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Updated: 18.12.2012 15:51
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" ... des Lied ich sing!

Das Frühjahrsgutachten der Institute zur Konjunktur. Eine Kritik von Winfried Wolf *

Eigentlich kann man bereits auf Seite 2 lesen, um was es sich handelt - um einen "Dienstleistungsauftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie". Doch nach außen firmiert die am 17. April 2008 erstmals vorgestellte 80-Seiten-Studie als "Frühjahrsprognose der Forschungsinstitute" zur weltweiten und deutschen Konjunktur. Sie gilt als Ausdruck des geballten wirtschaftspolitischen Sachverstands, zumal bei dieser regelmäßig im Frühjahr Zeitpunkt vorgelegten Studie inzwischen acht Konjunkturforschungs-Institute in München (Ifo), Halle (IWH), Düsseldorf (IMK), Essen (RWI) und Kiel (IfW), Zürich (KOF) und Wien (Wifo und Institut für höhere Studien) kooperieren.

Beim Studium der gewichtige Schrift drängt sich die Erkenntnis auf: Am Ende dominiert nicht die Wirtschaftswissenschaft, wohl aber die Politik. vier Lehren, die aus dem Gutachten zu ziehen sind, verdeutlichen dies.

Lehre Nummer eins. Eine eher kritische und eher objektive Sicht dominiert bei der Beschreibung der US-Ökonomie. Doch Auswirkungen auf die EU und die deutsche Ökonomie werden bestritten.

Die US-Ökonomie wird "am Rande der Rezession" gesehen. Die Immobilienkrise in Nordamerika ist weitgehend zutreffend beschrieben. Es gibt auch den Hinweis, dass "in der Vergangenheit massive Rückgänge der realen Immobilienwerte häufig mit einer gesamtwirtschaftlichen Rezession einhergegangen" sind (S.17). Dennoch soll es "kein Szenario einer ausgeprägten Rezession" (in den USA) geben. Vor allem soll die Weltwirtschaft von den US-Krisentendenzen wenig beeinflusst werden. Der Welthandel soll 2008 nochmals um fünf Prozent zulegen - u.a. wegen der "kräftigen Impulse von Seiten der amerikanischen Wirtschaftspolitik" und der "hohen Wachstumsdynamik der Schwellenländer". Dieselben Institute, die an dieser Stelle das US-Konjunkturprogramm positiv bewerten, lehnen es für Europa ab (siehe Lehre Nummer vier). Sie sprechen den Schwellenländern, vor allem China und den übrigen asiatischen Boomstaaten, ein Gewicht zu, das ihnen nicht zukommt. Gleichzeitig negieren sie das reale Gewicht der USA der Weltökonomie. Nordamerika - die USA und das mit den USA eng verflochtene Kanada - trägt zu 30 Prozent zum Weltsozialprodukt bei. Das Gewicht Chinas liegt bei fünf Prozent, alle asiatischen Staaten zusammengenommen bringen es auf 24 Prozent. Eine Krise in den USA muss massive Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft haben, zumal ein gutes Fünftel der Exporte Chinas und ein knappes Viertel der Exporte der EU in die USA gehen.

Lehre Nummer zwei. Es gibt nur in den USA eine Finanz- und eine Immobilienkrise. Die EU ist immun gegen derlei Gefährdungen.

Die teilweise zutreffende Beschreibung der Finanz- und Immobilienkrise in den USA steht in schroffem Kontrast zur Beschönigung vergleichbarer Gefährdungen in der EU. Trotz Krisenerscheinungen im EU-Finanzsektor sei "ein dämpfender Einfluss ... auf die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum ... nicht erkennbar" (S.25) Die "Schwankungen des Immobilienvermögens haben im Euroraum einen geringeren Einfluss auf den privaten Konsum als in den USA" (S.27). Ja, in Spanien sei das Ende des Immobilienbooms "eine großen Herausforderung für die Wirtschaft" (S.31). Tatsächlich entfallen zehn Prozent der bisher bekannt gewordenen weltweiten Abschreibungen, die Finanzinstitute in Folge der Bankenkrise vornehmen mussten, allein auf deutsche Banken (80 von 800 Milliarden US-Dollar). Der Anteil, der dabei auf die europäischen Institute fällt, dürfte bei mehr als einem Drittel liegen. Tatsächlich ist die jeweilige Blase im spanischen, irischen, britischen und teilweise auch französischen Immobiliensektor ähnlich groß und bedrohlich wie in den USA Anfang 2007. Damit bedroht die Finanz-und Immobilienkrise in der EU auch direkt die Konjunktur in diesem Wirtschaftsraum. Die Gutachter schreiben das Gegenteil: "Im kommenden Jahr dürfte sich die Konjunktur im Euroraum wieder beleben, weil die Belastungen durch die Finanzkrise abklingen" (S. 28).

Lehre Nummer drei. Besonders gut steht die deutsche Wirtschaft da.

Sie ist quasi wetter- und krisenfest. Im Frühjahrsgutachten heißt es auf Seite 33: "Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren robuster geworden, so dass die Gefahr einer Rezession heute geringer ist." Diese Aussage wird im wesentlich durch zwei Faktoren "belegt". Erstens habe sich die "internationale Wettbewerbsfähigkeit (Deutschlands) verbessert" Und zweitens habe sich das "Wachstum des Produktionspotentials in den letzten Jahren beschleunigt, so dass konjunkturelle Abschläge vom Potentialwachstum nicht mehr so schnell zu einem Rückgang der Produktion führen." In Wirklichkeit bedeutet der Aufbau größerer Kapazitäten, zu dem es 2006 und 2007 kam, dass jeder Produktionsrückgang schnell deutliche Überkapazitäten mit sich bringt. Die unausgelasteten Kapazitäten werden massiv auf die Gewinne drücken und können zusätzlich zu Produktionsrückgängen führen. Auch das Argument der größeren Wettbewerbsfähigkeit kann entgegengesetzt interpretiert werden: Da der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt von 33 Prozent im Jahr 2000 auf 47 Prozent 2007 stieg (und im Frühjahr 2008 bei knapp 50 Prozent lag!), ist die BRD-Ökonomie extrem abhängig vom Welthandel und im Fall einer Krise in Nordamerika und eines Rückgangs des Welthandels (oder auch nur eines deutlich geringeren Wachstum desselben) außerordentlich verwundbar.

Lehre Nummer vier. Im Gutachten wird Pseudowissenschaft für eine Klassenkampfpolitik von oben eingesetzt.

Die Institute behaupten, 2008 würden "die real verfügbaren Einkommen" zu einer "Kräftigung des Konsums" führen. Das soll die Gemüter beruhigen und die Lohnforderungen der Gewerkschaften dämpfen. Tatsächlich ergeben auch die jüngsten Tarifabschlüsse im besten Fall einen Reallohnstillstand, wenn dabei die deutlich (auf drei Prozent) angestiegene Inflation berücksichtigt wird. So heißt es dann auch ausdrücklich: "Kontraproduktiv wirkt, dass Vertreter der Politik ... dafür plädieren, die Löhne stärker zu erhöhen" (S. 66). In Wirklichkeit werden im Verlauf des Jahres 2008 die bisherigen Konjunkturstützen Export und Investitionsboom weg brechen, so dass ein deutlicher Anstieg der Massennachfrage der einzige wirksame Schutz vor einer Rezession wäre.

Ähnlich politisch motiviert ist die dezidierte Stellungnahme des Frühjahrsgutachtens gegen Mindestlöhne. Die Guachter argumentieren selbst dannggen Mindestlöhne, "wenn diese nur bei 4,50 Euro pro Stunde liegen" würden (S. 65 und S. 8). Mit Blick auf derart absurd und unmoralisch niedrige Mindestlöhne heißt es: "Damit würde man der Politik ein Instrument in die Hand geben, das zunehmend in Wahlkämpfen eine Rolle spielen dürfte." Im Klartext: Die Bevölkerung darf erst gar nicht die Chance bekommen, direkt - "in Wahlkämpfen" - auf "die Wirtschaft" Einfluss zu nehmen. Die Passagen gegen Mindestlöhne und gegen einen Anstieg der Realeinkommen der abhängig Beschäftigten dienen objektiv der Aufrechterhaltung einer sich verschärfenden gesellschaftlichen Spaltung, in der die Reichen immer Reicher und das untere drittel der Bevölkerun deutlich ärmer wird. Vornehmer ausgedrückt: Die Lohnquote liegt in Deutschland auf einem historisch niedrigen Niveau; die Gewinnquote erreichte einen Rekordstand.

Schließlich heißt es am Anfang und am Ende der Studie: "Derzeit wird ... gefordert, auch in Deutschland solle ... aufgrund der sich abschwächenden wirtschaftlichen Dynamik ein Konjunkturprogramm aufgelegt werden." Dagegen wird vorgebracht: "Aktionismus ist schon allein deshalb nicht angebracht, weil nach Einschätzung der Institute ... eine Rezession in Deutschland wenig wahrscheinlich ist."

Das ist pure Tautologie. Die Herren Konjunkturforscher drehen sich im Kreise. Zuerst tragen sie fragwürdige Argumente zusammen, wonach es zwar Krisenerscheinungen an vielen Orten des Globus geben mag, diese jedoch den EU-Raum kaum und Deutschland nicht negativ treffen werden. Da es also in der EU und in Deutschland keine Rezession geben wird, weil es eine Krise nicht geben darf, ist auch ein Konjunkturprogramm abzulehnen. Ja, die brandgefährliche, den Abschwung verstärkende Haushaltspolitik der Bundesregierung wird gelobt. Es gebe "keinen Grund, die Konsolidierung als abgeschlossen anzusehen." (S.67).

Eingangs schrieb ich, die Studie sei ein "Dienstleistungsauftrag", ein Gefälligkeitsgutachten. Das ist natürlich ungerecht und polemisch. Während die Bundesregierung für das Jahr 2008 von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts in Höhe von 1,7 Prozent ausgeht, haben die Gutachter errechnet, dass das BIP um 1,8 Prozent wachsen wird.

Lunapark21 - Eine Kritik von Winfried Wolf, erschienen in Lunapark21 - "Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie" - Nummer 2, exklusiv im LabourNet Germany

Zur gesamten, neuen Nummer 2 siehe die Homepage der Zeitschrift externer Link

Lunapark21. Neue - nein: ERSTE! - "Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie"

Seit Mitte Februar gibt es die erste Ausgabe einer vierteljährlich erscheinenden Publikation, die einen großen Teil der globalisierungskritischen Themen abdeckt. "Lunapark21 - (die) Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie" wolle, so ihr Chefredakteur Winfried Wolf, "den aktuellen Kapitalismus erklären und dabei auch ´basics` verständlich machen". Man verstehe sich zwar als "links und radikal", doch die antikapitalistische Ausrichtung des Blattes ergebe sich "aus den Inhalten, sie kommt nicht als Dogma daher". Das Timing hätte dabei kaum besser sein können: Das erste, 72 Seiten umfassende Heft erschien just zu dem Zeitpunkt, als die vom US-Häusermarkt ausgehende Finanzkrise (bedrohliche) internationale Dimensionen annahm und die Realwirtschaft erfasste. So trug der Schwerpunkt von Nr. 1 den Titel: "Vorsicht Konjunkturschlag! Von einstürzenden US-Neubauten zur weltweiten Rezession". In der im Mai erschienenen Nummer 2 gab es Schwerpunkte zu den Themen Keynesianismus und Irak-Kriegs-Bilanz ("Öl als Beute").

Jede Ausgabe der Zeitschrift enthält Artikel zu festen Ressorts wie "Soziales & Gegenwehr" (verantwortlich in diesem Bereich: Daniel Behruzi), "Umwelt, Energie & Verkehr" (Wolfgang Pomrehn), "Feminismus und Ökonomie" (Gisela Notz), "Ökonomie Europa & global" (Sebastian Gerhardt), "Geschichte & Ökonomie" (Thomas Kuczynski), "Kultur & Gesellschaft" (Andrea Marczinski) oder "Ökonomie des Krieges" (Winfried Wolf) enthalten. Doch offensichtlich geht es nicht allein um die Analyse des Bestehenden, sondern erfreulicherweise auch um die Notwendigkeit des Veränderns. Das kommt bereits bei den Beiträgen im Ressort "Globalisierung & Kritik" zum Ausdruck; exemplarisch aber vor allem mit der festen Rubrik "Der subjektive Faktor", in der Beispiele des antikapitalistischen und globalisierungskritischen Engagements vorgestellt werden. In der ersten LP21-Ausgabe wurde hier die Kampagne "Bahn für Alle", in der zweiten der Arbeiterchor beim Konzern Alstom in Manheim präsentiert.

Und wie kommt es zu dem Namen? "In einem Lunapark treffen sich Leute. Dort gibt es einfach fast alles - bei LP21 gibt es so gut wie alles im Bereich der Kritik der globalen Ökonomie". So Hannes Hofbauer, einer der Promotoren von LP21, im Hauptberuf verantwortlich für den in Wien ansässigen Verlag Promedia. Im übrigen könne in einem solchen Park auch geträumt werden - von einer möglichen anderen Welt. Geboten werde eine Ideenwerkstatt zu Gegenwehr und Utopie. Und natürlich könne man bei diesem Engagement - wie beim Treiben in einem echten Lunapark oder auf einem Rummelplatz - auch Spaß haben, wie ja auch beim G-8-Widerstand in Heiligendamm versucht wurde, mit Clowns subversiv-kreativ zu wirken. Der Schauspieler Rolf Becker, der in der ersten Ausgabe in der Rubrik "LunaLuna" die Aufgabenstellungen von LP21 umriß, deutete in seinem fulminanten Beitrag an, wie schmerzhaft, wie leidenschaftlich und wie lustvoll die "Kritik der globalen Ökonomie" ausfallen kann. Eckart Spoo schrieb in Nummer zwei in seinem Beitrag in der Rubrik LunaLuna": "Ohne Phantasie lässt sich der Kapitalismus nicht ergründen und nicht überwinden. Von Lunapark21 wünsche ich uns, dass die Lektüre viel Phantasie anregt.

Lunapark21 erscheint vier Mal im Jahr mit jeweils 72 Seiten; der Preis für das Normalabo liegt bei 22 Euro (vier Ausgaben). Das Sozialabo kostet 16 Euro. Die aktuelle Nr. 1 kann man kostenlos beziehen. Nähere Angaben siehe unter: www.lunapark21.net externer Link oder LP21, Hubertusallee 42/44, 14193 Berlin. LP21 ist auch über den Attac-Shop beziehbar


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