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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gerät das "Riestern" der Pflegeversicherung unter Druck? Pflegereform als politisches Placebo Ich habe mich anlässlich der Kabinetts-Entscheidung vom 16.11.11 zur Pflegereform noch einmal auf den Weg gemacht mit dem Ergebnis: Es gab wohl gestern wieder keine sozialpolitische Lösung - permanent in diesem "Konflikt" will man nun ein sozialpolitisches Problem lösen oder die Lobby der Finanzwirtschaft mit der Eröffnung eines weiteren Geschäftsfeldes zufrieden zu stellen, fiel dann wieder die anstehende sozialpolitische Problemstellung der Pflege unter den Tisch. So muss man sagen, die sozialpolitsche Regelung der Pflege ist dieser Regierung wohl eigentlich "wurscht-egal" - so gab es gestern wieder einmal eine "Placebo-Politik" (wirkt nicht, aber der "Patient" (Wähler) wird getäuscht, "als ob" es etwas wirksames gegeben hätte) - jetzt eben auch bei der Pflegereform! (nachdem dasselbe schon bei dem Mindestlohn - und aber auch bei der europäischen Bankenregulierung "inszeniert" worden war) Gerät das "Riestern" der Pflegeversicherung unter Druck? Ein Experte will sich nicht missbrauchen lassen Nachdem auf den Nachdenkseiten schon die Meldung zu der am Mittwoch anstehenden Entscheidung im Kabinett der Bundesregierung stand (www.nachdenkseiten.de/?p=11330#h13 ), beginnen sich die Zweifel an dieser Eilentscheidung zu mehren. Beginnen wir einmal mit einer kurzen Meldung heute (17.11.11) in der SZ:Unter der Überschrift "Massive Kritik an Pflegereform - Sachverständige stellen Mitarbeit in Frage" ist dort zu lesen: "Der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe, Jürgen Gohde , hat seine Mitarbeit an der Ausarbeitung der Pflegereform in Frage gestellt." Dabei war die Experten-Kommission erst Anfang August 2011 aus der Taufe gehoben worden (www.fr-online.de/politik/interview-zur-pflegereform--wir-duerfen-die-probleme-nicht-aussitzen-,1472596,10793560.html ). Und die markt-eifrigen jungen CDU-Abgeordneten haben den Beginn dieser Experten-Kommision gleich begleitet, indem sie deutlich machten, wohin so ihre Vorstellungen von einer Pflegereform gehen - verbunden auch aus ihrer Sicht nun um die Sorge, dass diese "Vermarktlichung" auch der Pflegeversicherung auf die lange Bank geschoben werden könnte (www.nachdenkseiten.de/?p=10349 ). Dabei hatte sich doch inzwischen die Kritik an der privatisierten Kapitaldeckung - und das nicht nur in der Krise! - längst bestätigt. Also musste doch wohl der Druck erhöht werden, um das Ziel noch schnell zu erreichen. Und gleich zu Anfang meinte Gohde, wir haben schon zwei wertvolle Jahre verloren - und jetzt darf die Expertenkommission keineswegs zur Verschleppung missbraucht werden. Nun mit dieser Eil-Entscheidung im Kabinett wird zwar nicht "verschleppt" - aber der Sachverstand der Experten einfach ausgehebelt. Deshalb meint Jürgen Gohde jetzt: "Ich habe meine Zustimmung noch nicht gegeben, weil die Rahmenbedingungen noch nicht geklärt sind", erklärte Gohde der Süddeutschen Zeitung. Dabei gilt der evangelische Theologe als die zentrale Figur für die Arbeit des Pflegebeirats. Nach Beschluss der Bundesregierung soll das Gremium die Details der Pflegereform ausarbeiten, die sich um den Pflegebedürftigkeitsbegriff drehen. Gegen den Widerstand Gohdes dürfte es Gesundheitsminister Bahr (FDP) kaum gelingen, die Expertenrunde zur Mitarbeit zu gewinnen. Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände kritiseren die - jetzigen - Pläne scharf ("Pflegereform bleibt Stückwerk" www.dgb.de/-/yGz ). Dabei ging es Gesundheitsminister Bahr (FDP) wohl vor allem darum gegenüber der Lobby Vollzug zu melden, denn die angekündigte steuerliche Förderung einer privaten ergänzenden Vorsorge bringt nichts für die Lösung der anstehenden Probleme, aber sie ist vor allem eine weitere Subvention für die privaten Versicherungen. Dieser "geriesterte Pflege-Bahr" würde außerdem nur die Versicherten wieder mehr belasten - und wie schon bei der "Riester-Rente" - die Bezieher geringer Einkommen ausklammern, weil es diese überfordert. (Vgl. auch "Nach dem Flop der Riester-Rente nun auch noch den Pflege-Bahr" www.nachdenkseiten.de/?p=11213 ) Und die "Vorgeschichte" dieser Eil-Entscheidung: heftigste Lobby-Arbeit Es galt also die Pflegeversicherung - wie vorher schon erfolgreich die "Riester"-Rente - für eine Privatisierung "sturmreif" zu schießen. Nur befinden wir uns heute nicht mehr in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts, wo die Attacken der Finanz-Lobby noch reichlich widerstandslos durchgezogen werden konnten - und sehr wenig "Aufklärung" dagegen herrschte, dagegen heute ist dies inzwischen schon bis in die sozialpolitsche Fachliteratur vorgedrungen. Ich möchte nur das hervorragende Werk des Zeitgeschichtlers Hans-Günter Hockerts "Der deutsche Sozialstaat - Entfaltung und Gefährdung seit 1945" herausgreifen, der nicht nur der Propaganda der Finanzbranche einen eigenen Abschnitt widmet - auch Albrecht Müller mit der Reformlüge zitierend - "Die Finanzbranche erwacht: "Megageschäft Altersvorsorge" (S. 305 ff.), sondern auch noch den "schillernden Leitbegriff "Generationengerechtigkeit" (S. 310 ff.) auf den unseriösen Hintergrund durchleuchtet. Neben dieser fachwissenschaftlichen Literatur haben natürlich gerade die Nachdenkseiten viel zur Aufdeckung und Durchleuchtung dieser Machenschaften beigetragen, wenn wieder einmal jetzt auch noch die Pflegeversicherung zur Privatisierung "sturmreif" geschossen werden sollte - durch den als Wissenschaftler-Lobbyisten bewährten "Kanonier" Raffelhüschen - sozusagen in immer wieder geplanter Serie (www.nachdenkseiten.de/?p=506 , www.nachdenkseiten.de/?p=2514 , www.nachdenkseiten.de/?p=9322 ). Und falls das zur Meinungsmanipulation noch nicht ausreichen sollte, konnte dann auch noch eine manipulierte Forsa-Umfrage mitherangezogen werden (www.nachdenkseiten.de/?p=2343 ) Die etwas andere Konstellation für die Pflegereform jetzt Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, wenn ein ausgewiesener Experte und Mann der sozialen Praxis wie Jürgen Grohde (zur Person siehe z.B. http://idw-online.de/pages/de/news194755 ) nicht zum bloßen Alibi für die Privatisierungs-"Spielchen" der schwarz-gelben Koalition mehr sich hergaben will. So warnte er schon am 5. November vor einer Riesenenttäuschung bei der Pflegevericherung (www.handelsblatt.com/politik/deutschland/sozialexperte-warnt-vor-riesenenttaeuschung/5802438.html ) Und das schlägt sich dann auch in der Presse inzwischen - ein wenig - nieder. Die Süddeutsche widmet der Pflegeversicherung heute nicht nur auf der Seite Drei eine Story, die zum Ergebnis kommt: "Eigentlich sollte die Pflegereform demenzkranken Menschen helfen - der Beschluss der Regierung aber zeigt, dass sie an vieles (na, was denn?) denkt, nur nicht an die Betroffenen". Und in dem Kommentar "Pflege-Bahr und Mini-Bahr" kommt die gleiche Zeitung zu dem Schluss, dass ihm dieser "Coups" wohl zur Zeit gelingen konnte, weil in den Zeiten der "Schuldenkrise" anderes mehr interessiert. Deshalb muss man dieses jetzt vorgelegte "Werk" zur Pflege als einen Torso bezeichnen, der nicht einmal mehr die Kritiker aus dem Pflegebereich einstweilen ruhig zu stellen vermag - weil diese - siehe Gohde - sich einfach nur mit diesem Torso "verarscht" vorkommen müssen. So verkommt bei dieser Regierung - vom Mindestlohn bis zur Bankenregulierung - alles weiter zur bloßen "Placebo-Politik" - für den reinen "Schein", zwar nicht für die Finanzwirtschaft - jedoch für den normalen Bürger, der das Problem der Pflege "sozialpolitisch" gelöst haben will. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.11.2011 |