letzte Änderung am 27. November 2003 | |
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Wir sind wieder da, wo wir angefangen haben: beim Jahrgang 1929. Ich glaube, dass meine Generation an einer gnädigen Pause mitgewirkt hat, in der viel Gutes für viele Menschen möglich wurde, und beide Staaten in Deutschland zu den Gewinnern auf der Welt gehörten. Der Sturz 1945 war jedenfalls in Deutschland so, dass ich und meinesgleichen inbrünstig oder doch ganz selbstverständlich erwarteten, dass nun der alte Adam und die alte Eva sich doch besinnen würden und etwas dazu lernten. Inzwischen sind wir zur Normalität zurückgekehrt. Diese Normalität findet derzeit im Nahen Osten und demnächst woanders statt. Wir haben eine gnädige Pause verwaltet, in der der alte Adam und die alte Eva halb betäubt waren. Und so aussahen, als ob sie sich auf Dauer besonnen hätten. Haben sie aber nicht.
Günter Gaus, April 2003-04-27
Der US-amerikanisch-britische Krieg gegen den Irak im März und April 2003 hat die Gefahren verdeutlicht und verschärft, die auf den Ebenen Weltwirtschaft, Ölabhängigkeit und Aufrüstung drohen. Die Erosion der internationalen Ökonomie setzt sich fort und droht mit dem Übergreifen auf den Währungs- und Finanzsektor eine neue Dimension zu erhalten. Die Dominanz des auf Öl basierenden kapitalistischen Produktions- und Konsummodells wird verstärkt und die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von der Ressource Rohöl erhöht sich. Schließlich wurde ein allgemeiner Prozeß der Aufrüstung eingeleitet; Kriege werden von den Regierungen in Washington und London und durchaus auch in Berlin, Paris und anderen Hauptstädten der EU als normales und zunehmend inflationär einzusetzendes Mittel der Politik verstanden.
Im Vorfeld des dritten Golfkriegs und mit dem Einmarsch der britischen Truppen in Basra und der US-amerikanischen Einheiten in Bagdad haben sich in der Weltwirtschaft Krisenerscheinungen verdeutlicht, die seit dem Zusammenbruch des Weltwährungssysten im Jahr 1971 keine größere Rolle mehr gespielt hatten. Weil, wie beschrieben, im Kapitalismus die Bedingungen von Produktion und Realisation auseinanderfallen und widersprüchliche sind, existiert insbesondere in Zeiten kapitalistischer Krise die Tendenz, aus unsicheren Kapital-, Geld- und Warenwerten zu flüchten und sichere Häfen anzusteuern. Im frühen Kapitalismus und bis zur Weltwirtschaftskrise kam diese Funktion Gold und teilweise Silber zu; die nationalen Währungen hatten "Goldstandard", das heißt, sie waren durch Goldreserven der Zentralbanken gedeckt. Da Arbeit allein neuen Wert schafft und da die in Warenwerten festgehaltene Arbeitszeit auf dem Markt oft nicht realisiert werden kann, analysierte Karl Marx die Edelmetalle als universell verkörperte Arbeitszeit: "Die spezifische Schwere des Goldes und Silbers, viel Gewicht in einem relativ schmalen Volumen zu enthalten (...) wiederholt sich in der Welt der Werte so, dass es großen Wert (Arbeitszeit) in verhältnismäßig schmalem Volumen enthält." Im Weltwährungssystem, das 1944 im US-amerikanischen Bretton Woods geschaffen wurde und mit dem die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise gezogen werden sollten, bildete der US-Dollar die Weltleitwährung. Die einzelnen nationalen Währungen gruppierten sich in festen Währungsparitäten um den US-Dollar. Integraler Bestandteil des Bretton-Wood-Systems war die Vereinbarung, dass die US-amerikanische Notenbank sich verpflichtete, jederzeit Gold für 35 Dollar je Unze zu verkaufen und einen ausreichend großen Goldschatz vorzuhalten. Das heißt, auch dieses System basierte in vermittelter Weise auf dem Goldstandard. Die Bretton Wood-Währungsordnung brach zusammen, als mit dem Vietnam-Krieg die Glaubwürdigkeit des US-Imperialismus als uneingeschränkt führende kapitalistische Macht untergraben wurde. Die US-Regierung finanzierte diesen Krieg zunehmend auf Pump und heizte die Inflation auf internationaler Ebene an. Die Summe der Dollar nahm schneller zu als die Summe der geschaffenen Werte uznd blähte das weltweite Finanzsystem inflationär auf. Dies mündete in einer wachsenden Flucht der Zentralbanken konkurrierender Länder aus dem Dollar, in einem Abwertungsdruck auf den US-Dollar und schließlich in einem spektakulären Offenbarungseid: Am 14. August 1971 kündigte US-Präsident Richard M. Nixon die Verpflichtung, Dollar zu einem festen Kurs in Gold umzuwandeln, einseitig auf. Am 19. Dezember 1971 wurde auf einer Konferenz mit Vertretern aus zehn führenden kapitalistischen Industrienationen eine Währungsneuordnung bekannt gegeben, bei der der Dollar abgewertet bzw. die mit dem Dollar konkurrierenden Währungen erheblich aufgewertet wurden (die Deutsche Mark um 13,6 Prozent). Zwar wurde in dem entsprechenden Kommuniqué erneut ein indirekter Goldstandard vereinbart. Doch dies blieb eine nie eingelöste Zusage. Tatsächlich haben wir es seither mit einem Weltwährungssystem zu tun, in dem sich die Währungsparitäten und das Wechselverhältnis jeder einzelnen Währung zum Gold weitgehend nach den Gesetzes des freien Marktes entwickeln.
Das heißt gleichzeitig, dass dieses Währungssystem äußerst labil ist, weil es über keinen materiellen Anker verfügt. Obgleich der US-Dollar weiterhin Leitwährung ist, bewegt sich dessen Kurs in Fieberkurven und weitgehend parallel zur politischen und ökonomischen Stärke des US-Kapitals. So gab es nach 1971 zunächst einen kontinuierlichen Abwertungsprozeß der US-Währung. Der Dollarkurs gegenüber der Deutschen Mark, der 1969 noch bei eins zu vier gelegen hatte, sank fortwährend, durchbrach 1978 erstmals die 2-Mark-Schranke und erreichte 1980 einen vorläufigen Tiefstwert, als ein Dollar 1,85 DM kostete. Im Zeitraum 1980 bis 1995 gab es im Dollar-DM-Verhältnis in beide Richtungen enorme Schwankungen: Auf den Anstieg des Dollarkurses in der ersten Phase unter US-Präsident Ronald Reagan 1980 bis 1985 auf 2,70 im Jahr 1985 folgte in den folgenden Jahren und bis 1995 ein Kursverfall bis auf 1,43 DM je Dollar, dem die wachsenden Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten der USA zugrunde lagen. Danach stieg der Dollarkurs erneut an zunächst auch gegenüber der 1999 neu etablierten Einheitswährung Euro. Während Anfang 1999 ein Euro noch 1,15 Dollar kostete, wurden 2000 und 2001 Euro-Tiefpunkte von 85 Cent erreicht. Einen wichtigen Hintergrund bildeten dabei der lange Wirtschaftsaufschwung und der enorme Börsenboom in den USA und der Abbau der Defizite im Haushalt und bei der Leistungsbilanz. Seit Beginn der neuen Rezession 2001 und seit George W. Bush seine Politik der Steuersenkungen gepaart mit massiv erhöhten Rüstungsausgaben verfolgt und damit die Defizite des Haushalts und der Listungsbilanz neue Rekorde erreichen, kommt es zum entgegengesetzter Prozeß: Im April 2003 kostete ein Euro bereits wieder 1,08 US-Dollar.
Diese Achterbahn-Entwicklung hat handfeste Auswirkungen auf die Realökonomie. Beispielsweise verteuert sie in dem Maß Exporte aus dem Euroraum nach Nordamerika, wie der Dollarkurs fällt, bzw. sie verbilligt umgekehrt US-Ausfuhren. Damit erweist sich das gegenwärtige Weltwährungssystem als grundsätzlich instabil. Es basiert im wesentlichen auf dem Vertrauen der Wirtschaftssubjekte in die Vormachtsstellung der US-Ökonomie. Es ist extrem anfällig gegenüber großen spekulativen Bewegungen was sich 1992 zeigte, als das britische Pfund unter dem Druck der Spekulation das Europäische Währungssystem (EWS), den Vorläufer der Einheitswährung Euro, verlassen und eine massive Abwertung hinnehmen mußte. Die Labilität des weltweiten Währungssystems nach 1971 ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass es ab demjenigen Zeitpunkt auch seinen "ideellen Anker" verliert, an dem das Vertrauen in die Stärke der US-Ökonomie und damit in die US-Währung ins Wanken gerät. Eine andere Währung als Leitwährung kommt dabei solange nicht in Betracht, wie die USA nicht auch auf ökonomischem und militärischem Gebiet von einer neuen imperialistischen Großmacht abgelöst werden, die sich ihrerseits zur Hegemonialmacht erhebt. Auf diese Weise hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg die Ablösung Großbritannien und der Weltleitwährung Sterling Pound durch die USA und den Dollar vollzogen. Da weder vorstellbar ist, dass in absehbarer Zeit Japan und der Yen oder die EU und der Euro zur politischen und militärischen Hegemonialmacht aufsteigen, erleben wir eine neuerliche Erosion des Weltwährungssystems. Seit 1999 legen die Zentralbanken ihre Währungsreserven zunehmend in Euro an und reduzieren gleichzeitig ihre Dollar-Währungsreserven. 1999 lag der Anteil der Dollar-Währungsreserven aller Zentralbanken bei 70 Prozent und der der Euro-Währungsreserven bei 10 Prozent. Anfang 2003 machen die in der US-Währung gehaltenen weltweiten Währungsreserven aller Zentralbanken noch 60 Prozent und die in Euro gehaltenen Reserven bereits 20 Prozent aus. In einzelnen internationalen Branchen so im Flugzeugbau wurden Forderungen laut, in Zukunft statt in Dollar in Euro abzurechnen. Bis vor kurzem wurde der wichtigste Rohstoff der Weltwirtschaft, das Rohöl, wie selbstverständlich ausschließlich in Dollar notiert und gehandelt. Im Herbst 2000 hatte der irakische Finanzminister als erster Vertreter eines OPEC-Landes angekündigt, seine Ölexporte in Zukunft in Euro zu fakturieren. Danach zogen maßgebliche Vertreter des Iran und Saudi-Arabiens ebenfalls eine Fakturierung ihrer Rohölexporte in Euro in Betracht.
Alle diese Prozesse trugen zur neuerlichen Abwertung des Dollar bei. Dabei begünstigt der Dollar-Verfall offensichtlich die US-Exporte, er reduziert in den USA einige Krisentendenzen und verringert die in Dollar fakturierten US-Auslandsschulden. Insoweit wirkt die Währung als Waffe. Doch hier haben wir es nicht mit einer einfachen Wiederholung vorausgegangener Fieberkurven des Dollarkurses zu tun. Der reduzierte Dollar-Wert muß vor dem Hintergrund fallender Börsenkurse und rezessiver Tendenzen gesehen werden. Mit ihm reduziert sich die Attraktivität von Anlagen im Dollarraum sei es in Aktien, in Staatsanleihen oder in Immobilien. Die USA benötigen zur Finanzierung ihrer Defizite im Haushalt und in der Leistungsbilanz pro Jahr einen Kapitalzufluß in Höhe von umgerechnet 450 Milliarden Dollar oder werktäglich zwei Milliarden US-Dollar, ein Betrag, der 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts der USA entspricht. Strömt dieses Kapital nicht in das Land der ungeahnten Defizite und stoßen gar Länder wie Japan und China ihre gewaltigen Bestände an US-Staatsanleihen ab, dann kippt die kränkelnde US-Ökonomie in eine tiefe Krise und mit ihr die Weltwirtschaft. Vor dem Hintergrund eines bereits labilen internationalen Finanzsektors mit angeschlagenen Banken in Japan, USA und in der Bundesrepublik Deutschland müsste dies in jener Kombination von Wirtschafts-, Finanz- und Börsenkrise münden, wie sie für die historische Weltwirtschaftskrise charakteristisch war. Bereits 2002 warnten eine Reihe prominenter Wirtschaftsfachleute vor der Gefahr einer Deflation und einer Depression, der Wiederholung der Entwicklung, die seit 1992 in Japan zu beobachten ist. In diesem Sinne äußerten sich US-Notenbanker der und der Morgan-Stanley-Chefvolkswirt Stefan Roach. Peter Bofinger, Geldtheoretiker an der Universität Würzburg, und Heiner Flassbeck, Senior Economist der Unctad in Genf, schrieben Ende 2002: "In der augenblicklichen Situation wäre es verfrüht, für 2003 bereits eine Deflation zu prognostizieren. Die Risiken für eine solche Entwicklung sind jedoch außerordentlich groß." Zum selben Zeitpunkt warnte mit Hans-Werner Sinn erstmals der Präsident eines führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts, des Ifo in München, vor "deflationären Gefahren in Deutschland". Nach dem Irak-Krieg, der ein nochmals größeres Loch in den US-Bundeshaushalt reißt, und nach der Rede von Kanzler Schröder zur "Agenda 2010" vom März 2003 mit der Ankündigung von Maßnahmen, welche die Massennachfrage erneut massiv reduzieren, sind diese Gefahren nochmals deutlich gestiegen.
Am Ende des Irak-Kriegs formulierte das "Wall Street Journal" mit kaum verhaltenem Triumphalismus: "Das weltweite Öl-System zeigte sich in der Lage, die Versorgung der Märkte mit Öl trotz des Irak-Kriegs und anderweitiger Unterbrechungen der Zufuhr aufrechtzuerhalten. Dies gelang insbesondere aufgrund des massiv gesteigerten Öl-Outputs von Saudi-Arabien. Nun, nachdem das Öl aus Venezuela wieder auf Normalniveau gefördert wird, fordert die Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) zu einem gemeinsamen Vorgehen ihrer Mitgliedsländer auf, um einem möglichen Verfall des Rohölpreises zu begegnen." Am 24. April 2003 fand in Wien eine außerordentliche Versammlung der OPEC-Mitgliederstaaten statt. Nur zehn von elf Mitglieder waren anwesend und debattierten über den Krieg und seine Folgen für die Ölversorgung und den Ölpreis. Das OPEC-Gründungsmitglied Irak war nicht vertreten. Einig war sich die Runde, dass "zuviel Öl im Markt" und dass aus diesem Grund der Rohölpreis bereits von einem Höhepunkt mit 38 US-Dollar je Faß auf 26 US-Dollar je Faß gesunken sei. Der Markt könne eine Kapazität von maximal 24,5 Millionen Barrel täglich aufnehmen. Tatsächlich lag zu diesem Zeitpunkt die addierte Fördermenge bereits bei 26 Millionen Barrel täglich. Dabei war bis Ende April 2003 im Irak die Förderung noch nicht wieder aufgenommen worden. Des weiteren sinkt die Ölnachfrage in jedem Frühjahr aus saisonalen Gründen um rund 1,8 Millionen Barrel pro Tag. Werden schließlich die rezessiven Tendenzen in Rechnung gestellt, dann droht tatsächlich ein neuer Verfall des Rohölpreises. OPEC-Präsident Abdullah al-Attiyah ging auf dem Wiener OPEC-Treffen davon aus, dass bei einer gleichbleibenden weltweiten Rohölförderung der Erdölpreis im dritten Quartal 2003 unter 20 US-Dollar rutschen könnte. Formal beschlossen die OPEC-Staaten in Wien, die Rohölförderung auf 24,5 Millionen Faß Tagesleistung zu reduzieren. Da der Irak jedoch in das Quotensystem nicht integriert wurde, bleibt die Gefahr einer Flutung des Marktes. Venezuelas Präsident Hugo Chávez prognostizierte zum selben Zeitpunkt, dass der Irak unter US-Einfluß aus der OPEC austreten und damit die Marktmacht der OPEC erheblich geschwächt werden würde.
Die ersten Aussagen von Vertretern der US-Ölgesellschaften hinsichtlich einer Nachkriegs-Ölordnung liefen darauf hinaus, dass eine modernisierte irakische Ölwirtschaft nach drei bis fünf Jahren die Ölförderung auf sechs Millionen Barrel pro Tag steigern würde. Das entspräche einer Ölförderung, die mehr als doppelt so hoch als diejenige des Jahres 2002 ist. Damit würden auch die Spitzenwerte, die Mitte der 1980er Jahre während des ersten Golfkriegs erreicht wurden, deutlich übertroffen. Damit aber würden diejenigen, die in Zukunft über die irakische Ölförderung entscheiden also die US-Regierung beziehungsweise die US-amerikanischen und britischen Ölkonzerne , auch über eine "swing capacity" verfügen, das heißt, sie könnten maßgeblich den Rohölpreis bestimmen.
Damit ist bereits deutlich, dass zwei Ziele, welche die US-Regierung mit dem Irak-Krieg verfolgte, ein kurzfristig niedriger und sinkender Rohölpreis und eine mittelfristige Kontrolle des Ölpreisniveaus, erreicht wurden.
Von noch größerer Bedeutung ist für die US-Regierung und für die US-amerikanischen und britischen Ölkonzerne die direkte Kontrolle von zehn Prozent der weltweiten Rohölreserven. Lucas Zeise rechnete in der "Financial Times Deutschland" kühl vor: "Das eigentliche Kriegsziel... besteht darin, nicht nur den Zugang zum Erdöl zu sichern, sondern auch die Ölquellen und ihre sprudelnde Rente der Verfügungsgewalt der nahöstlichen Staaten zu entwinden. Für die Amerikaner ist das ein lohnendes Ziel. Die Reserven Iraks, die zweitgrößten der Welt, sind zu heutigen Preisen zwischen 3000 und 4000 Milliarden US-Dollar wert." Zum Vergleich: Die Kosten des Irak-Kriegs 2003 wurden mit 75 bis 100 Milliarden US-Dollar angegeben, wobei sich auch hier ein Teil dieser Kosten über die "Kriegsbeute", das irakische Öl, refinanziert. In ähnlichem Sinn argumentierte Martin Wolf in der britischen "Financial Times", als er "die Sicherung des westlichen Nachschubs mit Rohöl als ein legitimes Ziel des Krieges" ausgab. Mit dem Kriegserfolg im Irak wurde auch das Ziel der direkten Kontrolle wichtiger Ölressourcen erreicht.
Ein weiteres wesentliches Resultat des Irak-Kriegs 2003 besteht darin, dass sich der Charakter der privaten Ölkonzerne erneut verändern und auf diesem Gebiet das Rad der Wirtschaftsgeschichte zurück gedreht wird. Bis Anfang der 1970er Jahre kontrollierten die privatkapitalistischen Ölkonzerne den größten Teil der Erdölförderung. Mit den seit den sechziger Jahren einsetzenden Nationalisierungen der Ölförderung (im Iran, im Irak, in Libyen und in Saudi-Arabien) gerieten die westlichen, privaten Konzerne auf dem Gebiet der eigentlichen Erdölförderung zunehmend in eine Minderheitsposition. 1973 lag die von den OPEC-Förderländern direkt auf den Markt gebrachte Rohölmenge bei acht Prozent 90 Prozent förderten die westlichen Ölkonzerne. Bis 1979 hat sich diese Marge verfünffacht in diesem Jahr förderten die nationalen Ölgesellschaften der OPEC-Staaten bereits 42 Prozent des OPEC-Öls. Das in der UdSSR geförderte russische und kaspische Öl unterlag bis 1990 ebenfalls nicht der Kontrolle privatkapitalistischer Ölkonzerne. In der Gesamtbilanz nahm im Geschäft der klassischen westlichen Ölkonzerne die direkte Ölförderung einen abnehmenden Anteil ein, während zunehmend das sogenannte "Upstream-Business", das Geschäft mit der Verarbeitung von Rohöl und seinem Vertrieb, in den Vordergrund rückte.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, ihr Zerfall in die Russische Föderation und in neue unabhängige Staaten (oftmals solche mit großen Öl- und Gasvorräten (Aserbeidschan und die zentralasiatischen GUS-Staaten in der Ölregion des Kaspischen Meers) und die Rekapitalisierung der russischen Wirtschaft brachte in dieser Hinsicht bereits eine erhebliche Veränderung mit sich. Nach dem Irak-Krieg kam es zur Fusion der russischen Ölkonzerne Yukos und Sibneft. Damit stieß erstmals ein privatkapitalistischer russischer Ölkonzern in die Gruppe der acht weltweit führenden Ölkonzerne vor. Hinsichtlich des Charakters des neuen Ölriesens urteilte die Wirtschaftspresse wie folgt: "Das neue Unternehmen YukosSibneft... wird mit 18,4 Milliarden Barrel eine der weltweit größten nachgewiesenen Reserven unter privaten Ölkonzernen haben. Über Vorkommen in ähnlicher Größenordnung verfügen nur BP sowie Royal Dutch/Shell."
Die Förderung des Nordseeöls, die Ende der 1980er Jahre in großem Maßstab begann, und die wachsende Ölförderung in Äquatorial-Afrika erfolgen ausschließlich unter direkter Kontrolle der westlichen Ölkonzerne. Der Irak-Krieg verstärkt nun diese Tendenz eines erneut wachsenden Gewichts des "Downstream-Business" bei den privatkapitalistischen Ölkonzernen. Das US-Militär und die US-Regierung erklärten Ende April 2003, die internationalen Ölkonzerne aus denjenigen Ländern, die die "Allianz der Willigen" unterstützten, also US-amerikanische und britische Ölkonzerne und den spanischen Ölkonzern Repsol, an der irakischen Ölförderung beteiligen zu wollen. Vertreter der US-Ölkonzerne Exxon Mobil und Chevron Texaco, des britischen Konzern BP und des britisch-niederländischen Unternehmens Royal Dutch Shell erklärten ihr Interesse an einem derart gestalteten "Aufbau der irakischen Ölförderung". Aus einem Dossier des State Department, das US-Medien im April 2003 zugespielt wurde, geht hervor, dass die Privatisierungspläne für die irakische Ölindustrie bereits vor dem Krieg ausgearbeitet waren. Den Auftakt soll danach die Privatisierung des irakischen Tankstellennetzes bilden.
Damit kommen nach dem Irak-Krieg drei Faktoren zusammen, welche zu einer Erhöhung der Abhängigkeit der kapitalistischen Weltwirtschaft vom Rohstoff Öl im allgemeinen und zu einem größeren Gewicht der kapitalistischen Ölkonzerne und der um sie gruppierten öl-orientierten Wirtschaft im besonderen beitragen. Da ist als erstes die Besetzung des Iraks durch das Militär desjenigen Landes, in dem überproportional Öl und Ölderivate (Benzin, Diesel, Kerosin) verbraucht werden und das weiterhin das westlich-kapitalistische Produktions- und Konsummodell prägt. Die führende Wirtschafts- und Militärmacht der Welt wird neben Großbritannien als einziger G-7-Staat solange nicht auf Ölimporte angewiesen sein, wie es die faktisch koloniale Kontrolle des Iraks aufrecht erhält. Zweitens setzt sich die Okkupation des Irak, die auf die gesamte Ölregion am Persischen Golf ausstrahlt, mittel- und langfristig in einen erheblichen Druck auf den Ölpreis um. In diametralem Kontrast zur gesteigerten Knappheit der Rohölressourcen wird ein niedriger Ölpreis ein "Weiter so" signalisieren: Der Öldurst der Weltökonomie wird zunehmen. Die Ölenergieverschwendung wird gesteigert. Die Bereitschaft und Attraktivität des Umsteigens auf alternative, regenerative Energieformen wird nicht gefördert oder gar reduziert.
Schließlich wird sich drittens das Gewicht der privatkapitalistischen Ölkonzerne erhöhen: wegen der nochmals größeren Bedeutung der Ressource Rohöl, wegen der Rekapitalisierung der Ölförderung auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und aufgrund des erneut gewachsenen Engagements der internationalen Ölkonzerne in der direkten Ölförderung.
Seit den siebziger Jahren sind die Ölkonzerne und diejenigen Industrien, die direkt mit dem Konsum von Öl und seinen Derivaten (Diesel, Benzin, Flugbenzin, Kerosin, Raketentreibstoff) verbunden sind, in der Architektur der auf dem Weltmarkt maßgeblichen Konzerne vorherrschend. Im Jahr 2001 entfielen rund 55 Prozent des Umsatzes der 200 größten Konzerne der Welt allein auf Konzerne, die ihren Umsatz im wesentlichen mit Ölförderung, Ölverarbeitung, Zulieferungen zur Ölindustrie, im Fahrzeugbau, in der Luftfahrt und in der Rüstungsbranche realisieren. Das Gewicht der direkt mit Öl und seinem Konsum verbundenen Industrien wird sich nach dem Irak-Krieg weiter erhöhen. Bereits in der Vergangenheit spielte diese spezifische stoffliche Konzentration des weltweiten Kapitals eine erhebliche Rolle in der Entwicklung und Ausrichtung der weltweiten Produktion und des gesamten politischen und kulturellen Überbaus, des Western Way of Life. Trotz verringerter Reichweite der zentralen Ressource Rohöl verstärkt sich nun das spezifische Gewicht des in den Sektoren einer oil based industry angelegten Kapitals. Nicht die Zusammensetzung der Administration unter US-Präsident George W. Bush mit maßgeblichen Leuten, die aus dem Öl-Business und der Autobranche kommen, war maßgeblich für die energiepolitischen Zielsetzungen im Afghanistan-Krieg und im Irak-Krieg Es ist vielmehr umgekehrt die Weltmarkt-Macht dieser Konzerngruppe, die auf Politik und Kultur durchschlägt und die letzten Ende auch in der Zusammensetzung der US-Administration ihren Ausdruck findet. Diese unselige Verflechtung hat im übrigen auch direkte Folgen für die öffentliche Meinung beziehungsweise hinsichtlich der Manipulation der Medien. So wenn während des Irak-Kriegs die populäre Musikgruppe Dixie Chicks in vielen Radiosendern und TV-Stationen tabu war, weil ihre Sängerin Natalie Maines sich kritisch zu George W. Bush und gegen den Irak-Krieg geäußert hatte. Dies wird mit der Personalie von Lowry Mays verständlich: Mays kontrolliert mit seinem Unternehmen Clear Channel in den USA 1200 Radiosender, 39 Fernsehstationen und Hunderttausende Anzeigentafeln in zahlreichen Ländern; er ist gleichzeitig maßgeblicher Manager für Live-Veranstaltungen. Mays hielt seine TV- und Radio-Sender während des Kriegs strikt auf pro-Bush-Linie. Mays hat Öltechnik studiert, ist eng mit dem texanischen Ölbusiness verbunden und war maßgeblicher Sponsor von Bushs Wahlkampf für die Präsidentschaft.
Die Befürchtungen, der Irak-Krieg könnte die weltweiten Krisentendenzen verstärken, erwiesen sich zunächst als unberechtigt. Das lag daran, dass der Ölpreis aus den skizzierten Gründen nicht nur nicht anstieg, sondern ab Kriegsbeginn sogar fiel. Darüber hinaus hatten die extrem kurze dreiwöchige Dauer des Kriegs und die erfolgreiche militärische Strategie von "shock and awe", mit der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärtermaßen Anleihen bei der NS-Blitzkriegsstrategie gemacht hatte, die Märkte beruhigt und die anfallenden direkten Kriegskosten in engen Grenzen gehalten. Allerdings gab es auch nicht den von einigen prophezeiten Nachkriegsboom. Die Kursrallye, die der Kriegsbeginn und der schnelle Zusammenbruch der Hussein-Diktatur an den Weltbörsen zunächst ausgelöst hatte, war bereits zwei Wochen nach dem Einmarsch der US-Truppen in Bagdad verebbt. Kurz danach verstärkten sich sogar die Warnungen vor einer Verschärfung der Krise in einzelnen Industrieländern. Die OECD teilte mit, dass das Bruttoinlandsprodukt in der BRD 2003 nicht, wie seitens der Bundesregierung unterstellt, um ein Prozent wachse, sondern faktisch stagniere. Die fundamentalen Krisentendenzen erwiesen sich als gewichtiger als die kurzzeitige Börsianer-Stimmung "Kaufen, wenn Kanonen donnern".
Nach dem Afghanistan-Krieg 2001 stellte der Irak-Krieg ein weiteres Mal unter Beweis: Die Politik der US-Regierung ist zunehmend geprägt von geostrategischen Zielsetzungen, die erheblichen Einfluß auf die Wirtschaftspolitik in den USA und auf die Weltwirtschaft haben. Der US-Krieg gegen den Irak war, wie Bob Woodward enthüllte, bereits vor dem 11. September 2001 vom Pentagon geplant worden. In der ersten Krisensitzung des Sicherheitsrats der US-Regierung am 12. September 2001 wurde diskutiert, gleichzeitig mit Afghanistan den Irak anzugreifen. Die Entscheidung, zunächst einen Krieg gegen Afghanistan zu führen, wurde dann intern allein damit begründet, dass ein Afghanistan-Krieg in einem breiten Bündnis mit anderen führenden Industriestaaten geführt werden könne, wohingegen im Falle eines US-Kriegs gegen den Irak die US-Regierung voraussichtlich allein bleiben werde. In den Worten von George W. Bush vom September 2001: "Es kann sein, daß wir (bei der Ausweitung des Krieges gegen den Terror; W.W.) irgendwann als einzige übrigbleiben. Ich habe nichts dagegen. Wir sind Amerika."
Die Debatte innerhalb der US-Regierung über die Nachkriegsordnung im Irak war eine solche zwischen dem Außenministerium unter Colin Powell und dem Pentagon unter Donald Rumsfeld. Verkürzt gesagt ging es um die Frage, wie offen eine Nachkriegsordnung nach Art einer Kolonialverwaltung ausgerichtet sein sollte, wobei Rumsfelds Vorstellungen die unverblümteren waren und in Powells Konzeption die Vereinten Nationen eine größere Rolle hätten spielen sollen. Dabei argumentierte der US-Außenminister für eine Einbeziehung der UN mit der Zielsetzung, auf diesem Weg die Hegemonie der USA besser ausbauen zu können. In den Worten des "Wall Street Journals": "Mr. Powell glaubt, daß gerade auch angesichts ihrer Stellung als in der Welt uneingeschränkt vorherrschende Macht die Position der USA noch größer und die politischen Probleme der US-Regierung geringer wären, wenn sie ihre Politik im Bündnis mit wenigstens einigen Verbündeten umsetzen würde."
In den Debatten, die nach dem US-Sieg in Bagdad innerhalb der US-Regierung geführt wurden, setzten sich Rumsfeld und das Pentagon durch. Seither ist das US-Verteidigungsministerium federführend für Detailplanung und Umsetzung der US-amerikanischen Vorstellungen für den zukünftigen Irak. Es verwundert daher nicht, wenn die Konzeptionen für den Nachkriegs-Irak im Pentagon-Mimikry einherkommen. Es zeichnet sich eine Staatsarchitektur ab, die auf eine koloniale und militärische Beherrschung des Landes hinausläuft.
Das gesamte Land soll unter dem Oberkommando der US-Armee stehen und gleichzeitig zum Dreizonenland werden mit einer britischen verwalteten Zone im Süden, einer polnisch verwalteten Zone im Norden und der US-amerikanischen Zone im Zentrum und mit der Hauptstadt Bagdad. Die militärische Absicherung soll durch ein großes Kontingent US-amerikanischer Truppen, ergänzt um jeweils mehrere tausend Mann britischer, polnischer und italienischer Streitkräfte mit weiteren kleineren Kontingenten aus zehn europäischen Ländern erfolgen. Der US-Regierung ist es damit gelungen, den Spaltkeil in den konkurrierenden imperialistischen Block EU zu verstärken.
Der Chef der maßgeblichen neuen US-Einrichtung im Nachkriegs-Irak, des "Office of Reconstruction and Humanitarian Assistance ORHA", dem "Amt für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe", ist Jay Garner. Der 64jährige Generalleutnant im Ruhestand diente 38 Jahre in der US-Army, war zwei Mal in Vietnam und 1991 im Golfkrieg im Einsatz. Im Pentagon arbeitete er in den 1980er Jahren für das "Star-War"-Projekt unter Präsident Reagan, später für das "National Missile Defence (NMD)". Seit 1997 ist Garner Präsident der Waffenfirma SY Coleman. Coleman gehört zum Rüstungsunternehmen L-3 Communications, das einen größeren Teil der Zielsysteme für die "intelligenten Präsizionswaffen" lieferte, mit denen die US-Armee den Krieg gegen den Irak führte. Bis Ende April 2003 waren 350 US-Regierungsbeamte als Mitarbeiter von Gardners ORHA in die Golfregion entsandt worden. Darunter befinden sich 14 Experten aus dem US-Finanzministerium, die für den Irak eine neue Währung schaffen sollen. Maßgebliche Leute des im Irak eingesetzten Gardner-Teams sind hohe US-Militärs oder direkte Öllobbyisten. Dies trifft zu auf Zalmay Khalilzad, den Ex-Topmanagers des US-Ölkonzerns Unocol, Ex-US-Sonderbeauftragten für Afghanistan und neuen US-Sonderbeauftragten für den Irak. Es trifft in besonderem zu auf Philip J. Carroll, den neuen Koordinator für den Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie. Dieser Herr arbeitete 37 Jahre lang für den britisch-niederländischen Ölkonzern Royal Dutch Shell, zuletzt als Vorstandsmitglied des Unternehmens. Danach wechselte er auf den Chefposten von Bechtel, des größten US-Baukonzerns. Dieses Unternehmen, das bereits nach dem Golfkrieg 1991 Großaufträge zum Wiederaufbau in Kuwait in die Auftragsbücher holen konnte und in dessen Top-Managment George Schultz, Außenminister unter US-Präsident Reagan, sitzt, sieht sich nach dem dritten Golfkrieg erneut als Kriegsgewinnler.
Nach dem Irak-Krieg sind die US-Militärs in allen Golf-Staaten militärisch vertreten mit Ausnahme des Iran. Die Präsenz des US-Militärs im Irak soll festgezurrt werden; vorgesehen ist ein Abkommen mit der neuen irakischen Regierung also überwiegend mit den eigenen Leuten -, mit welchem die ständige Nutzung von vier strategisch gut verteilten Militärstützpunkten auf lange Zeit geregelt wird. Insgesamt sollen nach einer Übergangsphase und einer Reorganisation der irakischen Armee die US-Einheiten im Land reduziert werden. Dennoch ist daran gedacht, im Irak bis zu 75.000 US-amerikanischen Soldaten langfristig zu stationieren.
Die ersten Großaufträge zum Wiederaufbau des Iraks wurden im Stil einer Kriegsökonomie vergeben. Bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn wurde bekannt, daß die Verwaltung des in den ersten Kriegstagen eroberten irkakischen Hafens von Umm Kasr an das US-Unternehmen Stevedoring Services of America (SSA) in Seattle übertragen wurde. Die Ausschreibung für diesen und eine Reihe anderer erster Aufträge war am 12. Februar 2003 hinter verschlossenen Türen erfolgt, mehrere Wochen vor Kriegsbeginn. Dabei wurde auch bekannt, daß Bestandteil der ersten Auschreibungen, die von der US-Organisation USAID organisiert wurden, die Festlegung ist, daß ausschließlich US-Firmen beauftragt werden dürfen. Lediglich als Subunternehmer kämen auch Firmen aus anderen Ländern in Betracht. Der Berichterstatter des ZDF, ...., hatte bereits in den ersten Tagen der flächendeckenden Plünderungen auf die ökonomische Sinnhaftigkeit dieses Vandalismus hingewiesen: Die Zerstörung des Fernmeldeministeriums in Bagdad und die weitgehende Zerstörung des terrestrischen Fernmeldenetzes liefere die Rechtfertigung für den Aufbau eines komplett neuen Mobilfunk-Netzes nach der US-Norm CDMA anstelle des bisher in der Region genutzten GSM-Standards. Fast gleichzeitig lief im US-Kongress eine Kampagne, angeführt von dem republikanischen Abgeordneten Darrell Issa, im Irak müsse das US-System CDMA zum Zuge kommen, da das Telefonnetz "mit amerikanischem Steuergeld wiederaufgebaut" würde und an diesem System "Hunderttausende amerikanische Arbeitsplätze" hängen würden. Die Zerstörung vieler Krankenhäuser und deren Einrichtung passt in die Bewerbung des erwähnten Bechtel-Konzerns zum Aufbau eines "modernen Gesundheitswesens im Irak". Dieser Auftrag wurde bereits am 3. März, knapp drei Wochen vor Kriegsbeginn, ausgeschrieben. Der erste Großauftrag zum Wiederaufbau der Instrastruktur-Einrichtungen im Irak ging Ende April 2003 ebenfalls an Bechtel. Die Plünderungen und Zerstörung vieler Schulen sollte vor dem Hintergrund gesehen werden, daß das Unternehmen Creative Associates International mit Sitz in Washington D.C. den zunächst auf 62 Millionen US-Dollar dotierten Auftrag erhalten hatte, das gesamte irakische Schulsystem neu aufzubauen. Selbst bei den umfangreichen Plünderungen von Schätzen der mesopotamischen Kultur verbleibt ein schaler Nachgeschmack. Ende 2002 schlossen sich in den USA sechzig US-amerikanische Kunsthändler, Anwälte, Museumsdirektoren und Wissenschaftler zu einem American Council on Cultural Policy zusammen. Ihr im Vorfeld des Irak-Kriegs vorgetragenes Ziel sei, so das Wissenschaftmagazin "Science", "die Lockerung der irakischen Antiquitätengesetze unter einer amerikanisch kontrollierten Nachkriegsordnung, die Erleichterung des Antiken-Exports aus dem Irak". Kurz gesagt: Der legalisierte Raub von Kulturgütern Mesopotamiens auf eine Art und Weise, wie dies für die Zeit des Kolonialismus charakteristisch war, was sich wiederum im kulturellen Reichtum vieler europäischer Museen widerspiegelt. Begründet wurde dies von jenem neu gegründeten US-amerikanischen Kunstimport-Lobby u.a. mit Plünderungen, die es nach dem zweiten Golfkrieg 1991 in irakischen Museen gegeben habe, und mit der allgemein labilen Situation in einem Nachkriegs-Irak. Offensichtlich verfügten die US-Kunstvertreter über prophetische Fähigkeiten. Die GIs, die nach den Berichten von Robert Fisk vom britischen "Guardian" und anderen Augenzeugen vor Ort zu Plünderungen ermuntert hatten, beförderten zumindest objektiv diese politische Ökonomie der Plünderungen.
Mit dem US-Krieg gegen den Irak und nach diesem Krieg setzte die US-Regierung ihre Politik des militärischen Keynesianismus fort. Wenige Tage nach Kriegsbeginn beantragte US-Präsident Bush ein zusätzliches Sonderbudget von knapp 80 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung des Krieges. Unter den gegebenen Bedingungen stimmten beide Parlamentskammern mit überwältigender Mehrheit für das Kriegsbudget. Teil des Budgets waren neue Hilfen für die US-Airlines in Höhe von gut 3 Milliarden US-Dollar, nachdem diesen im Gefolge des Terroranschlags vom 11. September 2001 bereits Nothilfen von 15 Milliarden US-Dollar gewährt worden waren. Das Programm zum Wiederaufbau des Iraks, das nach dem Krieg beschlossen wurde, speist sich nur zu einem geringen Teil aus US-Geldern. Ein größerer Teil soll von der Europäischen Union und von der Weltbank finanziert werden. Der größte Teil dürfte jedoch aus den Einnahmen der neu aufgenommenen irakischen Ölexporte kommen. Da der größte Teil dieser Wiederaufbau-Aufträge US-amerikanischen Unternehmen zu Gute kommt, handelt sich wie im ersten und zweiten Golfkrieg erneut um eine Nachfragesteigerung in Krisenzeiten, die kaum eigene Haushaltsmittel oder eine Kreditaufnahme erfordert. Dieser spezifische Kriegskeynesianismus wird gleichzeitig als Waffe im innerimperialistischen Konkurrenzkampf eingesetzt. Unternehmen aus Staaten, die den US-Krieg nicht aktiv unterstützten, werden zunächst keine größeren Aufträge erhalten. Voraussetzung für eine Änderung dieser US-Haltung ist ein Generalabkommen zur weitgehenden Streichung der irakischen Auslandsschulden und zur weitgehenden Annullierung von Ölförderverträgen, die von französischen und russischen Konzernen mit dem Regime unter Saddam Hussein abgeschlossen wurden.
Der Irak-Krieg 2003 wird mehr als die vorausgegangenen Kriege am Golf 1991, gegen Jugoslawien 1999 und gegen Afghanistan 2001 den Einsatz von Kriegen als Fortsetzung von Konkurrenz und Politik mit anderen Mitteln fördern. Entscheidend sind hierfür drei Aspekte.
Zunächst handelte es sich bei dem dritten Golfkrieg um den ersten größeren Krieg seit zwölf Jahren, der in eine Phase erneut steigender
Rüstungsausgaben fällt. Dies trifft zwar zunächst vor allem auf die USA zu. Doch als Weltmarktführer im Rüstungsbereich und als militärische Hegemonialmacht strahlen die Aufrüstungsstendenzen von hier auf die imperialistische Konkurrenz aus. Der Irak-Krieg und der Erfolg der US-Militärs beschleunigt nochmals die ohnehin geplanten weiteren massiven Erhöhungen der US-Rüstungsausgaben. Da die aktuellen Aufrüstungstendenzen zugleich in eine Phase verschärfter Krisenerscheinungen fallen, liegt es nahe, daß der beschriebene "militärische Keynesianismus" verstärkt und in anderen Regionen wiederholt wird.
Zweitens gab es mit dem Irak-Krieg eine Revolutionierung der Kriegstechnik. Im Gegensatz zum Golfkrieg des Jahres 1991, als die US-Luftwaffe den Gegner wochenlang in Grund und Boden bombardierte und dann mit einer zahlenmäßig ebenbürtigen Invasionsmacht die irakische Armee überrannte und im Gegensatz zum Krieg gegen Jugoslawien, der ausschließlich als Luftkrieg geführt wurde, führten die US-amerikanischen und britischen Einheiten einen risikoreichen Blitzkrieg mit zahlenmäßig weit unterlegenen Einheiten. Der Bundeswehrgeneral a.D. Klaus Reinhardt unterstrich diesen Aspekt mit den folgenden Zahlen: "So hat die Koalition mit nur drei Divisionen und einer Kampfstärke von rund 45.000 Mann die gesamte irakische Armee mit 17 Divisionen mit einer Stärke von rund 300.000 Mann sowie die Republikanischen und Speziellen Republikanischen Garden mit sieben Divisionen und einer Stärke von rund 80.000 Mann zerschlagen." Neu an der angewandten Kriegstechnik war "die Renaissance der bereits totgeglaubten schweren und gepanzerten Truppen" (Reinhardt) und die Möglichkeit, mit diesen Panzer-Einheiten in nur drei Tagen einen Vormarsch von 500 Kilometern und bis 80 Kilometer vor die irakische Hauptstadt zu realisieren. Als "geradezu revolutionär" bezeichnete Reinhardt die Tatsache, "daß die Gefechte weitgehend bei Nacht geführt wurden" und daß alle Teile der US-Streitkräfte und Waffensysteme ihre "Nachtkampfähigkeit" unter Beweis stellten. Als "zentrales Element der neuen Kriegführung und des engen Zusammenwirkens aller Kräfte in der Luft und auf dem Bloden" erkennt der ehemalige Oberbefehlshaber der Kfor-Truppen im Kosovo "das digitale, satellitengestützte Führungs-, Aufklärung-, und Datenübertragungssystems, das die enge Vernetzung jedes einzelnen Waffensystems, der Einheiten und Verbände und der dazu gehörigen Logistik sowie der Führungsstäbe ermöglichte. ´Network Centric Warfare´ ist der Begriff, hinter dem sich dieses umfassende Führungs- und Aufklärungssystem verbirgt... Dieses ... erlaubte, die Absichten der Iraker frühzeitig zu erkennen, deren Entscheidungsprozesse zu unterlaufen und sofort alle erforderlichen Gegenmaßnahmen in der Luft und auf dem Boden einzuleiten." Der Irak-Krieg wird als Vexierbild für die Weiterentwicklung der Militärtechnik dienen; der ohnhin begonnene Umbau der Armeen in Europa und Japan zu "hochflexiblen und mit modernster Technik ausgerüsteten Interventionsstreitkräften" wird beschleunigt und entsprechend den Erfahrungen im Irak-Krieg modifiziert werden.
Zum dritten wurde mit dem Irak-Krieg die Überlegenheit des US-Militärs gegenüber allen verbündeten und konkurrierenden Armeen der Welt ausgebaut. Der bereits übermächtige Militärisch-Industrielle Komplex in den USA wird nochmals erheblich gestärkt. Dies nicht nur aus dem profanen Grund, daß sich die Rüstungsmilliarden und die kriegserprobten neuen Waffensyssteme in materielle Gewalt und Hegemonie umsetzen. Dies auch deshalb, weil die Politik der US-Regierung unter George W. Bush, die sich im übrigen bereits unter Präsident Clinton herauskristallisierte, durch eine einzigartige Verknüpfung von geostrategischen, energiepolitischen und wirtschaftspolitischen Interessen gekennzeichnet ist. Die Notwendigkeit, angesichts knapper werdender Ölvorräte die US-Ölimporte zu diversifizieren und soweit als möglich direkte Kontrolle über große Vorkommen auszuüben, war bereits im Energiebericht angelegt, den US-Vizepräsident Dick Cheney am 16. Mai 2001, also vor den Terroranschlägen auf das World Trade Center, vorgelegt hatte. Die Tendenzen zum Umbau der US-Armee, ihrer elektronischen Hochrüstung und ihres weltweiten, flexiblen Einsatzes zeichneten sich bereits während des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien ab, als die US-Armee zur gleichen Zeit massive militärische Schläge gegen Stellungen der irakischen Armee führte. Mit dem Irak-Krieg kommt es jedoch zu einer Verbindung dieser Elemente. Vergleichbares unterstrich bereits der Professor für Friedensforschung Michael T. Klare, als er im Vorfeld des Irak-Kriegs formulierte: "Eine Energiepolitik, die den verstärkten Zugriff der USA auf Ölvorkommen in chronisch unstabilen Gebieten wie dem Persischen Golf, der Kaspischen Region, Lateinamerika und Schwarzafrika befürwortet, wirkt weitaus realistischer, wenn sie von einer Militärstrategie flankiert ist, die darauf abzielt, das US-amerikanische Potential zum militärischen Einsatz in diesen Regionen erheblich aufzustocken." Hinzuzufügen ist, daß eine solche Politik eine nochmals größere innere Logik erhält, wenn sie zur Ankurbelung der von Krisentendenzen gezeichneten Ökonomie genutzt, wenn also Krise, Öl und Krieg als unauflösbarer Zusammenhang präsentiert werden.
Der Erfolg der US-Politik in den Kriegen gegen Afghanistan und gegen den Irak mündet konsequent darin, daß diese Politkik fortgesetzt und neue Kriegsziele, die geostrategischen, energiepolitischen und militärtechnischen Zielsetzungen dienen, entwickelt werden. Ein nächstes Kriegsziel Iran ist vorstellbar; dies wurde mit dem Begriff der "Achse des Bösen" bereits vorrgezeichnet. Es handelt sich beim Iran um das einzige Land in der strategisch entscheidenden Golfregion, in dem die US-Armee militärisch noch nicht präsent ist. Nordkorea als Angriffsziel bietet zwar keine Bodenschätze. Militärtechnisch droht bei einem solchen Fall jedoch der Einsatz der neuen US-amerikanischen "Mini-Nukes", von sogenannten kleinen Atombomben. Geostrategisch würde ein US-Angriff auf Nordkorea Moskau und Peking deutlicher ins Visier der US-Militärs rücken. Das Angriffsziel Syrien liegt nahe, weil auf diese Weise die Pipeline vom Irak über Syrien zum Mittelmeer unter Kontrolle gebracht würde. Der ehemalige saudische Ölminister Ahmed Saki al-Jamani meinte im Februar 2003, der Irak-Krieg werde mit dem Ziel geführt, "irakisches Öl eines Tages (wieder) über Haifa in den Westen zu transportieren." Wie Michael Klare erkannte er darin eine langfristigen Zielsetzung der US-Energiepolitik. Eine Pipeline Irak-Israel habe bis 1948 bestanden und wäre aufgrund der "präzisen topografischen Kenntnisse der Amerikaner in dieser Region leicht wieder herzustellen." Das langfristige Ziel der US-Politik definierte Jamani wie folgt: "Sechs Millionen Barrel pro Tag aus dem Irak über das von den US-Kriegsschiffen geschützte Mittelmeer zu transportieren, das ist durchaus möglich. Und das bedeutet dann für die USA die energiepolitische Unabhängigkeit von einem krisengeschüttelten und womöglich eines Tages islamistischen Saudi-Arabien." Andere Kommentaatoren argumentieren bereits offen, daß ein zukünftiger Krieg direkt gegen das Ölland Nummers eins, gegen Saudi-Arabien zu führen sei. Thomas Klau rechtfertigte dies in der "Financial Times Deutschland" im Februar 2003 mit den Sätzen: "Der aus heutiger Sicht fest beschlossene Krieg gegen den Irak wird ... dem Westen helfen, sich aus einer alten Abhängigkeit zu befreien... Saudi-Arabiens korrupte, offiziel einer extrem intoleranten Spielart des Islam verpflichtete Monarchie erkauft seit Jahrzehnten ihr Überleben, indem sie dem Wsten mit der linken Hand halbwegs billiges Öl garantiert, und mit der rechten Hand die Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus finanziert."
Die Verallgemeinerung des Verständnisses von Krieg als akzeptablem Mittel von Konkurrenz und Politik ist nicht auf die US-Politik beschränkt. Sie ist längst Bestandteil der Politik der europäischen Regierungen. Die britische Politik bewegt sich ohnehin im Schlepptau der US-Politik. Den materiellen Hintergrund stellen dabei die Interessen der Ölkonzerne BP und Royal Dutch Shell und die Tatsache dar, daß der weltweit drittgrößte Rüstungskonzern, BAe (British Aerospace), den größten Teil seines Umsatzes mit Pentagon-Aufträgen realisiert. Die Unterstützung Spaniens für den US-Krieg gegen den Irak wird mit Schürfrechten für den spanischen Ölkonzern Repsol im Irak abgegolten. Eine Rolle spielt dabei auch das Engagement, das der US-Rüstungskonzern General Dynamics in der spanischen Panzerschmiede Santa Barbara eingegangen ist. Wenn sich die Regierungen in Paris und Berlin formal gegen den Irak-Krieg gewandt haben, dann überwiegend deshalb, weil für sie in der US-Politik bei der Verteilung der Kriegsbeute des irakischen Öls keine größere Rolle vorgesehen war. Dabei waren die französische und die deutsche Regierung treibende Kräfte in der Vorbereitung und Durchführung des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien. Der deutsche Verteidigungsminister Struck will in den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Bundeswehr deutlich machen, daß deutsche Interessen "auch am Hindukusch" verteidigt werden. Die Regierungen in Paris und Berlin waren die entscheidenden Kräfte, die den europäischen militärisch-industriellen Komplex EADS, den Zusammenschluß der deutschen Rüstungskapazitäten von DaimerChrysler-Dasa, der französischen Rüstungsunternehmen Aerospatiale-Lagardère-Matra und der spanischen Rüstungsgruppe Casa vorangetrieben und im Jahr 2000 ermöglicht hatten. Schließlich waren es nach dem Irak-Krieg Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac, die das Projekt einer EU-"Vierergruppe" bestehend aus der BRD, Frankreich, Belgien und Luxemburg verfolgen, um die Militarisierung der Europäischen Union und die Schaffung einer eigenständigen EU-Armee zu beschleunigen. Auch hier wird deutlich, daß diese Tendenzen zur Militarisierung nicht Resultat finsterer Machenschaften und unlauterer Motive ist. Sie folgen vielmehr einer materiellen Logik. Während die Bundesregierung unter Kanzler Schröder den Krieg im Inneren unter anderem den Arbeitslosen und den auf Sozialhilfe angewiesenen Menschen erklärt, wird mit den hier eingesparten Euro-Milliarden der Krieg nach außen vorbereitet und festgestellt, nach dem Irak-Krieg müsse "Europa seine verteidigungspolitische Identität" herausbilden und zu diesem Zweck seine Militärausgaben erhöhen. Gleichzeitig wird mit dieser Politik ein neuer Anlauf unternommen, das Projekt eines europäischen, imperialistischen Blocks zu realisieren, der im politischen, ökonomischen und militärischen Konkurrenzkampf mit den USA und der Nafta mithalten kann. Nachdem dieses Ziel der europäischen Banken und Konzerne auf zivilem Weg nicht zu realisieren war, wird nunmehr der Weg von Aufrüstung und Krieg ins Auge gefaßt. Dabei sollte bedacht werden: In der Geschichte des Kapitalismus gelang es nur ein einziges Mal, die zu eng gewordene Verfasstheit bürgerlicher Nationalstaaten zu sprengen und einen neuen größeren Nationalstaat, der den Erfordernissen der herrschenden kapitalistischen Unternehmen gerecht wurde, zu bilden. Dies war der Fall 1871, als nach dem Einmarsch der französischen Armee in Deutschland und dem erfolgreichen Feldzug der preußischen Armee in Frankreich im Spiegelsaal von Versaille das Deutsche Reich ausgerufen und die "Kleinstaaterei" auf deutschem Boden beendet wurde.
Militarisierung, Aufrüstung und Krieg sind keine Mittel zur Relativierung oder gar Aufhebung der kapitalistischen Krisentendenzen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Irak-Krieg hat neue Krisenherde geschaffen. Länder wie Jordanien, Syrien und vor allem die Türkei stehen vor einer offenen Krise. Vor allem aber stellen wachsende und hohe Rüstungsausgaben einen Abzug der volkswirtschaftlichen, produktiven Ressourcen dar. Langfristig hohe Rüstungsausgaben einzelner kapitalistischer Länder mündeten noch immer in einer abnehmenden Konkurrenzfähigkeit und in wachsenden Krisentendenzen. Diese Erfahrungen mußte auch die US-Regierung am Ende des Vietnam-Krieges machen.
Doch die Wiederholung einer Politik, die sich in der Wirtschaftsgeschichte vielfach als Sackgasse erwies, unterstreicht, daß diese aus der inneren Dynamik des kapitalistischen Produktionsprozesses und der Weltmarktkonkurrenz resultiert. Wer feststellt "Eine andere Welt ist möglich" muß erkennen: Eine andere Ökonomie ist nötig.
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Kapitalismus und freie Marktwirtschaft können nur funktionieren auf der Basis eines zerstörerischen Wachstums. "Die Entwicklung der kapitalistischen Produktion", so die Bilanz von Karl Marx, "macht eine fortwährende Steigerung des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz ... erlaubt ihm nicht, dass er sein Kapital erhält, ohne es auszudehnen, und ausdehnen kann er es nur durch fortgesetzte Akkumulation." Ein solches fortwährendes Wachstum muß auf Dauer alle Lebensgrundlagen zerstören und die Ressourcen erschöpfen. Es ist längst die konkrete, hier beschriebene Form des kapitalistischen Wachstums, die zerstörerisch ist, insbesondere im Fall des auf Öl und seinen Derivaten aufbauenden Produktions- und Konsummodells.
Eine "andere Welt" kann nur den notwendigen qualitativen Fortschritt bringen, wenn sie auf einer anderen Ökonomie gründet, die keinen Zwang zum Wachstum kennt. Auf die Frage "Welche wirtschaftliche Theorie müsste noch erfunden werden?" antwortete jüngst John Williamson vom Institute for International Economics, einer der prominentesten US-Ökonomen: "Eine Theorie darüber, ob Wirtschaftswachstum ab einem bestimmten Pro-Kopf-Einkommen noch sinnvoll ist." Diese Erkenntnis mündet logisch im Begriff der Nachhaltigkeit, der sich zum kapitalistischen Profitprinzip und zum Wachstumszwang wie das Feuer zum Wasser verhält. Letzten Endes unterstellt das Prinzip der Nachhaltigkeit ein Verhältnis von Mensch oder Wirtschaftsmodell zu Natur oder Gesellschaft, das Friedrich Engels folgendermaßen beschrieb. "So werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht sondern, dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehen."
Kapitalistische Globalisierung ist nichts als die Potenzierung der mit dem Kapital verbundenen allgemeinen zerstörerischen Prozesse. Das Kapital, die Konzerne und die ihnen inhärente Spekulation verwandeln den Planeten in ein einziges Casino und in eine einzige Werkbank. Die damit erreichten arbeitsteiligen Produktionsformen sind für das einzelne Kapital rational, für eine Welt-Volkswirtschaft jedoch unökonomisch und unökologisch. Wenn beim Porsche Modell Cayenne Turbolader, Lichtmaschine und elektrische Aggregate aus Japan, die Kabelstränge und die Karosse aus Tschechien oder Polen kommen, bearbeitete Motorteile aus Frankreich, das Leder aus Brasilien oder Argentinien, das Fahrwerk aus Braunschweig und der Motor aus Zuffenhausen bei Stuttgart zugeliefert werden, wenn all dies im neuen Porsche-Werk in Leipzig zusammengesetzt wird und schließlich mehr als 50 Prozent der Cayenne-Modelle in den Export gehen, davon wiederum die Hälfte in die USA, dann mag dies hinsichtlich der Ausnutzung optimaler Ausbeutungsbedingungen und preiswerter Rohstoffe und zur Erzielung des maximalen Profits sinnvoll sein. Die dabei real verausgabten Transportkosten sind jedoch nur zu einem Bruchteil im Preis der Ware verkörpert. Sie werden der Gesellschaft oder späteren Generationen aufgebürdet. Sie zerstören Landstriche und große Regionen. Auf den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg in Spanien gab es die Losung. "Wenn Bush Öl sucht, soll er zu uns nach Galizien kommen!" Sie äußern sich in Giftmüllexporten aus den Industriestaaten in die Dritte Welt. 70.000 Tonnen Schrott des eingestürzten World Trade Center, darunter hochkontaminierter Abfall, wurden nach Indien exportiert. Das "Wall Street Journal" berichtete 2003, dass "der Export von Müll, vielfach Giftmüll, heute das drittwichtigste Exportgut der USA nach China darstellt, nach Flugzeugen und Halbleiterfabrikaten und noch vor Sojabohnen und Computern".
Eine andere Ökonomie steht in direktem Gegensatz zur rastlosen Jagd um den Globus. Sie heißt Wiederentdeckung von Langsamkeit und Nähe und die Entwicklung regionalen Wirtschaftens.
Kapitalismus heißt Diktat des Marktes und des Profits; er tendiert zur politischen Diktatur. Die Demokratie macht nicht nur vor dem Fabriktor und vor den Büros halt. Die Ausrichtung der Ökonomie ausschließlich auf die Profitmaximierung kommt einem ständigen Angriff auf demokratische Rechte gleich, heißt Tendenz zum starken Saat und zur Errichtung autoritärer Regime. Immer in Zeiten schwerer Krisen verschärfte sich diese Tendenz. "Wir werden angegriffen wie weiland in der Sterbephase der Weimarer Republik". So DGB-Chef Sommer auf der zentralen Maikundgebung 2003.
Eine andere Ökonomie, in der die großen gesellschaftliche Ressourcen nach Plan eingesetzt werden, kann nur funktionieren auf der Basis umfassender Demokratie.
In der kapitalistischen Gesellschaft wird Arbeit in der Regel als Lohnarbeit oder in anderen Formen abhängiger und prekärer Beschäftigung verausgabt: als Arbeit für einen fremden Aneigner des Arbeitsproduktes. Eine Selbstbestimmung über die Arbeit, über das Arbeitsprodukt und die Arbeitsbedingungen existiert nicht. Die Ergebnisse des Arbeitsprozesses sind in der Regel nicht gesellschaftlich sinnvoll. Oft müssen die Beschäftigten Produkte herstellen, die unnötig sind, die Vergeudung oder gar Zerstörung verkörpern. Im Kapitalismus ist Arbeit überwiegend entfremdete Arbeit. Den logischen Schlusspunkt dieser Perversion stellt das "Kriegshandwerk" dar. In den vergangenen Kriegen wurde immer hervorgehoben, dass die Soldaten "ihren Job" machen; dass das Soldatsein einen "technisch hoch qualifizierten Beruf" repräsentiert, dass "Frauen zur Bundeswehr" als Akt der Emanzipation zu verstehen sei, da Frauen nunmehr der Zugang zu einem Hightech-Job ermöglicht worden sei.
In einer anderen Welt und in einer anderen Ökonomie wird eine Rückgewinnung der Arbeit als Teil des Menschseins möglich, so wie dies Karl Marx formulierte: "In der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch erst als Gattungswesen ... Durch sie erscheint die Arbeit als sein Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen."
Kapitalismus und Profitmaximierung heißen, dass die Kluft zwischen Reich und Arm und die soziale Polarisierung der Gesellschaft sich auf allen Ebenen verschärfen und die patriarchalen Strukturen verstärkt werden. 82 Prozent des Weltbruttoinlandprodukts entfallen auf die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung. 1,2 Milliarden Menschen leben von weniger als einem Dollar pro Tag. Die Forderungen der Hartz-Kommission laufen auf die soziale Ausgrenzung und Verarmung von Millionen Menschen hinaus. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) forderte jüngst "500.000 neue Stellen für Putzhilfen". Die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verkündete "Das Sterbegeld schaffen wir ganz ab".
Eine andere Welt und eine andere Ökonomie geht von der Erkenntnis aus, dass der gesellschaftliche Reichtum groß genug ist, um auf weltweiter Ebene die elementaren menschlichen Bedürfnisse in vollem Umfang befriedigen und ein hohes Niveau von Bildung und Kultur gewährleisten zu können. Sie kennt keine Grenzen und keine sogenannten Rassenschranken. Sie ist vielmehr gekennzeichnet vom Geist der internationalen Solidarität. Diese andere Welt und diese andere Ökonomie mögen weit entfernt erscheinen. Die internationalen Bewegungen, die es gegen die vorausgegangenen Kriege gab, die zehn Millionen Menschen, die am "Global Action Day", am 15. Februar 2003, weltweit gegen den Irak-Krieg demonstrierten, und die internationale Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung sind jedoch hoffnungsversprechend. Sie erinnern an den alten Schlachtruf von Karl Marx: "Und wenn sie ... ihre Arbeit vollbracht haben, wird Europa von seinen Sitzen aufspringen und rufen: Brav gewühlt, alter Maulwurf!"
Motto: Interview mit Günter Gaus im Berliner Tagesspiegel vom 5.4.2003.
Marx zu Gold nach: Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökoomie. Frankfurt/Wien (Europäische Verlagsanstalt), o.J., S.147f.
Bretton Woods nach: Die Zeit vom 24.6.1994.
Kommunique der 10er-Währungskonferenz 1971 wiedergegeben in: Frankfurter Rundschau vom 20.12.1971. Darin hieß es: "Die USA stimmten zu, dem Kongress ein angemessenes Verhältnis der Dollarabwertung in form von 38 Dollar je Unze (statt 35 Dollar je Unze; W.W.) vorzuschlagen... Es wurde vereinbart (...) die geeignete Rolle des Goldes.... innerhalb der Funktionsfähigkeit des Systens zu wahren"
Dollar-DM-Verhältnis u.a. nach: Der Spiegel 8/1978; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, zuletzt 3/2003.
Gold-Dollar-Entwicklung: Synchron zur Dollar-Krise entwickelte sich der Goldpreis. Bis Anfang der siebziger Jahre war der Preis für eine Feinunze Gold auf 150 US-Dollar angestiegen. Er schnellte Mitte der 70er Jahre auf mehr als 750 Dollar hoch und bewegte sich in den neunziger Jahren zwischen 300 und 400 US-Dollar. Nach. Financial Times Deutschland vom 28.3.2003.
Britisches Pfund: Großbritannien war 1990 dem Europäischen Währungssystem (EWS) beigetreten. Im Sommer 1992 setzte eine massive Spekulation gegen das britische Pfund ein, an der sich im übrigen auch britische Banken und Konzerne beteiligten, die aus der nationalen Währung flüchteten, um nach deren Awertung Kasse zu machen. Trotz massiver Interventionen der Notenbank und ein Leitzinsniveau, das auf 15 Prozent angehoben wurde, musste die britische Regierung am 16.9.1992 kapitulieren. Das Pfund verließ das EWS und wurde um rund 20 Prozent abgewertet. Nach: Süddeutsche Zeitung vom 16.9.2002.
Fakturierung in Euro statt Dollar: Financial Times Deutschland vom 25.3.2003 (zur Flugzeugbranche, Forderung von EADS/Airbus); Der Spiegel 15/2003 (zu Irak, Iran, Saudi-Arabien).
Dollar-Anlagen außerhalb der USA: Die japanische Zentralbank hält Reserven in US-Währung in Höhe von 462 Milliarden US-Dollar, darunter US-Staatsanleihen im Wert von 363 Milliarden US-Dollar. Chinas Zentralbank hielt Anfang 2003 Dollar-Währungsreserven in Höhe von 271 US-Dollar, darunter befanden sich US-Staatsanleihen in Höhe von 102 Milliarden US-Dollar. Nach: Spiegel 15/2003.
Bankenkrise: Im Juli 2002 hatte der Fall von US-Bankaktien an der Wall Street einen Kurssturz ausgelöst; JP Morgan und Citigroup befanden sich im Strudel der "Vertrauenskrise" ("Enronitis") und mussten faule Kredite in Milliardenhöhe abschreiben. Im April 2003 meldete die Deutsche Bank einen Verlust für das erste Quartal 2003 und die Notwendigkeit, erhebliche Wertberichtigungen vornehmen zu müssen. Zum gleichen Zeitpunkt bemüht sich die deutsche Assekuranz, eine Auffanglösung für die vom Konkurs bedrohte Versicherungsgesellschaft Mannheimer Lebensversicherung zu finden. Schließlich entschlossen sich zum selben Zeitpunkt alle deutsche Großbanken, Kredite in Höhe von mindestens 50 Milliarden Euro in eine "Spezialgesellschaft" auszulagern. Die allseits vorgetragene Betonung, es handle sich "nicht um eine Bad Bank, nicht um eine staatliche Auffanggesellschaft für faule Kredite", ist unglaubwürdig. Angaben nach: Financial Times Deutschland vom 23.4.2003 ("Bad Bank"), vom 27.4.2003 (Mannheimer Lebensversicherung, Deutsche Bank-Quartalsverlust) und vom 24.7.2002 (US-Banken).
Deflation/Depression: Die Welt vom 2.8.2002 (Roach); Frankfurter Rundschau vom 23.11.2002 (US-Notenbank); Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.11.2002 (Flassbeck/Bofinger); Financial Times Deutschland vom 20.12.2002 (Ifo).
OPEC-Tagung vom 24.4.2003: Wall Street Journal vom 8.4.2003 (Zitat); Handelsblatt vom 24.4.2003 und Berliner Zeitung vom 25.4.2003 (Diskussion und Beschlüsse in Wien); Financial Times Deutschland vom 31.3.2003 (zur Öltagesförderung und saisonalen Entwicklung der Ölnachfrage).
US-Ziele im Irak-Krieg: Financial Times Deutschland vom 21.2.2003 (niedriger Ölpreis und Steigerung der irakischen Ölförderung); Financial Times Deutschland vom 8.1.2003 (Zeise-Zitat); Financial Times (London) vom 25.2.2003 (Martin Wolf).
Ölförderung und Ölkonzerne nach Daniel Yergin, Der Preis. Die Jagd nach Öl, Geld und Macht, Frankfurt/M. 1991, S.802; Financial Times vom 23.4.2003 (zu YukosSibneft); Financial Times Deutschland vom 17.2.2003 und Wall Street Journal vom 9.4.2003 (Erwartungen der Ölkonzerne); Neues Deutschland vom 12.4.2003 (Dossier zu Privatisierungen).
Spezifisches Gewicht der Öl- und Autoindustrie in der Weltwirtschaft: Vgl. Winfried Wolf, Fusionsfieber. Das grosse Fressen, Köln 2000 (PapyRossa), S.55ff. Vergleicht man den Anteil der Öl- und Autoindustrie einschließlich Luftfahrt und Rüstung unter den 50 größten Industriekonzernen der Welt im Zeitraum 1976 bis 2000, dann ergibt sich. Die dieser Gruppe der Öl-Auto-Flugzeug-Industrie zuzurechnenden Konzerne vereinten unter den 50 größten Industriekonzernen der Welt 1976 einen Anteil von 67 Prozent auf sich. Im Jahr 2000 lag der Anteil derselben Gruppe bei den 50 größten Industriekonzernen bei 60 Prozent. Trotz des Aufstiegs der Elektro- und Elektronik-Industrie (1976 = 13%; 2000 = 28%) blieb das Gewicht dieser um den Rohstoff Öl gruppierten Industrien weitgehend erhalten. Berechnungen nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.8.1977 (für die 1976er Daten) und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.7.2001 (für die 2000er Daten).
US-Regierung und Ölgeschäft: George W. Bush war Manager der Ölfirmen Arbusto/Bush Exploration (1978-1984) und Harken (1986-1990). Vize Dick Cheney war Chef des weltweit größten Öl-Dienstleisters Halliburton (1995-2000). Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice saß im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Chevron (1991-20000). Der Energieminister in der Bush-Administration, Spencer Abraham, war zuvor Senator in Michigan und wurde von der US-Autoindustrie gesponsert. Donald Evans, Handelsminister unter George W. Bush, war Präsident der Erdölgesellschaft Tom Brown (1979-2000). Die Innenministerin im Bush-Kabinett, Gale Norton, arbeitete vor ihrem Regierungsjob als Anwältin und Beraterin für Energieunternehmen. Nach: Der Spiegel 3/2003. Ergänzend sei darauf verwiesen, daß die Öl-, Auto- und Rüstungskonzerne auch in westeuropäischen Regierungen mit am Tisch sitzen. Der führende französische Ölkonzern Ef Aquitaine inzwischen Total Fina Elf hat Anfang der 1990er Jahre maßgebliche politische Entscheidungen (Leuna-Minol) der französischen und der bundesdeutschen Regierung gekauft. Die letzten Kabinette unter Bundeskanzler Kohl waren von Lobbyisten der Rüstungsbranche und der Autoindustrie durchsetzt (Staatssekretäre Pfahls und Riedl; CDU-Schatzmeisterin Baumeister). Im ersten Kabinett unter Kanzler Schröder (1998-2002) konnte der Rüstungslobbyist Hunzinger u.a. Verteidigungsminister Scharping zu dem Zeitpunkt sponsern, als die Bundeswehr in ihren ersten Kriegseinsatz entsandt wurde.
Angaben zu Mays/Clear Channel nach: Süddeutsche Zeitung vom 16.4.2003.
Shock & awe: Das Wort "awe" meint im archaischen Englischen "power to inspire fear or reference" die Macht, Furcht oder Ehrfurcht hervorzurufen. Nach: The Random House College Dictionary, New York 1973, S.94.
Blitz-Krieg: Ende Januar hielt US-Verteidigungsminister D. rumsfeld an der National Defence University in Fort McNair einen Vortrag, in dem er ausführte: "Im Zweiten Weltkrieg revolutionierte der deutsche Blitzkrieg die Kriegführung. Die Deutschen sahen, dass di Zukunft nicht bei riesigen Armeen und endlosen Grabenkriegen lag, sondern vielmehr in den kleinen, hoch qualitativen und beweglichen Stoßtruppen, die von der Luftwaffe unterstützt wurden und mit ihr abgestimmt blitzartige Schläge gegen den Feind führen konnten." Nach: Süddeutsche Zeitung vom 14.4.2003. Die Parallele zur NS-Zeit hat wohlgemerkt der US-Verteidigungsminister gezogen. Jede politische Parallele zwischen der US-Politik und derjenigen des NS-Regimes ist falsch und führt objektiv dazu, die historisch unvergleichlichen NS-Verbrechen zu relativieren.
OECD-Prognose für BRD 2003: Die OECD senkte ihre Wachstumsprognose für die BRD und für 2003 von 1,5 auf 0,3 Prozent. Financial Times Deutschland vom 27.4.2003. Zuvor hatten die Wirtschaftsinstitute in der Frühjahrsprognose das erwartete BRD-Wachstum auf 0,4 Prozent taxiert. Handelsblatt 8.3.2003. Dagegen hielt Wirtschaftsminister Clement zum selben Zeitpunkt an der unrealistischen Prognose von 0,75 % BIP-Wachstum fest (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.4.2003).
Irak-Krieg war 2001 geplant: Bod Woodward, Bush at War Amerika im Krieg, Stuttgart und München 2003 (DVA), S.65 und S.98. Über die Sitzung des Sicherheitsrats vom 12.9.2001 schreibt Woodward, dessen Buch man als halboffizielle Geschichtsschreibung aus Sicht der US-Regierung bezeichnen darf: "Rumsfeld schnitt die Frage de sIrak an. Warum sollten wir nicht auch den Irak angreifen, statt nur Al-Qaida? Fragte er. Rumsfeld sprach nicht nur für sich, als er die Frage aufwarf... Vor den Anschlägen hatte das Pentagon seit Monaten an der Entwicklung einer militärischen Option für den Irak gearbeitet. Alle am Tisch sahen im irakischen Präsidenten Saddam Hussein eine Bedrohung... Ein ernstgemeinter, umfassender Krieg gegen den Terrorismus würde den Irak irgendwann ins Visier nehmen müssen" (S.65).
Nachkriegs-Irak nach: Die Welt vom 8.4.2003 und Financial Times vom 3.4.2003 (Disput Powell/Rumsfeld); Wall Street Journal vom 28.4.2003 (Zitat); Neues Deutschland vom 9.4.2003 (Garner-Vita); Frankfurter Allgemeine Zeitung und Financial Times Deutschland vom 5.5.2003; Süddeutsche Zeitung vom 16.4.2003 (Zusammensetzung der Übergangsverwaltung).
Gardner-Team nach: Süddeutsche Zeitung vom 16.4.2003 und Die Wirtschaftswoche vom 24.4.2003. Ergänzend seien genannt: Als Gebietsgouverneur für den Nord-Irak wird Bruce Moore genannt, ein General a.D., der als US-Militär maßgeblich den US-Einsatz in Somalia 1995 kommandierte. Als Gouverneur für den Südirak wird General a.D. Buck Walters, der in Vietnam gedient hatte, genannt. Für die "Säuberung der irakischen Verwaltung von Saddam-Anhängern" ist Michael Mobbs vorgesehen. Er arbeitete bisher überwiegend als Rechtsanwalt für das Pentagon. Die Reorganisation des irakischen Rundfunks soll Robert Reilly besorgen. Dieser war Chef des US-Propaganda-Senders Voice of America.
Neue US-Militärbasen im Irak nach: Financial Times vom 22.4.2003. Genannt werden die bisherigen irakischen Luftwaffen-Basen Bagdad International Airport, im Süden Tallil bei Nasiriyah, im Norden Bashur bei Arbil und im Westen die isoliert gelegene Basis "H 1" in direkter Nähe zur syrischen Grenze.
Stationierung der US-Armee im Irak nach: Die Welt vom 8.4.2003 und Financial Times Deutschland vom 24.4.2003. Interessant ist, daß die erstgenannte Quelle ein Beitrag von James Schlesinger, dem ehemaligen US-Verteidigungsminister und CIA-Chef, ist. Schlesinger, Mitglied der Demokratischen Partei, plädiert in diesem Beitrag ebenfalls für ein "langfristiges amerikanisches Engagement" im Irak. Die Differenzen im US-Establishment über den US-Krieg gegen den Irak und die Rolle, die die USA dort in der Nachkriegsordnung spielen sollen, sind offensichtlich nicht allzu groß.
Kriegsökonomie nach: Süddeutsche Zeitung vom 29.3.2003 (Ummr Kasr und Mobilfunk-Netz nach US-Standard CDMA); Financial Times Deutschland vom 7.4.2003 und 22.4.2003 (Bechtel/Krankenhäuser und Infrastruktur); Die Wirtschaftswoche vom 24.4.2003 (Ferrostahl/MAN).
Plünderungen nach: Süddeutsche Zeitung vom 14.4.2003 ("Es soll Plünderer gegeben haben, die sich (im Nationalmuseum; W.W.) gut ausgekannt haben müssen: Sie haben gezielt zugegriffen. Offenbar mühelos konnten se zu den Tresorkammern vordringen"); Süddeutsche Zeitung vom 4.4.2003 (Zitat aus "Science"); junge Welt vom 17.4.2003 (Bezug auf Fisk/"Guardian").
Kriegsbudget nach: Süddeutsche Zeitung vom 24. und 25.3.2003. Interessant ist, daß im Herbst 2002 Lawrence Linsay, der damals wichtigste wirtschaftspolitische Berater von US-Präsident George W. Bush, in einem Interview mit dem Wall Street Journal geäußert hatte, der anstehende Krieg gegen den Irak würde "bis zu 200 Milliarden US-Dollar" kosten. Dies hatte in der US-amerikanischen Öffentlichkeit heftige Debatten ausgelöst und zunächst dazu beigetragen , daß ein Teil des US-Establishments auf Distanz zu Bushs Kriegsplänen ging. Linsay wurde kurz darauf wegen dieser Äußerungen gefeuert. (Vgl. Financial Times Deutschland vom 17.9.2002).
Irakische Altschulden: Die privaten und staatlichen Schulden des Irak werden auf 60 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Hinzu kommen unbezahlte Reparationsansprüche Kuwaits aus dem Golfkrieg von 1990/1991 in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar. Damit dürfte allein die Verzinsung dieser addierten Schulden höher sein als die möglichen Einnahmen aus dem irakischen Ölexport, die auf jährlich 14 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Von den Auslandsschulden entfallen 12 Milliarden auf russische, 17 Milliarden auf kuwaitische (ohne die genannten Reparationsforderungen) und 2,6 Milliarden US-Dollar auf französische Gläubiger.
Angaben nach: Business Week 12.4.2003; Süddeutsche Zeitung vom 14.4.2003.
Kriegstechnik: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.4.2003 (Reinhardt);
Energiebericht: National Energy Policy, vorgelegt von der National Energy Policy Development Group, Washington D.C., (www.whitehouse.gov/energy). Vgl. Winfried Wolf, Afghanistan, der Krieg und die neue Weltordnung, a.a.O., Kapitel 4 und 5 (S. 52ff).
Zitat Klare: Michael T. Klare, "Schnell, mobil und tödlich", in: Le Monde Diplomatique, deutsche Ausgabe, 11/2002.
US-Militärstrategie während des Krieges gegen Jugoslawien: Vgl. Winfried Wolf, Bombengeschäfte. Zur politischen Ökonomie des Kosovo-Kriegs, Hamburg 1999 (Konkret Literatur Verlag), S.142ff.
Jamani nach: Der Spiegel 3/2003.
Thomas Klau in: Financial Times Deutschland vom 6.2.2003.
Zu den neuen regionale Krisenerscheinungen nach dem Irak-Krieg: Financial Times Deutschland vom 9.4.2003 (Türkei, Jordanien, Syrien); Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.4.2003 (Syrien). Die Türkei ist nach dem Irak-Krieg von einem rückläufigen Handel mit dem Irak und von Einbrüchen im Tourismus getroffen. Vor allem drohen die dringend benötigten Milliarden-Hilfen des IWF auszubleiben.
Rüstung und kapitalistische Wirtschaft: Vgl. Winfried Wolf, Bombengeschäfte. Zur politischen Ökonomie des Kosovokriegs, a.a.O., S.... In einer neuen bürgerlichen Veröffentlichung kommen die Autoren zu einem vergleichbaren Ergebnis. Vgl. Joshua Aizenman und Reuven Glick, Federal Reserve Bank of San Francisco, Military Expenditure, Threats, and Growth, NBER Working Paper Nr. 9618, April 2003.
Marx-Zitat zu Kapital und Wachstum nach: K. Marx, Das Kapital, Band I, Stuttgart 1919, S.528.
Williamson nach: Financial Times Deutschland vom 31.3.2003; Friedrich Egels nach: F. Engels, MEW Band 20, S.453.
World Trade Center-Schrott nach Indien: Spiegel 7/2002; US-Schrott nach China: Wall Street Journal vom 9.4.2003. Beispiel für die grotesken Marktsignale im Verkehrssektor ist die Tatsache, dass britische Verlage seit Auftreten der Billigfliegerei ihre Repräsentanten auf der Frankfurter Buchmesse oft Tag für Tag die Distanz London-Frankfurt/M-London fliegen lassen, da die Preise für Tickets unter diejenigen der Frankfurter Hotelübernachtungen gesunken sind.
Sommer nach: Handelsblatt vom 2.5.2003.
Arm-Reich nach: Die Woche vom 28.1.2000 (Weltbruttoinlandsprodukt; Basis: Human Development Report Office); Süddeutsche Zeitung vom 2.5.2001 (1,2 Milliarden Menschen = 1 Dollar pro Tag).
Putzhilfen nach: Süddeutsche Zeitung vom 17.4.2003; Schmidt/Sterbegeld nach Neues Deutschland vom 28.4.2003.
Marx zu Arbeit nach: Karl Marx, Ökonomisch-Philosophische Manuskripte, Marx-Engels, Ausgewählte Werke, Band I, S.91. Man vergleiche den berechtigten Frust der Sozialhilfeempfänger, die zu Arbeiten in städtischen Parks zu Niedrigstlöhnen veranlasst werden, mit der Innbrunst, mit welcher Hundertausende Menschen jahraus, jahrein ihre Schrebergärten und Datschen pflegen. Man vergleiche den Streß der Beschäftigten in Softwarefirmen und Halbleiterfabriken mit der Hingabe, mit der Hunderttausende in ihrer Freizeit sich als unbezahlte Software-Spezialisten im Bekanntenkreis engagieren. Man vergleiche die Ignoranz vieler Beschäftigter bei der Deutschen Bahn AG gegenüber den Fahrgästen, die überwiegend der schlechten Bezahlung und dem Mißmanagement des Topmanagement geschuldet ist, mit der Hingabe, die Zehntausende Mitglieder von Eisenbahner-Vereinen auf ehrenamtllicher Basis zur Restaurierung von Waggons, Loks und zur Wiederinbetriebnahme aufgelassener Eisenbahnstrecken aufbringen. In den drei erstgenannten Fällen wird die Arbeit als Entfremdung und Zwang empfunden, in den drei zweitgenannten Fällen wird die "Freizeit-Arbeit" als sinnvoll, kreativ und erfüllend betrachtet.
Marx/Maulwurf nach: MEW, Band 8, Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, S.196.
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