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Updated: 18.12.2012 15:51
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Französischsprachiges Afrika: Fortgesetzte Massenproteste gegen zu teure Nahrungsmittel (Senegal, Gabun, ..)

Die Straßenproteste, Gewerkschaftsdemonstrationen und Riots gegen - für viele Einwohner fast unerschwinglich - teuer gewordene Nahrungsmittel und Grundbedarfsgüter gehen in vielen afrikanischen Länder mit unverminderter Heftigkeit weiter.

Zuletzt demonstrierten am Samstag mehrere tausend Senegalesinnen und Senegalesen in der Hauptstadt Dakar "gegen das teure Leben". Die Veranstalter/innen sprachen von 5.000 bis 6.000 DemonstrantInnen. Aufgerufen hatte dazu das Oppositionsbündnis "Front Siggil Senegaal" 
(Front für einen aufrechten Senegal). Die Teilnehmer/innen riefen u.a. Slogans gegen den amtierenden, bürgerlich-wirtschaftsliberalen Präsidenten Abdoulaye Wade wie etwa: "Der Reis ist teuer, geh' (tritt ab)!" Zahlreiche Demonstranten trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Wir haben Hunger, es reicht!" oder schwenkten Reissäcke und Kochtöpfe.

Zuvor hatten am Freitag bereits ein paar hundert DemonstrantInnen einen Aufruf des senegalesischen Gewerkschaftsbunds FGTS ( Fédération générale des travailleurs sénégalais ) befolgt, und waren bis vor die Absperrgitter vor dem Zugang zum staatlichen Fernsehsender RTS ( Radio-télévision sénégalaise ) gezogen. Die senegalesische Tageszeitung Le Quotidien sprach daraufhin von einem "ersten Meilenstein auf dem Weg zur sozialen Radikalisierung" (vgl. http://www.lequotidien.sn/articles/article.CFM?article_id=52119# externer Link).

Am selben Tag rappelte es auch in der Hauptstadt der Republik Gabun, Libreville. Dies ist umso bemerkenswert, als die Bevölkerung in Gabun - ein erdölreicher Staat mit nur 1,2 Millionen Einwohner, ungefähr von der Größe der Bundesrepublik - bislang relativ von Armut und den Folgen der Teuerung verschont blieb. Die Betonung liegt auf "relativ", da die Einkommen und Güter zugleich extrem ungleich verteilt sind und sich der Clan um den Staatspräsidenten Omar Bongo - seit 41 Jahren (Januar 1967) im Amt und damit der dienstälteste Präsident des afrikanischen Kontinents, und eine der Hauptstützen des französischen Neokolonialismus - auf unverschämteste Weise selbst bereichert. Aber die autoritäre Herrschaft des Omar Bongo-Clans bildete dennoch bislang eine eher "sanfte Diktatur", da sie in der Regel die Mittel hat, um sich mittels ausgeprägter Klientelwirtschaft "den sozialen Frieden zu kaufen". Ab und zu kommt es dennoch zu offener Repression, wie nach einem Mord an einem Oppositionspolitiker im Mai 1990 in der Haftenstadt Port-Gentil, in dessen Folge Unruhen ausbrachen, die damals u.a. durch französische Fallschirmjäger niedergeschlagen wurden.

Nunmehr scheint diese Art von autoritärer Krisenverwaltung an ihre Grenzen zu stoßen, denn infolge der Teuerung kommt es nun auch in der Hauptstadt Libreville zu massiven Protesten. Dort zogen am Freitag die Demonstrantinnen, die einen Aufruf einer Koalition von NGOs unter dem Namen "Koalition gegen das teuere Leben" befolgt hatten, vom alten Busbahnhof aus durch die Stadt. Am Ausgangspunkt der Protestdemonstration schossen zunächst Polizisten Tränengasmunition in die Menge. Kurz darauf schlugen die uniformierten Terroristen, ähem, "Sicherheitskräfte" einen Kameramann - Claude Ada Mboula, der für den in Gabun ansässigen privaten TV-Sender ,Télé Africa' arbeitet - sowie mehrere Mitglieder des o.g. Bündnisses ,Coalition contre la vie chère' zusammen. Unter ihnen Robert Menie von der Gewerkschaft der Transportarbeiter auf dem Landweg (SYLTEG). (Vgl. http://www.gabonews.ga/actualite/actualites_2007.php?Article=2691 externer Link)

Der Protest der von NGOs gebildeten Koalition warf seinen Schatten auf die Kommunalwahlen in Gabun, die am Sonntag stattfanden. Bei ihnen versuchte die Präsidentenpartei PDG ( Parti démocratique gabonais ), mit oder ohne Wahlbetrug, einmal mehr die große Mehrheit der Rathäuser davon zu tragen. Doch die Oppositionskräfte versuchten, die Konsequenzen der wachsenden Teuerung und das sich ausbreitende Elend massiv zum Thema zu machen. Die Resultate der Wahl werden nicht vor einigen Tagen bekannt werden. Aber das in Libreville und Paris ansässige ,Radio Africa Numéro Un' berichtete am Montag früh, der Wahlsonntag sei vor allem durch eine massive Wahlenthaltung geprägt gewesen. In Anbetracht der Praktiken der PDG-Mafia und des verbreiteten Wahlbetrugs dürften die meisten Einwohner/innen des zentralafrikanischen Landes eher auf NGOs oder Gewerkschaften denn auf die Urnen vertrauen.

Artikel von Bernard Schmid vom 28.4.08


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