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Updated: 18.12.2012 15:51
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Versicherte mit kleinen Einkommen werden Bittsteller.

Nadja Rakowitz vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte: Zusatzbeiträge könnten in Zukunft sehr schnell wachsen

Interview von Peter Nowak mit Nadja Rakowitz zur Gesundheitsreform, zuerst erschienen im ND vom 8.7.2010

1.) Monatelang wurde gegen die Kopfpauschale mobilisiert. Sind die jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkte dagegen das kleinere Übel?

N.R.: Auf keinen Fall. Es war schon länger klar, dass die große Kopfpauschale, wie sie die FDP und zuletzt der Arbeitgeberverband geplant hatte, nicht durchgesetzt werden kann. Die jetzt vorgelegten Eckpunkte laufen durch die geplanten pauschalen Zusatzbeiträge, die die Arbeitnehmer zahlen sollen, auf eine kleine Kopfpauschale hinaus. Die könnten aber in Zukunft schnell wachsen.

2.) Wovon hängt das ab?

N.R.: Davon, wie viel an den Ausgaben über den Beitragssatz gedeckt wird. Der Arbeitgeberanteil soll jetzt auf 7,3 % erhöht und dann eingefroren werden. Das bedeutet, für alle weiteren Kosten sollen die Versicherten durch die Zusatzbeiträge aufkommen. Dadurch könnten schnell weitere Belastungen auf große Teile der Bevölkerung zukommen.

3.) Kann ein geplanter steuerfinanzierter Ausgleich soziale Härten mindern?

N.R.: Das könnte er natürlich, aber dadurch werden Versicherte mit niedrigen Einkommen wahrscheinlich zu Bittstellern. Zudem ist noch völlig unklar, wie der Sozialausgleich finanziert werden soll. Weitere Steuererhöhungen würden weitere Belastungen für große Teile der Bevölkerung bedeuten, die schon durch die von der Koalition geplanten Sparpläne von Verschlechterungen betroffen sein werden.

4.) Die paritätische Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens wurde von der Politik lange Zeit als Vorzeigemodell der sozialen Marktwirtschaft verkauft. Kann davon heute noch gesprochen werden?

N.R.: Schon lange nicht mehr. Durch die Einführung von Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Medikamenten und anderem und die einseitige Erhöhung des Arbeitnehmeranteils um 0,9 Prozentpunkte wurde schon unter Rot-Grün das Prinzip der paritätischen Finanzierung im Gesundheitswesen aufgegeben. Zudem sollte man nicht vergessen, dass der Arbeitgeberanteil aus der Lohnsumme herrührt, also auch von den Arbeitnehmern erwirtschaftet wird.

5.) Eine daraus folgende offensive Forderung, dass die Arbeitgeber den ganzen Beitrag zahlen sollen, scheinen zurzeit utopisch. Wie sollten aktuell soziale Bewegungen und Gewerkschaften auf die Pläne der Bundesregierung reagieren?

N.R.: Es sollten möglichst schnell Proteste dagegen organisiert werden. Dabei könnten die in den letzten Monaten entstandenen Bündnisse gegen die Kopfpauschale eine tragende Rolle spielen.

6.) Die Finanzierungslücke ist ja keine Erfindung der Bundesregierung. Wo soll das Geld für das Gesundheitssystem herkommen?

N.R.: Es gibt ausgearbeitete und durchgerechnete Alternativvorschläge. Dazu gehört die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze (und entsprechend der Versicherungspflichtgrenze) und die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle nach ihrer Einkommenshöhe und mit allen Einkommensarten in die Krankenversicherung einzahlen. Die hessische SPD hat durchgerechnet, dass damit ein Beitragssatz von ca. 9,5 % erzielt werden könnte. Dass könnte zur Entschärfung der aktuellen Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen beitragen, ohne Menschen mit geringen Einkommen zu belasten.


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