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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Wohin führt Sommer den DGB Einige Anmerkungen zu Michael Sommer Am 14.2.05 gab der DGB-Vorsitzende Michael
Sommer dem „Spiegel“ ein Interview. Die Kernaussagen von Sommer
haben das Ziel, dem BDI und der Bundesregierung zu gefallen. Es ist kein
Zufall, dass die Aussagen von Michael Sommer nur zensiert auf der Homepage
des DGB wiederzufinden sind. Zu offen negiert Michael Sommer grundlegende
gewerkschaftliche Positionen. „Der Kern unseres Geschäfts“ MS: „Wir müssen uns fragen, ob wir den Kern unseres Geschäfts, die Beratung und Betreuung unserer Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben vor Ort, wirklich in der Qualität erbringen, wie sie das erwarten.“ MB: „Seit wann ist die Betreuung und Beratung der Kern gewerkschaftlicher Arbeit ? Gewerkschaften sind gegründet worden, um der Macht des Kapitals, die gewerkschaftliche Macht der Arbeiter entgegenzustellen. Im Rahmen der gewerkschaftlichen Organisation müssen Mitglieder auch in speziellen Fragen rechtlich beraten werden. Dennoch darf die Gewerkschaft kein Rechtsschutzverein sein, der sich selbst als „Geschäft“ betrachtet, wie es der Kollege Sommer tut. Kollege Sommer tritt im Spiegel auf wie ein Versicherungsvertreter und nicht wie ein Gewerkschafter. MS: „Wir müssen unser Image kritisch überprüfen. Werden wir als Reformkraft wahrgenommen, die das Interesse ihrer Mitglieder modern vertritt oder gelten wir als betonköpfige Bewahrer?“ MB: Kollege Sommer macht sich Sorgen um das Image der DGB- Gewerkschaften. Diese Sorge ist gerechtfertigt. Den größten Imageschaden verursachte die Gewerkschaftsbürokratie im letzten Jahr selbst. Sie hat die streikenden Opelarbeiter in Bochum schmählich verraten und verkauft. Statt den sechs Tage dauernden Streik auszudehnen, hat sie den Opelarbeitern ultimativ erklärt, man würde nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn der Streik nicht beendet würde. Kürzlich hat der IGM- Betriebsratsfürst mit Opel Massenentlassungen vereinbart. Im Rahmen dieser Aktion bietet der Apparat dann den Mitgliedern rechtliche Hilfe im Sinne Sommers an. Das ganze „Geschäft“ ist eine Spekulation auf dem Rücken der Arbeiter. Nebenbei besitzt Sommer die Neigung, den Mitgliederverlust (im letzten Jahr verloren die DGB- Gewerkschaften 350.000 Mitglieder) der DGB-Gewerkschaften zu bejammern. Die Hauptverantwortung dafür trägt die DGB Bürokratie selbst. Im letzten Jahr hatte auch noch Michael Sommer gegen die Politik der Bundesregierung gewettert und den sozialen Kahlschlag, der unter dem Wort „Reform“ daher kommt angeprangert. Als es zum Schwur kam, haben die Bürokraten ihren Worten keine Taten folgen lassen. Die Montagsdemonstrationen wurden durch die gewerkschaftlichen Spitzengremien kalt ignoriert. Dadurch wurde die Spaltung der Arbeiterschaft in Erwerbstätige und Erwerbslose vertieft. Der befürchtete heiße Herbst blieb aus. In den Betrieben wurden die wilden Angriffe des Kapitals durch die Unterzeichnung von Verträgen, die unbezahlte Mehrarbeit vorsehen, abgenickt. Jetzt bringt Kollege Sommer sein Gemurmel wieder in Übereinstimmung mit dem neoliberalen Grundkonsens der spätkapitalistischen Gesellschaft. Er tritt offen dem Club der „Reformer“ bei, die jede soziale Grausamkeit als „Reform“ ausgeben. Kollege Sommer will das Image des Betonkopfes loswerden und im neoliberalen Strom schwimmen. Am Rande erwähnt er noch hin und wieder das „Soziale“, was aber an dieser Tatsache nichts ändert. Über die Verteidigung sozialer Errungenschaften MS: „Soziale Errungenschaften zu verteidigen muß ja nicht falsch sein.“ MB. Es ist falsch soziale Errungenschaften der Arbeiterbewegung nicht zu verteidigen. Was soll diese Formel: „Muß ja nicht falsch sein“? MS: „Wenn einige im Arbeitgeberlager und in der Politik die Tarifautonomie schleifen wollen, ist es völlig richtig zu blockieren. Der Fehler war eher, dass wir es auf der anderen Seite nicht immer verstanden haben, unsere eigene Reformagenda differenziert darzustellen.“ MB: Natürlich gibt es einige im Arbeitgeberlager, die für eine vollständige Aufhebung der Tarifautonomie sind. Dagegen gilt es klar Front zu beziehen. Aber bei Michael Sommer und der Bürokratie insgesamt, geht es mehr um die Frage: Dürfen wir die sozialen Grausamkeiten noch mitgestalten . Es gibt in der Tat einige Fraktionen des Kapitals. die jegliche Form von Lohn- und Arbeitszeitfestlegung weghaben möchten. Diese Gruppierungen haben es satt, den ritualisierten Verhandlungspoker mit der Gewerkschaftsführung durchzuspielen. Sie haben auch keine Lust mehr, am Kamin mit der „anderen Seite“ zu plaudern. Die gekündigte soziale Kompromißlinie soll sich auch auf die Gewerkschaftsvertreter beziehen. Das stört natürlich den Arbeiterbürokraten mit Schlips und Kragen, die Herren wollen eine Rolle spielen. An diesem Punkt treffen sich partiell die Interessen der Gewerkschaftsführung mit den Interessen der Beschäftigten. Die Gewerkschaftsführung kommt für die Unternehmer nur als Verhandlungspartner in Frage, wenn sie über ein Macht und Drohpotential verfügt. Das aber kommt ihnen zunehmend abhanden, was der gesamten Arbeiterbewegung schadet. Diese prekäre Lage hat die Gewerkschaftsführung zu verantworten. Sozialpartnerschaftliches Gestammel wird von Kabinett und Kapital nur bedingt honoriert. Wenn Kollege Sommer von einer „Reformagenda“ spricht, so meint er damit nicht den Kampf um Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich solange bis jeder Arbeit hat. Im Gegenteil, er sagt, dass er bereit ist im Grundsatz die Krisenlösungsmechanismen des Kapitals und der Regierung zu akzeptieren, um an einzelnen Punkten unverbindlich herumzumäkeln. MS: „Reform der Wohlfahrtssysteme“ MS: „Dass die Diskussion über eine Reform
der Wohlfahrtssysteme zu spät begonnen hat, können sie nicht
nur den Gewerkschaften vorwerfen. Als Bundeskanzler Schröder mit
seiner Agenda 2010 plötzlich einen radikalen Umbau propagierte -
der noch dazu alles andere als ein großer Wurf war -, wurden die
Gewerkschaften genauso kalt erwischt wie die SPD und die Gesellschaft
insgesamt.“ MS: „Ich akzeptiere, dass sich die Grundlagen des Sozialstaates durch die demografische Entwicklung, die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die Globalisierung stark verändert haben. Deshalb müssen wir intensiv darüber diskutieren, welche Aufgaben der Sozialstaat künftig noch übernehmen kann und wie seine Strukturen umgebaut werden müssen.“ MB: Kollege Sommer akzeptiert die sozialen Grausamkeiten wegen dem Alter der Leute (offensichtlich erlauben sich zu viele ein gewisses Alter zu erreichen), der Massenarbeitslosigkeit und dem Phänomen Globalisierung. Überhaupt nicht interessiert scheint Sommer an einer Debatte zu sein, wie die Massenarbeitslosigkeit überwunden wird. Er nimmt sie als Fakt hin, um damit Sozialabbau zu rechtfertigen. Im Konzept von Sommer soll auf der Basis kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten darüber verhandelt werden, wie gemeinsam der Sozialabbau gestaltet werden kann. An Fakten ist Sommer nicht interessiert. Im Jahr 2003 deckten die Unternehmen nur noch 11,4% der Steuereinnahmen des Staates. Die Belastung der Arbeiter und Verbraucher erreichte mit über 80% der Steuerlast absolute Rekordhöhen. Nach Sommer soll die Politik der sozialen Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt werden. Die dreißig führenden deutschen Kapitalgesellschaften erzielen von Jahr zu Jahr höhere Profite und ihre reale Steuerlast geht gegen Null. Davon will Sommer nichts mehr wissen, für ihn ist der ältere Mensch das Problem und das Phantom Globalisierung. Sommer ist vollständig im herrschenden Diskurs angelangt, die Interessen der Mitglieder der Gewerkschaften gehen ihm am Arsch vorbei. Ihn als Verräter zu bezeichnen trifft den Kern der Sache nicht. Sommer hat sich klar positioniert, es geht darum, ob die Mitgliedschaft sich das bieten läßt und sich damit selbst verrät. Gewerkschaftliche Perspektiven MS: „Die Gewerkschaften verkennen nicht, dass die Politik in vielen Bereichen die Entscheidungen getroffen hat, die Sozialsysteme auf eine Grundversorgung zu reduzieren. Das können wir kritisieren, ändern können wir es nicht mehr.“ MB: Nachdem Sommer den Klassenkampf von oben unter Zuhilfenahme der neoliberalen Floskeln gebilligt hat, ist er selbstverständlich geneigt, der Regierung einen Persilschein auszustellen. Der Hunger, die Angst und die Verzweiflung, die in vielen Haushalten Einzug gehalten hat, ist für Sommer unwiderruflich. Damit die Sache sich für das empfindliche Gemüt besser anhört, nennt Sommer diesen Zustand „Grundversorgung“. Kollege Sommer hat jeden Bezug zum Arbeitslosengeld II-Bezieher verloren. Wenn er sich hineindenken könnte, müßte ihm klar sein, dass mit 345 Euro im Westen keinerlei Grundversorgung möglich ist, die diesen Namen verdient. Außerdem konterkariert Sommer mit seinem Kurs jede Möglichkeit, Gewerkschaften wieder als Kraft in das politische und ökonomische Spielfeld zu bringen. Wer die Mißhandlung der Arbeitslosen samt Zumutbarkeitsregelungen akzeptiert, öffnet ein weites Fenster für Lohndumping und verstärkten Druck auf die Belegschaften. Der Kurs von Sommer ruiniert die Gewerkschaften, er impliziert die Zunahme von Austritten und macht die Arbeiter handlungsunfähig. Wer an kämpferischer sozialer Gewerkschaftspolitik interessiert ist, hat gegen den Kurs von Sommer und anderer innerhalb der Gewerkschaften zu kämpfen. Wie ernst die Lage ist, verdeutlichen Formulierungen von Sommer wie: „Die Politik hat entschieden und wir können nichts mehr ändern“. Mit der gleichen Haltung reagierten die Gewerkschaftsbürokraten der dreißiger Jahre auf die Hungerpolitik des Reichskanzlers Brüning. Zum 1. Mai 1933 riefen die Gewerkschaftsführer die Arbeiter auf, am „Tag der nationalen Arbeit“ der Nazis teilzunehmen. Am 2.Mai 1933 wurden die Gewerkschaften verboten, die Politik hatte entschieden. Max Brym Siehe dazu auch "Proteste
und die Gewerkschaften" im Labournet Germany |