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Updated: 18.12.2012 15:51
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5,8, 3,2 oder 3,0 Prozent? Tarif-PISA aktuell oder wenn "Linke" rechnen

Anmerkungen zum Abschluss der IG Metall Tarifrunde ihren ersten KritikerInnen

Wie nicht anders zu erwarten, wird der in Baden-Württemberg ausgehandelte Tarifvertrag der IG Metall von linken "MathematikerInnen" einer kritischen Würdigung unterzogen. Ein schon vertrautes Ritual.

Zunächst die wesentlichen Punkte des Verhandlungsergebnisses: Ab Juni 2007 werden die Tabellenentgelte um 4,1 Prozent angehoben, ab Juni 2008 steigen sie nochmals um 1,7 Prozent (bezogen auf das Tabellenentgelt des letzten Tarifvertrages). Ab 31. Oktober des nächsten Jahres kann erneut für höhere Entgelte gekämpft werden. Werden die Einmalzahlungen nicht berücksichtigt, da nicht tabellenwirksam, dann hat ein/e Beschäftigte/r ab Juni 2008 gegenüber heute ein um 5,8 Prozent höheres Tarifentgelt.

Wal Buchenberg tönt in Bezug auf das Ergebnis von 5,8 Prozent am 4.5.2007 in Indymedia ( http://de.indymedia.org/2007/05/175255.shtml externer Link): " (...) das ist Lüge ." Unabhängig davon, dass der Satz, in dem diese Behauptung niedergelegt wurde, grammatikalisch unvollständig ist, Buchenbergs Rechenkünste scheinen es auch zu sein. Dem Titel der kurzen Abrechnung mit der Gewerkschaftsführung, die sich angeblich einmal mehr vor den Kollegen blamiere, ist zu entnehmen: "Metaller bekommen 3,2% mehr" - so wenig und Metallerinnen gar nichts?

Unterstützung erhält Wal Buchenberg von der FAU*IAA Lokalföderation München ( http://faum.de/news.php?extend.38 externer Link). Diese sieht beim Tarifabschluss " Viel Schatten, wenig Licht ". Nach ihrer Rechnung sind es lediglich 3 Prozent, die im Ergebnis des " Ritual(s), das Gewerkschaftsfunktionäre und Arbeitgeberverbände durchziehen ", herausgekommen seien.

Die Rechnungen dienen letztlich der immer wiederkehrenden Abrechnung mit den FunktionärInnen nach dem Motto: Revolutionäre Basis, reaktionäre Führung. Wie sieht eine solche Rechnung aber konkret aus? Wal Buchenberg: " Rechnen wir einmal durch: (12 Monate mal 4,1) plus (7 Monate mal 1,7) ergibt eine Erhöhung von 61,1 geteilt durch 19 Monate macht durchschnittlich 3,2 Prozent. " 3,2 Prozent pro Mondphase oder pro Grundschulrechenstunde? Egal, wesentlich ist das Ergebnis, das, wiewohl vollkommen unsinnig, zumindest richtig interpretiert wird: " Der Abschluss liegt also sogar unter 50% der Gewerkschaftsforderung " (das Empörung signalisierende Ausrufezeichen fehlt seltsamerweise). Auch die FAU*IAA rechnet die prozentualen Erhöhungen durch und kommt bei offensichtlich ähnlicher Methode, aber wohl unter Abzug von Skonto, auf 3,0 Prozent. Bei ihnen entfällt der Hinweis auf die Abweichung von der Gewerkschaftsforderung (deutlich unter der Hälfte! d.V.). Dafür wird folgende Erkenntnis verbreitet: " Entscheidender Nachteil dabei ist aber, dass lediglich die prozentualen Erhöhungen (also nur jährlich 3,0%) Basis für den Ausgangspunkt der nächsten Tarifverhandlungen sind. " Diese Basis für den Ausgangspunkt wird der vorhanden gewesenen Streikbereitschaft am Schlusspunkt des Endes noch ganz schöne Probleme bereiten!

Wer entlarvt die Funktionärsclique nun besser, Wal Buchenberg oder die FAA*IAA? Wahrscheinlich letztere, denn sie kommt auf die geringere prozentuale Steigerung. Letztlich spielt dies jedoch keine Rolle, denn beide Ergebnisse sind, bezogen auf das, was die KollegInnen ab Juni 2007 bzw. 2008 auf ihren Entgeltabrechnungen als Bruttoentgelt finden, gleichermaßen Unsinn.

Beschäftigte mit bspw. 2.000 € Bruttoentgelt werden ab Juni 2007 2.082 € auf ihrer Entgeltabrechnung finden und ab Juni 2008 2.116 €. Am Ende der Laufzeit des nun abgeschlossenen Tarifvertrages hätten diese beispielhaft genannten Beschäftigten über 1.600 € brutto mehr erhalten, wenn die Steigerung des Weihnachts- und Urlaubsgeld noch eingerechnet wird. (Zuzüglich der Einmalzahlungen von 400 € und jeweils 0,7 Prozent für die Monate Juni bis Oktober 2008 summiert sich dies auf über 2.140 €, quasi ein weiteres zusätzliches Monatsgehalt.) Nach FAU*IAA-Rechnung erhielten die KollegInnen bis zum Ende Oktober 2008 aus der prozentualen Erhöhung nur etwas mehr als 1.140 € in Summe, wogegen Wal Buchenberg ihnen sogar mehr als 1.216 € zugesteht. Das sind ca. 380 € bis 450 € weniger als es real sein werden und ein ausreichendes Argument, sich auch künftig von der IG Metall vertreten zu lassen und nicht von Wal Buchenberg oder der FAU*IAA - und dies nicht nur weil die Gewerkschaft rechnen kann.

Und noch ein Letztes zum Schluss für den neuen Anfang (ich weiß, ich kann es nicht so gut wie die FAU*IAA - übe aber weiter): Wenn es ab 1. November 2008 wieder um Entgelterhöhungen geht, dann werden die MetallerInnen mit heute 2.000 € Monatsbrutto ihre Forderung auf ihr dann geltendes Monatsbrutto von 2.116 € beziehen und nicht auf Buchenbergs 2.064 € oder die 2.060 € der FAU*IAA, und das ist nicht nur richtig, sondern auch gut so.

Ein wichtiger Hinweis sei noch gestattet: Alle KollegInnen, die Lohnarbeit verrichten (müssen), sollten in Zukunft nach den Tarifrunden ihr Bruttogehalt besser nachrechnen, denn es könnte ja sein, dass GenossInnen der FAU*IAA oder Wal Buchenberg in der Lohn- und Gehaltsabrechnung beschäftigt werden - es soll ja wieder zu Neueinstellungen kommen.

Frank Rehberg
München im Mai 2007


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