom Diakonischen Werk Hamburg zu diskutieren, ob bzw. wie ein mit Hamburg vergleichbares Angebot im Bremer DGB-Haus geschaffen werden könnte. Aus Hamburg meldete unterdessen der verantwortliche Gewerkschaftssekretär Peter Bremme, dass der DGB-Landesvorstand Hamburg in seiner Sitzung am 21. Januar beschlossen hat, die zunächst von ver.di in Kooperation mit einem Netzwerk von Initiativen gegründete gewerkschaftliche Anlaufstelle für Menschen ohne Papiere (MigrAr – Migration und Arbeit) ›auf höherer Ebene‹ weiterzubetreiben. Die Finanzierung ist damit für zwei Jahre durch den DGB und die Einzelgewerkschaften gesichert, und das Pilotprojekt wird nun auf breiter Basis getragen. Ob dies flächendeckend für ganz Deutschland ein Modell werden kann, hängt unter anderem auch davon ab, wie der DGB-Bundeskongress, der vom 16.-20. Mai in Berlin tagen wird, mit dem Antrag von ver.di zur Einrichtung von Gewerkschaftlichen Beratungsstellen für MigrantInnen ohne gesicherten Aufenthalt an den DGB Bundeskongress umgehen wird. (s.u.) Künftiges Allgemeininteresse? Im Folgenden dokumentieren wir einen Antrag zur Einrichtung von Anlaufstellen für Undokumentierte in allen DGB-Bezirken, den ver.di beim DGB-Bundeskongress im Mai 2010 einbringen wird. Die Initiative dazu hatte Claudia Wörmann-Adam, Betriebsratsvorsitzende der Köln-Messe GmbH und Bundesfachbereichsvorsitzende im ver.di-Fachbereich »Besondere Dienstleistungen« ergriffen. In allen DGB-Bezirken sind Beratungsstellen für MigrantInnen ohne gesicherten Aufenthalt einzurichten. Diese Beratungsstellen haben die Aufgabe, Beschäftigte ohne gesicherten Aufenthalt, denen Arbeitsentgelte und Arbeitsrechte vorenthalten werden, zu beraten und zu vertreten. Empfohlen wird, vor Ort mit Vereinen und Verbänden, die in diesem Kontext tätig sind, wie Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Vereine der Migrant/innen etc., zusammenzuarbeiten. Begründung Die Verbesserung der Situation von Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus in Deutschland ist inzwischen ausdrücklich als Aufgabe der Gewerkschaften und des DGB anerkannt, wie der DGB-Bundesvorstand im April 2009 im »Diskussionspapier zur Situation von Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus« festhält. Menschen ohne gesicherten Aufenthalt befinden sich aufgrund ihres rechtlichen Status häufig in prekären Situationen; dies betrifft sowohl ihre Ausbeutung im Arbeitsverhältnis wie auch die medizinische und gesundheitliche Versorgung, den Zugang zum Bildungssystem für Kinder etc. Die Ausnutzung des ungesicherten Aufenthaltsstatus im Arbeitsverhältnis belastet nicht nur die betroffenen MigrantInnen. Durch deren Ausbeutung wird auch Druck auf bestehende gesetzliche und tarifliche Standards und Bezahlungen ausgeübt. Dies führt zu Dumping auch bei anderen Arbeitsverhältnissen. Beschäftigte ohne gesicherten Aufenthalt arbeiten in vielen Branchen: als Reinigungskräfte und Haushaltshilfen, als Pflegekräfte, auf Baustellen, im Bereich Verkehr, in Häfen und Logistik, in Gastronomie und Hotellerie, als SaisonarbeiterInnen, als SexarbeiterInnen usw. Interessenvertretung für Menschen ohne gesicherten Aufenthalt beinhaltet besondere Anforderungen, die in einem Pilotprojekt in der gewerkschaftlichen Beratungsstelle MigrAr (Migration und Arbeit) in ver.di Hamburg bislang erfolgreich bewältigt werden konnten. Im Herbst 2009 hat sich die Delegiertenkonferenz des DGB Region Hamburg dafür ausgesprochen, dieses Projekt zukünftig gemeinsam: DGB und Einzelgewerkschaften zu betreiben. Erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 3/10 |