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Ein subjektives Gedächtnisprotokoll zum IMB Kongress in Sydney

Zwischen Sonntag, 11. November und Donnerstag, 15. November 2001 fand in Sydney der 30. Kongress des Internationalen Metall-’arbeiter’(!) Bundes (IMB) statt. Auf dem Kongress waren zwar wenige Arbeiter, dafür aber viele Funktionäre zu sehen. Nachdem unsere 55 –vorwiegend Mann(!)- starke Funktionärstruppe der IGM ihren Unterkunftsschmerz über das ‚nur’ Viersternehotel, direkt am Hafen, überwunden hatte, fand man sich zur Eröffnungsveranstaltung im schicken und ebenso teueren Kongresszentrum am Darling Hafen ein. Besonders böse Zungen behaupten außerdem, dass man sich über australische Gaststätten beschwerte, denn dort herrsche ja Rauchverbot. Dies zwang die IGM-Funktionäre dazu, ihre dicken Zigarren im Freien genießen zu müssen. Reine Schikane und das auch noch in einer Kneipe, in der man sich - abgeschieden und ungestört von Gewerkschaftern aus anderen Ländern - zum Biertrinken traf.

Zur multikulturellen Eröffnungsveranstaltung boten die Australier ein abwechslungsreiches Programm aus Reden und musikalischen, sowie tänzerischen Darbietungen. Die vor wenigen Tagen von den Rechtskonservativen gewonnene Bundestagswahl bestimmte viele Redebeiträge. Die Wahl bestätigt die ausländerfeindliche, Rassenhass schürende und Asylanten-Demagogie verbreitende Regierung in ihrem Amt. Das zweite Thema dieser Veranstaltung galt dem US-Krieg gegen Afghanistan. Hierzu forderte IMB-Präsident und IGM-Boss Klaus Zwickel die Delegierten auf, an einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlages von New York teilzunehmen. Leider fehlte jedes Wort zu den Opfern einer verfehlten US Nahostpolitik ebenso, wie ein Wort zu den Opfern der B 52 Flächenbombardements in Afghanistan. Dafür fehlte es aber nicht an seiner Kriegsunterstützung. Er sagte "der Diplomatie der USA ist es gelungen, weltweit eine Allianz gegen den Terror zu schmieden". Im Gegenzug zum deutschen Säbelrasseln, zitierte der Vorsitzende der australischen Metallgewerkschaft die Anti-Kriegsinschrift, die auf dem Roosevelt-"Denk"-mal(!) zu lesen ist.

Im nachfolgenden Beitrag versuchte der Ministerpräsident von Neusüdwales die Sinnlosigkeit der Olympia-Geisterstadt in Sydney damit zu rechtfertigen, dass die seit der Olympiade unbenutzten Stahlbetongebilde von gewerkschaftlich organisierten Bauarbeitern hinbetoniert wurden. Nach diesen anstrengenden Reden bat man zu Sekt, Wein, Bier und kalten sowie warmen Platten.

Der zweite Tag des Kongresses begann mit internen Fragen des IMB und den Wiederwahlen zum IMB-Vorstand. Die Wahlen standen unter dem bekannten anarchistischen Motto "wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst abgeschafft"! Zur Wahl gibt es eigentlich nur zu berichten, dass versehentlich ein falscher Delegierter, der irgendwo aus Europa kam, gewählt wurde. Unter allgemeiner Erheiterung wurde dies von IMB-Boss Malentacchi schnellstens korrigiert.

Den Wahlen folgte eine Diskussion zum Thema "Globalisierung". Hierzu nahmen unterschiedliche Redner zu zum Teil sehr unterschiedlichen Themen mit unterschiedlichen Meinungen Stellung. Zu einer größeren Auseinandersetzung zwischen dem IMB-Podium und den Amerikanern auf der einen Seite und dem Rest des Kongresses auf der anderen Seite kam es jedoch über eine Formulierung in der IMB Resolution zum Thema "Terrorismus". In einem kleinen Passus der ursprünglichen IMB-Podiumsfassung hieß es ‚Militärschläge seien "ein" geeignetes Mittel gegen Terrorismus’. Einige Delegierte schlugen vor, es solle ‚Militärschläge sind "kein" geeignetes Mittel gegen Terrorismus’ heißen. Andere schlugen vor, einen Satz zu den Leiden der Palästinenser einzufügen. Ein afrikanischer Delegierter forderte, etwas zu den Opfern der US Flächenbombardements zu sagen. Ein amerikanischer Delegierter sagte, dass Krieg ein geeignetes Mittel gegen Terrorismus sei. Am Ende der Debatte schlug ein IMB Vertreter vor, am nächsten Tag eine neue Fassung zur Abstimmung vorzulegen. In der nun beschlossenen Fassung heißt es "der Kongress erkennt an, dass autorisierte und vom internationalen Recht gedeckte Militäraktionen nötig sind, solange sie unschuldiges Leben schützen". Man kann nur hoffen, das die USA nach der IMB-Resolution ebenso zittern, wie sie zitterten, als die DKP-Ortsgruppe Duisburg-Neudorf im Jahre 1983 beschloss: "der US-Imperialismus wird abgeschafft".

Am darauffolgenden Tag bestimmten zwei Redebeiträge von Wissenschaftlern zum Thema "Globalisierung" das Geschehen. Zusätzlich wurde das IMB-Aktionsprogramm erwartungsgemäß(!) beschlossen. Am Nachmittag hatten die australischen Kollegen zu einer Demonstration aufgerufen. Am Spaziergang durch Sydney’s Innenstadt nahm auch die in sich geschlossene Gruppe der deutschen Funktionäre teil. Am Abend lud die japanische Delegation zum großen Abschiedsessen ein. Hierzu wurden einige nebeneinander liegende Restaurants feinster (und teuerster!) Art angemietet und Herrlichkeiten aus aller Welt serviert. Japanische Metallarbeiter zahlen 1,5% ihres Lohns als Gewerkschaftsbeitrag. Gestreikt haben die Gewerkschaften in der japanischen Metallindustrie aber seit Jahrzehnten nicht mehr. Als nach Aussen abgeschottete Gruppe nahmen unsere Funktionäre an mehreren Tischen Platz und aßen und tranken bis in die Nacht.

Am letzten Tag nahm man an einer Hafenrundfahrt und einem Besuch im Zoo teil. Auch der etwas übergewichtige argentinische "Kollege" Jose Rodriguez griff nach den gegrillten Steaks. Gewerkschafter ans "Steak"Messer der argentinischen Militärs zu liefern macht hungrig (siehe die Beiträge in http://www.labournet.de).* Über die Verwicklungen von Mercedes Benz in diesen Fall gibt es hinreichende Verdachtsmomente (http://www.labournet.de/branchen/auto/dc/ar/ehemal-e.html). Weniger unklar ist die Tradition des Konzerns, wenn es um Macht und gewerkschaftsfeindliches und inhumanes Verhalten geht. Wurden in den 1920er und vor 1933er Jahren nicht SA-Trupps in, von Mercedes Benz bereitgestellten, Mannschaftstransportern herumgefahren, um gewerkschafts- sozialdemokratische und kommunistische Versammlungen zu zerstören? Wurden da nicht auch Zwangsarbeiter im Rahmen des NS Programms "Vernichtung durch Arbeit" vom Mercedes Benz Management bei diversen KZ-Verwaltungen bestellt? Hat der Konzern vielleicht in Argentinien seine Tradition weitergeführt? Hat Jose Rodriguez damit etwas zu tun? Solche Fragen wurden auf dem IMB Kongress nicht diskutiert.

Nach den Anstrengungen des Kongresses freute man sich über das erfolgreich abgeschlossene Aktionsprogramm, die Afghanistan-Resolution und schlug sich gegenseitig auf die Schulter. Viele IGM-Funktionäre genossen einen wohlverdienten Australienkurzurlaub im Anschluss an den doch sehr harten Kongress, wenn einen die Gewerkschaftsbeiträge der lieben Kollegen schon nach Sydney fliegen! In diesem Sinne "bis zum nächsten IMB Kongress – Moskau soll ja auch schön sein".

 

* Anmerkung der Redaktion des LabourNet Germany:

Über die zweifelhafte Rolle von Jose Rodriguez im Falle der verschwundenen Betriebsräte bei Mercedes Argentinien berichteten wir zuletzt unter "War José Rodriguez der einzige, der davon nichts wußte?" Bericht von Gaby Weber von der Aussage vor dem "Wahrheitstribunal".

Nach uns vorliegenden Informationen wurde der Fall Rodriguez bei der Sitzung der lateinamerikanischen Delegierten sehr wohl angesprochen. Lediglich der wiedergewählte IMB-Boss Klaus Zwickel will von den Fall nichts gehört haben, verweigerte aber auch die ihm angebotenen Informationen.


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