letzte Änderung am 26. Sept. 2002

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Aufruf zur Legalisierung aller sans papiers in Europa

Die Situation der illegalen ImmigrantInnen, der sogennaten "Sans Papiers ", die ein immer wiederkehrendes Problem in Frankreich bildet, ist keine nationale Besonderheit. Überall in Europa warten Menschen in einer ähnlich auswegslosen Situation auf ein besseres Schicksal. Es ist diese europäische Ebene, auf der sich die Fragen stellen; es ist Europa, das darauf eine Antwort finden muss.

Den sans-papiers, die seit mehreren Wochen ein weiteres Mal ihre Stimme erheben, begegnet die französische Regierung mit einer Anweisung an die Präfekte, die Anträge auf Legalisierung von Fall zu Fall zu überprüfen und dabei die "menschliche und soziale Ebene" zu berücksichtigen. Der Innenminister, Nicolas Sarkozy, der sich damit rühmt, eine "ausgewogene" und "den Interessen Frankreichs entsprechende" Politik in der Frage der Immigration vorzuschlagen, verspricht ein Gesetz, das der Regierung "die juristischen Mittel" in die Hand geben wird, "die Phänomene einzudämmen, die die Franzosen verständlicherweise zur Verzweiflung bringen." Dennoch muss man zugestehen - angenommen, dass dies ins Auge gefasst wird -, dass die Zurückweisung der Gesamtheit der sanspapiers vom materiellen, wirtschaftlichen oder einfach menschlichen Standpunkt her gesehen undurchführbar ist. Und was soll mit denen geschehen, die nicht legalisiert werden?

In diesen Erklärungen wird keine Anspielung auf die europäische Dimension der Frage gemacht, die doch eigentlich jegliche Initiative der EU-Mitgliedsstaaten in der Frage der Asyl- und Immigrationspolitik leiten sollte.

Im Rahmen der Tagung des Europarats in Sevilla im Juni 2002, wo die zukünftige, gemeinsame Immigrations- und Asylpolitik einen großen Raum eingenommen hatte, wurden die Rechte der in erster Linie Betroffenen, der Angehörigen von Drittstaaten, nur am Rande angesprochen.

Die Rechte derer, die de facto Einwohner sind, einmal sans-papiers, ein anderes Mal Illegale genannt, wurden in keiner Weise erwähnt.

Ein weiteres Mal drehte sich das Wesentliche der Debatten um die Überwachung der Grenzen, die Möglichkeiten der legalen Wiedereinreise in die Herkunftsländer und die polizeiliche Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Einwanderung. Europa, in dem Masse wie es sich von Schritt zu Schritt konstruiert, entwirft Regelungen, die darauf abzielen – so gibt es vor - die "Migrationströme in den Griff zu bekommen."

Den einen den Zugang zum europäischen Territorium verweigern, die Integration der anderen organisieren - diejenigen, die von den europäischen Wirtschaften, den Rentensystemen sogar, gebraucht werden - das ist die "Verwaltung", die uns angekündigt wird.

Während auf die angekündigte, große Vereinheitlichung der europäischen Migrationspolitiken gewartet wird, verschärfen sich die Haltungen in jedem einzelnen Staat der Union. Hinter dem Begriff der Verwaltung verbergen sich Regelungen wie auch die administrativen Praktiken, die oftmals nichts anderes als eine Mischung von Repression, von Betrugsverdacht und von Vorenthaltung von Rechten sind. Von Zeit zu Zeit, wenn die Situation der Verzweiflung nahe kommt, wenn die Bewegungen der sans-papiers eine breite Unterstützung und Solidarität finden, geht die öffentliche Gewalt zu breitangelegten Legalisierungen über. Daraus entsteht aber auch gleich wieder die Unrechtssituation derer, die den Sklaven des dritten Jahrtausends gleichen.

Die politischen Instanzen der Europäischen Union arbeiten beispielsweise an der Verabschiedung von Texten über das Recht der Familienzusammenführung oder über die Minimalnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern. Aber auch wenn sie die Notwendigkeit gegen die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus zu kämpfen ansprechen, so schenken sie den Rechten der ausländischen EinwohnerInnen wenig, und im Besonderen den Illegalen gar keine Aufmerksamkeit, die durch diskriminierende Regelungen erst zu dem gemacht worden sind, was sie sind.

So ist es jetzt an der Zeit, auf europäischer Ebene ein wahrhaftes Recht der MigrantInnen zu verankern.

Denn sie sind da. Einige zehn, vielleicht sogar einige hunderttausende auf der Gesamtheit des europäischen Territoriums. Sozusagen ein Wassertropfen im Verhältnis zur Unordnung, die auf dem Planet Erde herrscht. Ein Wassertropfen, der als eine Springflut oder ein unerträglicher Strom dargestellt wird und so der Fremdenfeindlichkeit und dem Rassismus Nahrung verschafft.

Diese Angehörigen armer, instabiler oder sich im Krieg befindender Länder haben Europa gewählt, für immer oder für einige Jahre. Die meisten von ihnen arbeiten dort, ziehen manchmal ihre Kinder groß; sie konsumieren; einige nehmen am Leben ihrer Viertel teil, handeln in ihrer nächsten Umgebung. Viele spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklungshilfe für ihr Dorf oder ihre Region, oder ganz einfach für das Überleben vieler ihnen Nahestehender, die im Land geblieben sind. Sie tragen also sowohl zum wirtschaftlichen und kulturellen Reichtum Europas als auch zur Entwicklung des Rests der Welt bei.

Es ist unerträglich, es dabei zu belassen, dass diese Menschen, wovon einige schon seit Jahren mit uns leben, von allem ausgeschlossen bleiben, worauf die Staatsbürgerschaft gründet, dass sie in der permanenten Angst leben, abgeschoben zu werden, dass sie elementarer Rechte enthoben sind und dass sie zur Beute von Kriminellen jeglicher Art werden: illegale Arbeitgeber, Eigentümer von menschenunwürdigen Wohnungen, Zuhälter etc...

Das Argument des Irrealismus gegenüber denen, die sich gegen die Behandlung, die ihnen entgegengebracht wird, auflehnen, ist schon seit langer Zeit entkräftet worden: die europäischen sans-papiers sind da, weil sie Arbeit finden; und wenn sie wahrhaftige Rechte hätten, dann könnten sie auch in die Sozialversicherung einzahlen, und viele von ihnen würden aktiv werden und Arbeitsplätze schaffen. Das Risiko, einen "Sogeffekt" hervorzurufen, wurde bisher nicht bewiesen. Nichts sagt vorher, wenn man die Bewegungsfreiheit an den Pforten Europas begünstigt, dass man dann nicht Ein- und Ausreisen in beide Richtungen feststellen könnte, mit der spontanen Abreise derjenigen, die gerade ihr Glück in Europa versucht haben.

Was im Gegenzug dazu sicher ist, ist, dass der Respekt der Werte des Rechtsstaats den Kampf gegen jede Form der Ungleichheit mit einschließt und Sonderstatute, die Einzelnen zugewiesen werden, nicht tolerieren kann.

Aus diesen Gründen halten wir es für gerecht zu fordern:

13. September 2002

Erstunterzeichner:

Die neuen Organisationsunterschriften (nicht individuelle Unterschriften), sind, durch Fax (auf französisches, englisch, spanisch oder italienisch) an die 00 (33) 1.43.14.60.69 oder durch mail an regul-europe@ras.eu.org zu senden

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