letzte Änderung am 8. August 2003

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Im Osten geht die Sonne unter

Interview mit einem Teilnehmer des Streiks für die 35-Stundenwoche im Osten

Als dieses kleine Interview zum Streik in Hennigsdorf, der hier als Beispiel für den Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten steht, getippt wurde, war es bei Elektrometall immer noch nicht raus, wie er endet. Während die IGM versucht, den Streik auszuweiten, zeigt das massive Getrommel der Medien, von Politikern aller Parteien, die sich offensichtlich wie selten zuvor auf die "Arbeitgeber"-Seite geschlagen haben, erste Wirkung. Und das grade während deutlich wird, wer eigentlich die Macht hat. In einem Werk, das Teile für BMW (wo die Autoproduktion eingestellt wurde) liefert, gingen laut Deutschlandfunk zwei Drittel der Belegschaft an die Arbeit.

Verfolgt man die Mediendiskussion, ist man beeindruckt, mit welcher Selbstsicherheit alle möglichen Leute Argumente vortragen, an die sie selbst nicht glauben können. Mehr Arbeit, weniger Feiertage etc. würden die Arbeitslosigkeit senken, und das in Zeiten immer höherer Produktivität. Noch beeindruckender ist aber, daß diesen Argumenten (wenn man das so nennen will) immer noch geglaubt wird. Zumindest wenn man den Umfragen glauben will. Aber es gibt auch positive Nachrichten. VW hat angekündigt, daß ab Freitag die Autoproduktion ruhen soll. Wie das alles ausgeht, wissen wir noch nicht. Da die DA aber vorher in Druck gehen wird, sparen wir uns eine Auswertung für die nächste Ausgabe auf.

 

?Kannst du Dich vorstellen?

!Ich arbeite seit meiner Lehre zu Ostzeiten im HES (Hennigsdorfer Elektrostahlwerk), das zur RIVA-Gruppe gehört und bin seit einigen Jahren in der FAU.

?Was meinst du denn zum Ergebnis des Streiks?

!Für zwei Warnstreiks und 4 Tage Streik kann man nicht mehr erwarten. Des weiteren ist das Ergebnis für Stahl Ost so mager, weil die IGM dachte, daß Elektro-Metall in Sachsen und Brandenburg das Verhandlungsergebnis übernehmen würde.

?Warum haben die das nicht übernommen?

!Die Streikfront im Stahlbereich war recht gut. Bei Elektro-Metall sieht es aufgrund von Personalabbau und der Auftragslage nicht so gut aus.

?Wie ist das denn der Streik in Hennigsdorf gelaufen?

!Der erste Warnstreik war gut, der zweite ist in die Hose gegangen, weil die Kollegen von der Schicht nicht vors Werktor kamen und alle wesentlichen Anlagen weiter gelaufen sind. Das war auch der Grund, warum die FAU dann ein eigenes Flugblatt verteilt hat. Beim Streik hat die IGM dann das Haupttor verriegelt und nur die Notbesetzung und die Geschäftsführung durchgelassen. Aber die Streikbrecher haben trotzdem irgendwelche Wege gefunden. Alte Gleisanschlüsse, sie haben Zaunfelder demontiert und sie sind über andere Betriebsgelände ins Werk gekommen.

?Warum waren diese Wege nicht dicht?

!Sie wurden mit Ketten zugemacht und auch die Zäune wurden wieder verschlossen, aber die Streikbrecher hatten 8 Stunden Zeit, alle Maßnahmen wieder aufzuheben, da nicht rund um die Uhr alle Schlupflöcher besetzt waren. Viele Kollegen empfanden das als Mangel. Bevor der Streik zu Pfingsten ausgesetzt wurde, wollte die Streikleitung danach energischer vorgehen. Nach Pfingsten wurde der Streik aber wegen Einigung und Urabstimmung nicht mehr aufgenommen.

?Sind die Streikbrecher eigentlich noch in der IGM?

!Mir sind die IGM-Streikbrecher bekannt, aber ob sie rausgeworfen wurden, weiß ich nicht. 1993 haben wir dreieinhalb Wochen gestreikt, und da wurden die IGM - Streikbrecher nicht ausgeschlossen wegen eines Vorstandsbeschlusses aus Frankfurt/Main.

?Wenn man die Ergebnisse so anschaut, sieht das ziemlich nach 'nem faulen Kompromiß aus?

!Ja, weil die erste Stufe zur 35-Stunden-Woche erst 2 Jahre nach dem Streik kommt und die "Arbeitgeber" die Klausel vereinbart haben, die Sache bei wirtschaftlich schlechter Lage ein halbes Jahr vorher wieder kündigen zu können.

?Sind die Kollegen deshalb sauer auf die IGM?

!Ja, viele wollten mit Nein stimmen bei der zweiten Urabstimmung. Trotzdem ist es mit über 60% angenommen worden.

?Hat der Streik eigentlich 'ne längerfristige Wirkung im Betrieb?

!Ja, die Kollegen haben gesehen, daß Kampfmaßnahmen möglich und notwendig sind und man sich nicht auf positive Vergangenheit berufen kann. (93 war ein 3-1/2-wöchiger Streik). Zu den Sachen, die im Flugblatt angesprochen sind, meinen die Kollegen, daß die eher den Betriebsrat betreffen und nicht die Gewerkschaft. Sie gehen davon aus, daß Beschwerden vom Betriebsrat gelöst werden. Das ist dann aber immer so eine halbe Sache.

?Siehst du da eigentlich Potential für gewerkschaftliche Arbeit jenseits der IGM?

!Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht einzuschätzen. Die FAU ist natürlich wahrgenommen worden, aber das bedeutet natürlich noch nichts Konkretes.

Das Interview führte D. Dreck
Erschienen in Direkte Aktion - anarchosyndikalistische Zeitung - Nr. 158 Juli/August 2003. Wir danken der Redaktion!
Link zum Probeheft von Direkte Aktion: http://www.fau.org/neu/htm/d_da_abo.html

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