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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Streik in Zeiten von 1-Euro-Jobs

Kommentar zu aktuellen Streiks im Öffentlichen Dienst von Mag Wompel auf Grundlage von Leserzuschriften

Die FAZ berichtet in der Ausgabe vom 16.2.06 [Anm1] darüber, wie auch der Streik von ver.di im öffentlichen Dienst an einigen Orten durch den Einsatz von LeiharbeiterInnen und 1-Euro-ZwangsjobberInnen unterlaufen wird.

So heisst es in diesem Artikel: ".In Freiburg konnte Broglin den Streik der Angestellten in den Kommunen wirkungsvoll außer Kraft setzen, weil das privatisierte Entsorgungsunternehmen - die Stadt Freiburg hat nur noch einen Anteil von 53 Prozent - schon länger mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeitet. So ersetzte Broglin die knapp 60 streikenden Arbeiter durch 100 Leiharbeitskräfte, und von der gewerkschaftlichen Macht war in der ökologisch vorbildlichen Universitätsstadt nichts zu spüren. [sie sollen angeblich von der Sklavenhändlerfirma "Top work" kommen, LNG] (.) Die städtische Klinik in Stuttgart und das Müllentsorgungsunternehmen in Karlsruhe setzen Leiharbeitskräfte ein. In der Stadt Kernen im Remstal versucht die Verwaltung, mit Zeitarbeitskräften den Betrieb in den Kindergärten aufrechtzuerhalten. In Ulm sollen sogar Ein-Euro-Arbeitskräfte von der Stadt zum Leeren der Mülltonnen eingeteilt worden sein. (.) Verdi hat errechnet, daß in Baden-Württemberg insgesamt etwa 800 Leiharbeiter und 100 Ein-Euro-Arbeitskräfte beschäftigt werden, um den Streik zu stören."

Dies entspricht bereits vorliegenden Informationen aus dem Streikposten externer Link: "Verdi will gegen Streikbrecher rechtlich vorgehen. Einige Städte in Baden-Württemberg wollen mittlerweile Leiharbeiter als "Streikbrecher" einsetzen." Ähnliches und viel deutlicher wird nun aus Osnabrück gemeldet: " Gegen den Streik im Dienstleistungsgewerbe werden jetzt 1-Euro-Jobber als Streikbrecher eingesetzt. In der niedersächsischen Stadt Osnabrück müssen Hartz-IV-Empfänger auf Druck des öffentlichen Arbeitgebers die städtischen Müllwagen fahren. Zu Wochenbeginn musste dies durch einen massiven Polizeieinsatz gegen die Streikenden durchgesetzt werden. (.) Den als Streikbrechern eingesetzten 1-Euro-Jobber drohten Vorgesetzte sie "beim Arbeitsamt zu melden, wenn nicht ordentlich gearbeitet wird."." Dies geschieht mittlerweile unter massivem Polizeieinsatz gegen Verdi-Streikposten, wie in Osnabrück geschehen. [Anm 2] Und die Situation eskaliert: In Heidenheim bei Ulm fiel ein Ein-Euro-Jobber während der Straßenreinigung tot um, offenbar wegen Herzversagens. [Anm 3]

Gleichzeitig mobilisieren die bürgerlichen Medien massiv gegen den Streik als "Luxusstreik" und gegen die "unsozialen" Kämpfenden, die Kranke gefährden.

Doch es gibt auch andere Wege aus diesem Dilemma.

Im LabourNet Germany wird seit längerem über neue Kampfformen diskutiert, die viel gezielter die Zielgruppe des Arbeitskampfes treffen und zugleich die betroffenen Bevölkerungsteile vor den Auswirkungen schont, sie überzeugt und für sich gewinnt.

Auch in der letzten Ausgabe der "direkten aktion" externer Link pdf-Datei hieß es in dem Artikel "Der Streik kehrt zurück": "Erstens können sie nicht länger als institutionalisierte Rituale funktionieren. Streik wird zum ernsthaften Machtkampf. Die ArbeiterInnen werden nach Punkten suchen, an denen sie empfindliche Verkettungen der Produktion treffen können. Den Streikenden bei Opel war bewusst, dass nur wenige Tage fehlten, um den gesamten europäischen GM-Verbund lahm zu legen. Selbst in gewerkschaftlich organisierten Streiks wie dem Arbeitskampf bei der Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen stellt sich zunehmend diese Frage. In solchen kleinen und isoliert bleibenden Streiks ist es längst üblich geworden, dass der Unternehmer die kämpfenden ArbeiterInnen durch systematischen Streikbruch ausbremst, um ihnen ihre Ohnmacht zu demonstrieren."

Gerade Streiks im öffentlichen Dienst waren bisher oftmals nur Rituale. Der Artikel aus der FAZ zeigt, dass sich auch hier die Frage stellt, wie sich überhaupt Macht entwickeln lässt - so wie im Fall von Gate Gourmet scheinen auch die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst auf diese Frage zur Zeit keine Antwort zu haben. Damit wird offensichtlich, dass Streiks wieder zu sozialen Bewegungen werden müssen, in denen die durchaus noch vorhandene Macht der ArbeiterInnen wirkungsvoll eingesetzt wird.

Im übrigen wird sogar im genannten FAZ-Artikel darauf verwiesen: "Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (Paragraph 11 AÜG) erlaubt es den Leiharbeitern sogar, in bestreikten Betrieben die Arbeit zu verweigern."

Anmerkungen

1) In der Öko-Stadt Freiburg stinkt der Müll nicht. Die Arbeitgeber stören die Streikstrategie von Verdi mit Leiharbeitern. Artikel von Rüdiger Soldt in der FAZ vom 16.2.2006

2) 1-Euro-Jobber als Streikbrecher gegen VERDI. "Osnabrück: Hartz-IV-Empfänger als 1-Euro-Streikbrecher. Unter massivem Polizeieinsatz gegen Verdi-Streikposten eingesetzt. Stadt Osnabrück droht: "Wenn ihr nicht als Streikbrecher ordentlich arbeitet, melden wir das dem Arbeitsamt." Osnabrücker Geschäfte belohnen Streikbrecher mit Warengutscheinen." Bericht von von Richard Grove vom 16.02.2006 bei indymedia externer Link

3) Ein-Euro-Jobber als «Streikbrecher» - ver.di beklagt «rechtswidrige Einsätze» in Baden-Württemberg - Todesfall in Heidenheim
"Den Streik im öffentlichen Dienst sehen die Arbeitgeber in Baden-Württemberg inzwischen offenbar als eine Art Foul an: «Wenn uns jemand gegen das Schienbein tritt, dürfen wir Schienbeinschützer anziehen«, sagt Andreas Stein, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands Baden-Württemberg (KAV) in Stuttgart. Er rechtfertigt damit die Tatsache, dass in den bisherigen zwei Streikwochen mehrere Städte auf Ein-Euro-Jobber, Leiharbeiter und ABM-Kräfte zurückgegriffen haben, um vor allem die Ausfälle bei der Straßenreinigung zu kompensieren." ddp-Meldung vom 17. Februar 2006 externer Link Aus dem Text: ". In Karlsruhe zum Beispiel seien seit Streikbeginn drei Ein-Euro-Jobber und zehn ABM-Kräfte für »mehr Tätigkeiten« bei der Straßenreinigung eingesetzt worden als sie normalerweise machen, sagt der örtliche ver.di-Geschäftsführer Jürgen Ziegler. (.) Einen dramatischen Zwischenfall gab es in Heidenheim bei Ulm. Dort fiel am Montag ein Ein-Euro-Jobber während der Straßenreinigung tot um, offenbar wegen Herzversagens. Nach Angaben der Stadt sollte der seit Oktober bei der Kommune eingesetzte 57-jährige Arbeitslose den Müll an einem Busbahnhof einsammeln, unter anderem mit einem Greifer. Die Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Ostwürttemberg-Ulm, Maria Winkler, sagt allerdings, er habe zusätzlich Schneeräumen und dabei »schwer arbeiten« müssen. Von der Arbeitsagentur sei der 57-Jährige aber »nicht zum Schneeräumen, sondern nur für die zusätzliche Leerung von Papierkörben« eingeteilt worden, betont Winkler."


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