letzte Änderung am 2. März 2004

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Grundlegender Kurswechsel in der Gesundheitspolitik ist nötig

Aufsatz von Günter Steffen* vom Februar 2004

Teile der Agenda 2010, wie beispielsweise die Gesundheitsreform, die am 1.1.2004 in Kraft trat, sind schon wieder reformbedürftig, weil sie einseitig überwiegend nur Beschäftigte und Rentner massiv belasten. Die Bürger müssen überall mehr draufzahlen, aber es kommt trotzdem zu keiner spürbaren Entlastung bei den Beiträgen und somit nicht zur Absenkung der Lohnnebenkosten, die so dringend für unsere Wirtschaft erforderlich wäre. Es muss endlich eine Reform beschlossen werden, die diesen Namen auch verdient und endlich auch zu spürbaren Beitragsabsenkungen führt. Die Abzockerei, genauso empfinden es die Bürger, muss schnell wieder beendet werden und neue intelligente Lösungen zur Veränderung der Strukturen und erforderliche Einsparungen sind gefragt. Erst wenn dieser Weg konsequent umgesetzt worden ist, kann die Politik auch über Verbesserungen der Einnahmen nachdenken. Die Bürgerversicherung hilft nun wirklich nicht weiter, denn die Mehreinnahmen für Beamte, Selbständige usw. werden sofort wieder von den explodierenden Ausgaben aufgesogen. Die solidarische gesetzliche Krankenversicherung ist reformierbar und damit auch zukunftsfähig, sofern die richtigen Schritte eingeleitet werden und möglichst bald von der Politik umgesetzt werden. Die von mir in den folgenden Ausführungen gemachten Vorschläge für die Politik zielen darauf, hier zitiere ich Ulla Schmidt: “ dass nicht weiterhin für rund ein Viertel der Ausgaben der GKV –rund 35 Milliarden Euro- für schlechte Qualität und sogar völlig unnötige Leistungen ausgegeben werden .“ Die Reform, die die Bundesregierung mit der Union ausgehandelt hat, wird die Missstände nicht geringer machen. Es ist eben keine Strukturreform, sondern eine Kostenreform, die da Platz gegriffen hat und zudem noch viel mehr Geld ins System fliesen lässt. Obwohl die maßgebenden Politiker vor der ab 1.1.2004 gültigen Reform wussten, dass der Mangel an Wettbewerb – insbesondere bei den Leistungserbringern- abzustellen sei, wurden derartige Regelungen eben nicht eingeführt. Obwohl alle wissen, dass wir in Deutschland keine 40 000 zugelassenen Arzneimittel brauchen und eine Positivliste für akute Krankheiten ausreicht, hat sich die Pharmalobby bei den Politikern in der Einigungsnacht zwischen Regierung und CDU/CSU im vorigen Jahr durchgesetzt. Die Fernsteuerung klappte wie immer. Lobbyarbeit zahlt sich aus – nicht nur für Pharmaunternehmen! Angesichts der demographischen Entwicklung und auch angesichts des medizinischen Fortschritts müssen schnellstens Reformen in Angriff genommen werden, die Sorge dafür tragen, dass in den nächsten Jahrzehnten die gesetzliche Krankenversicherung eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für alle Bürger zur Verfügung stellen kann, was medizinisch notwendig ist, unabhängig vom Alter. Behandlungs- und Verordnungswünsche der Bürger dürfen dabei keine Rolle spielen, entscheidend sind vielmehr Behandlungs- und Qualitätsstandards in der Krankheitsbehandlung. Alle Bürger müssen zukünftig für Maßnahmen der Gesundheitserhaltung selber finanziell einstehen. So genannte Präventionsangebote der Krankenkassen sind nicht über das Beitragssatzaufkommen zu finanzieren. Gesundheitserziehung muss beginnen in den Kindergärten und in der Grundschule, denn die Familien versagen diesbezüglich kläglich, weil ein Hintergrundwissen bei der überwiegenden Elternschaft nicht mehr vorhanden ist.

Folgende Punkte der 2004 gültigen Gesundheitsreform sollten schnellstens rückgängig gemacht werden:

Vorschläge der Strukturänderungen:

Zusammenfassung der Leistungen:

Einsparpotential:

Die verbleibenden Ausgabeneinsparungen aus dem Gesundheitsstrukturgesetz (GMG) mit Wirkung vom 1.1.2004 und die hier im Konzept sich ergebenden Ausgabenreduzierungen werden zusammen ein Einsparpotential von annähernd 40 Milliarden Euro pro Jahr für die Beitragszahler, also der Mitglieder und Arbeitgeber, ausmachen.

Der Beitragssatz kann mit einer Verzögerung von 3 Monaten auf 12 %(jeweils 50 % für AN/AG) abgesenkt werden, weil die aus den Vorjahren angesammelten nicht finanzierten Ausgaben der Krankenkassen dann bereits mit den derzeitigen erhöhten Beiträgen und dem Einsparpotential- siehe oben- gedeckt sind.

Schlussbemerkungen:

Dem Verfasser war wichtig die Darstellung, dass es politisch kein Problem wäre, eine sozial einigermaßen „gerechte“ und ausgewogene Gesundheitsreform für die Menschen zu verabschieden. Wenn daran nicht gedacht ist, sind es Lobbyinteressen in unserer Gesellschaft, die derartiges zu verhindern wissen. Wenn diese Vermutung von mir richtig ist, sind die politischen Parteien im Deutschen Bundestag nicht mehr in erster Linie für den Bürger da, sondern sind gebunden an Interessen der Pharmaindustrie und der Ärztelobby. Die Behauptung, die Krankenkassen würden auch eine Art Lobbyisten in diesem Staat ausmachen, ist wirklich nicht wahr. Wenn daran nur ein Funken Wahrheit wäre, könnte der Gesetzgeber sofort hingehen und stringentere Regelungen für die Selbstverwaltungen (in den Verwaltungsräten) vornehmen.


*Der Verfasser war Jahrzehnte im Gesundheitswesen beschäftigt, u.a. als Geschäftsführer eines Krankenhauses, im Vertragsmanagement einer bundesweiten Krankenkasse und als Vorsitzender eines Landes-Kassenverbandes.

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