letzte Änderung am 20. November 2003

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Revolutions per minute (RPM)

Reden auf der diesjährigen »troublemaker«-Labor-Notes-Konferenz

»Unruhestiftung in unruhigen Zeiten: Organisieren um zu siegen!«

Das war das Motto der 25. Labor Notes Konferenz der »troublemakers«, die vom 12. – 14. September Detroit stattfand. Vor dem Hintergrund der Bedrohungen durch Globalisierung, Rezession, Krieg, aber auch von schrumpfenden Gewerkschaften und zunehmender Kapitalkonzentration, ging es darum, ein genaueres Verständnis dieser unruhigen Zeiten und eine komplexere Sicht der Dinge zu gewinnen, sowie strategisch über das Agieren in der eigenen Gewerkschaft oder Industrie zu reflektieren. Zu diesem Zweck trafen sich in Detroit fast 900 Teilnehmer in 54 verschiedene Arbeitsgruppen und 40 Gewerkschafts-/Sektoren-/Interes-sengruppen-Treffen. VertreterInnen von »Workers centers« boten eine Arbeitsgruppe über ihre Kooperation mit den Gewerkschaften an. Es gab Arbeitsgruppen zu Mindestlöhnen und zur Organisierung von MigrantenInnen. Eine Frauen-Arbeitsgruppe und die Gruppe der farbigen Frauen – insbesondere von Veronica Mesatwya aus Südafrika inspiriert – befassten sich mit der Notwendigkeit, eine neue Frauenbewegung zu organisieren, bei der die arbeitenden Frauenbewegung im Zentrum steht. Es gab Arbeitsgruppen zur Arbeiterbewegung in Asien und Südamerika, denen es vor allem um die Solidarität zwischen Arbeitern des Nordens mit denen des Südens ging. Ein Treffen zu Textil- und Maquiladora-Arbeitern brachte Gruppen aus Oaxaca, Monclova, Tijuana (alle in Mexiko), Los Angeles, Brooklyn und Sri Lanka zusammen. Ein Reformausschuss von Klempnern und Maschinenschlossern beratschlagte über Strategien der Veränderung ihrer Gewerkschaften. »Teamster«reformer diskutierten den Kampf zur Verteidigung ihrer Renten. Über 35 Hafenarbeiter von beiden US-Küsten, aus Spanien und Südafrika diskutierten Privatisierungsdrohungen in Europa und Südafrika, den Kampf um Demokratie bei der ITF (International Transport Federation) und darüber, wie eine gemeinsame Antwort auf die Arbeitgeberangriffe zu organisieren ist. In diesem Zusammenhang wurde eine Hafenarbeiter-Konferenz 2004 geplant, die von Labor Notes und der Vereinigung für gewerkschaftliche Demokratie (Association for Union Democracy) organisiert werden soll. Insgesamt beschreiben die Labor Notes die Stimmung so, dass eine neue Ernsthaftigkeit in der Bewegung zu spüren ist und dass es – trotz der schwierigen Zeiten – unter der Oberfläche der Gesellschaft zu brodeln scheint.

Wir dokumentieren im folgen drei Reden von »Trubelmachern«, die auf der Konferenz gehalten wurden.

I. Daniel La Botz:

Als wir vor zwölf Monaten über einen Titel für unser »rank-and-file organizing« Handbuch nachgedacht haben, habe ich vorgeschlagen, es das »troublemaker’s Handbuch«* zu nennen. Ich konnte mir kein besseres Wort vorstellen als troublemaker, um zu beschreiben, was wir sind und was wir tun. Natürlich kam das Wort zuerst aus dem Mund unseres Bosses. Er nennt uns troublemaker und meint das als Vorwurf und Beleidigung, für uns aber ist dieser Begriff eine Auszeichnung. Wenn ein Arbeiter seinen Arm hebt und Zweifel äußert oder eine Frage stellt, grübelt der Chef: »Wer ist dieser troublemaker?«, denn er merkt, dass mit dem Zweifel an seiner Weisheit und der Infragestellung seiner Autorität die Autorität am Arbeitsplatz insgesamt zu wackeln beginnt.

Wenn der Boss sieht, dass eine Gruppe von Arbeitern an der Stechuhr oder am Wasserspender herumsteht, oder dass sie ihre Köpfe am Tisch in der Cafeteria zusammenstecken, oder dass sie draußen auf dem Parkplatz zusammenstehen und diskutieren, dann schüttelt er seine Kopf und meint: Diese »troublemaker!« Denn der Boss merkt, dass der Austausch von unseren Erfahrungen, Eindrücken und Ideen den ersten Schritt zur gemeinsamen Aktion darstellt.

Wenn eine Gruppe von Arbeitern an den Boss herantritt mit dem Anliegen, dass die Gewerkschaft anerkannt werden soll, oder mit einer kollektiven Beschwerde oder wenn sie seine Aufmerksamkeit erregen durch bestimmte Aktionsformen am Arbeitsplatz – wie z.B. einen Bummelstreik–, dann schreit der Boss – die Zornesröte im Gesicht: »Der troublemaker, der das angefangen hat, wird bald eine ganze Menge trouble bekommen.« Denn er merkt, dass die gemeinsame Aktion die Herrschaft der Unternehmer am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft grundlegend in Frage zu stellen beginnt.

Wenn eine Gruppe von Arbeitern, Schwarze und Weiße, Asiaten und Latinos, Frauen und Männer, Homos und Heteros zusammensteht, dann ballt der Boss seine Fäuste und schreit: »Hey, ihr troublemaker, dafür werdet Ihr bezahlen!« Er wittert, dass unsere Einigkeit über Rasse und Geschlecht hinweg eine Kraft bildet, die alles bedroht, wofür er steht.

Wenn früher in den Vereinigten Staaten und heute in anderen Ländern, wie z.B. Kolumbien, Arbeiter sich entschließen, eine Gewerkschaft zu organisieren oder einen Streik zu machen, legt der Chef seinen Arm um einen Polizeibeamten, einen Militärpolizisten, einen Privatdetektiv, einen von der Bürgerwehr oder gleich einen Gangster und sagt zu ihm: »Krieg ihn, er ist ein troublemaker.«

Heutzutage, hier in den USA, legt der Chef seinen Arm um den Unternehmensberater, seinen gewerkschaftsfeindlichen Anwalt und sagt: »Die müssen wir los werden«, »Er ist die Rädelsführer«, »Er ist der troublemaker«.

Wenn heute ein Arbeiter aus Kolumbien versucht, hierher zu reisen und internationale Solidarität übt, oder wenn ein Arbeiter aus den Vereinigten Staaten nach Mexiko geht, um die Gewerkschaften dort zu unterstützen ... dann kennzeichnen die – zu unrecht so genannten – Sicherheitsbüros unserer oder ihrer Regierung die Namen dieses Arbeiters mit einem elektronischen Sticker: »subversiv« oder »Sicherheitsrisiko«, was nichts anderes heisst als troublemaker.

Was also meint troublemaker?

Es meint den Zweifler. Es meint den kritischen Denker. Es meint denjenigen, der aufsteht für seine Angelegenheiten. Es meint denjenigen, der aufsteht für die Angelegenheiten seiner Mit-Arbeiter. Es meint denjenigen, der für Solidarität steht. Es meint die Arbeiter, die kämpfen in harten Zeiten und gegen erbitterten Widerstand. Es meint die Arbeiter, die die politische und ökonomische Macht der Arbeiterklasse gegen das Management darstellen, gegen das Kapital. Wenn Du für Deine Rechte aufstehst, dann wirst Du troublemaker genannt – ein Radikaler, ein Sozialist, ein Kommunist, ein Fremder, ein Schwuler.

Dann sagt man Dir: Such Dir einen Job, geh’ dahin zurück, wo Du herkommst, geh’ zurück nach Russland, mach’, dass Du abhaust. Sie beleidigen uns, und wir betrachten es als Auszeichnung. Ein troublemaker zu sein, heißt ein Flugblattverteiler sein, ein Wortführer, ein Streikposten, ein Spendensammler, ein Bummelstreik-Organisator..., ein Scheiß-Störer, ein Radikaler am Arbeitsplatz und ein Revolutionär in der Gesellschaft, denn es wäre revolutionär, wenn Arbeiter in dieser Gesellschaft irgendeine Macht hätten.

Aber heißt, ein troublemaker zu sein auch, ein anständiges menschliches Wesen zu sein.

So benutzen sie es als Vorwurf und Beleidigung – und wir sehen es als Auszeichnung.

Wir sind die troublemakers. Und wir sagen zu ihnen: Ihr glaubt, Ihr habt schon trouble gesehen? Noch habt Ihr gar keinen trouble. Denn wir haben vor, unsere kommunalen Gruppen, unsere »workers centers«, unsere Gewerkschaften in Organisationen zu verwandeln, die uns tatsächlich eine Stimme und Macht im Betrieb geben können.

Wir haben vor, eine politische Macht der Arbeiterklasse zu erlangen, um gewerkschaftliche Rechte zu erreichen, landesweite Gesundheitsversorgung und einen würdigen Lebensabend.

Wir haben vor, eine Arbeiter(klassen)-Bewegung zu bilden, die die arbeitenden Menschen, die ja die Mehrheit des amerikanischen Volks ausmachen zum Zentrum der Politik macht. Wir haben vor, das Antlitz Amerikas zu verändern, und wir haben vor, in einer Welt zu leben, in der unsere Nation nicht Krieg führt gegen ihre Feinde, sondern Beziehungen internationaler Solidarität unter den arbeitenden Menschen herstellt, die Feinde zu Freunden macht.

II. Cindy Cho

Hi, mein Name ist Cindy Cho. Ich bin Organizerin bei den Korean Immigrant Workers Advocates (KIWA). KIWA organisiert Beschäftigte im Niedriglohnsektor im koreanischen Viertel (Koreatown) von Los Angeles. Trotz seines Namens sind mehr als die Hälfte der Leute, die in Koreatown leben und arbeiten, tatsächlich nicht koreanisch, sondern Latinos. Bei unserer Restaurant-Kampagne und unserer momentanen Markt-Kampagne ist die Belegschaft gespalten, die eine Hälfte spricht nur koreanisch und die andere Hälfte nur spanisch. Um eine erfolgreiche Kampagne machen zu können, mussten wir einen Weg finden, sowohl KoreanerInnen als auch Latinos zu organisieren. Wie konnten wir Arbeitermacht herstellen, wenn wir nur eine Gruppe von beiden im Auge hatten? Das ist es, warum KIWA nicht auf einer rassischen oder ethnischen Basis organisiert, sondern auf Klassenbasis.

Die beiden größten Hindernisse beim Organisieren dieser zwei Gruppen von Arbeitern waren die Stereotypen und Missverständnisse, die jede von der anderen hat und natürlich die Sprache. Die koreanischen Arbeiter glaubten, dass es die Latinos leicht haben und nicht so hart arbeiten müssen, wie sie selbst. Und die Latinos glaubten, dass die koreanischen Arbeiter mehr Geld bekämen als sie selbst. Die koreanischen Unternehmer würden an ein Gefühl der ethnischen Solidarität der koreanischen Arbeiter appellieren. Diese ethnische Solidarität beginnt am Anfang mit freien Mahlzeiten, kleineren oder größeren Geschenken, Familienausflügen etc. Aber das steigert sich dahin, dass die Arbeitgeber glauben, sie hätten das Recht, die koreanischen Arbeiter physisch und psychisch zu bedrohen.

Oftmals würde diese Form der falschen, ethnischen Solidarität jede Chance auf Solidarität unter Arbeitern mit unterschiedlichen Hintergründen – wenn sie nicht organisiert sind – unmöglich machen. Genau hier setzt KIWA an.

Wir haben herausgefunden, dass, wenn man erst mal die Sprachbarrieren überwunden hat und den beiden Gruppen die Möglichkeit gegeben hat, sich miteinander auseinanderzusetzen und Erfahrungen auszutauschen, es ihnen hilft sich zu vereinen, wenn man ihnen zeigt, wie ähnlich ihre Erfahrungen doch sind. Den koreanischen Arbeiter war es möglich zu erkennen, dass sie mehr Gemeinsamkeiten mit ihrem Latino-Pendant haben als mit ihren koreanischen Bossen. Die Latino-Arbeiter konnten erkennen, dass die koreanischen Arbeiter nicht das gleiche waren wie die koreanischen Bosse. Das hat uns geholfen, die beiden Gruppen zusammen zu bringen.

In der Restaurant-Kampagne haben wir koreanische Kellnerinnen und Latino-Busfahrer und -Tellerwäscher zusammengebracht und haben den Arbeiterführern geholfen, die Restaurant-Arbeiter Vereinigung von Koreatown (RWAK) zu gründen, die heute 300 Mitglieder unter den 3000 Restaurant-Arbeitern in Koreatown hat. Die zwei Haupt-Organisatoren der RWAK sind frühere Restaurant-Arbeiter, die einander fast perfekt verstehen, obwohl der eine fast ausschließlich spanisch und der andere fast ausschließlich koreanisch spricht. Es ist bezaubernd, diese beiden in Aktion zu sehen...

In unserer Kampagne in den Märkten standen wir vor ganz ähnlichen Herausforderungen – und noch ein paar mehr. Z.B. waren die Latino-Arbeiter viel eher gewillt, die Organisierungs-Kampagne öffentlich zu unterstützen, als die Koreaner. Der Grund dafür war, dass die koreanischen Arbeiter die Sprache mit ihren Managern teilten, weshalb es wiederum sehr schwierig für sie war, über die Kampagne zu diskutieren. Noch wichtiger aber war, dass die koreanische Gemeinde die koreanischen Arbeiter, die aufgestanden waren, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, nicht in der Weise unterstützte, wie die Latino-Gemeinde die Latino-Arbeiter. Tatsächlich wurden sie oft von der koreanischen Gemeinde kritisiert, einen anderen Koreaner »verraten« zu haben und dann auf eine schwarze Liste gesetzt, so dass sie in der ganzen Stadt keinen Job mehr bekamen.

Aber es geht nicht nur darum, diese beiden Gruppen in einem Raum zusammenzubringen. Es geht auch darum, ein antirassistisches und antisexistisches Bewusstsein zu bekommen. In einer kleinen Organisation wie unserer muss der Organisator eine Kampagne mit antirassistischer und antisexistischer Bildung und Absicht beginnen. Ansonsten bringen wir die Arbeiter bloß für einen Vertrag oder eine Abmachung zusammen. So chaotisch der Prozess der Bildung einer Gewerkschaft sein kann, wir merken, dass Bewusstseinsbildung noch wichtiger ist, denn dieser Prozess kann lange dauern, und er distanziert die Arbeiter von der direkten Vereinnahmung ihrer Arbeitgeber.

III. Ken Riley: Kämpfen, um zu siegen

Wir sind täglich mit verschiedenen Kämpfen konfrontiert. Einige sind heftiger als andere, einige fordern uns mehr heraus als andere, einige sind schwerwiegender als andere: Aber wir dürfen nicht dem Irrtum verfallen, dass Kämpfe und Herausforderungen dem Leben der Arbeiterklasse dieses Landes und der Welt (notwendig) innewohnen.

Für die Menschen der Arbeiterklasse, Hafenarbeiter, Fabrikarbeiter, Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Hotelarbeiter, Arbeiter für die öffentliche Sicherheit sind die Herausforderungen und Kämpfe in diesem Jahrhundert sicherlich komplexer und komplizierter als jemals zuvor. Lassen wir uns nicht täuschen, die Attacken der globalen Kapitalisten auf Bürger aus der arbeitenden Klasse jeder Nation sind sehr sorgfältig überlegt – herrschaftlich entworfen, um Arbeiter gegen Arbeiter auszuspielen. Wenn wir die verschiedenen Themen betrachten, mit denen arbeitende Menschen konfrontiert sind, müssen wir jedes einzelne in einer globalen Perspektive betrachten. Jeder unserer Jobs ist durch globale ökonomische Bedingungen und eine globale Agenda geprägt, die die Wohlfahrt meiner, deiner oder jeder anderen arbeitenden Familie nicht einbezieht.

Vor einigen Monaten hatten Baldemar Velasquez (Präsident des Farm Laborers Organizing Committee), ich selbst und viele andere auf dem Capitol Hill bei einem Kongress-Hearing zur NAFTA deren verheerenden Einfluss auf die Industrie und die Jobs in Amerika deutlich gemacht. Textilarbeiter, Bauern, Landarbeiter, Hafenarbeiter, Grenzer und Stahlarbeiter – alle bestätigten den Horror des Freihandels.

Sicher, die Berichte darüber existieren. Sicher, unsere Regierung kennt die Statistiken, die von ihren eigenen Büros erstellt werden. Wir müssen ihnen nicht mitteilen, was mit uns passiert. Sie wissen es schon. Und wenn sie auch etwas dafür tun wollten, sie könnten dies nicht. Die Dollars der Multis, die durch das Freihandelsabkommen erzeugt sind, sind auch die Dollars, die die Geldsäcke in der Regierung in Washington und in ganz Amerika füllen.

Was können wir tun? Wie können wir es tun?

Angesichts dieses globalen Phänomens und der ungeheuren Mittel ,die in dieses Projekt fließen, kann es einem so übermächtig vorkommen, dass wir uns schon geschlagen fühlen. Wir fühlen, dass wir nichts tun können, außer ums nackte Überleben zu kämpfen. Ich meine, wir können uns den Luxus, uns geschlagen zu fühlen und Zeit zu haben, nicht leisten. In unserem Kampf gegen globalen Kapitalismus ist die Niederlage keine Option.

Aber wie wollen wir in Zukunft fortfahren?

Vor einigen Jahren trafen der AFL-CIO und die Arbeiterbewegung eine bewusste Entscheidung, sich stärker politisch zu einzumischen. In jeder internationalen Gewerkschaft und in übers Land verteilten locals wurden Fonds für politische Aktionen aufgelegt. Millionen von Dollars wurden gesammelt, in Washington wurden politische Büros eingerichtet, es wurde Personal für die Lobbyarbeit auf dem Capitol Hill angeworben. Schließlich bekamen wir einen Platz am Tisch. Und man spürte plötzlich unsere Anwesenheit als organisierte Arbeiterbewegung. Arbeiterfreundliche Kandidaten und solche, die dies vorgaben, begannen, Ansprüche anzumelden auf Beiträge der »Kriegskasse« der Arbeiter. Wir hatten ihre Aufmerksamkeit. Und plötzlich waren wir Teil des politischen Mainstream.

Aber wisst ihr was: Die, die uns unterstützen, sind nicht die einzigen, die bemerkt haben, dass die Gewerkschaften politische Vernunft bekommen haben. Die Großkonzerne bemerkten dies, genauso wie die Gesetzgeber des rechten Flügels – und wie antworteten sie? Diese gut geölte und fundierte Maschine erhöhte einfach die Umdrehungen pro Minute (revolutions per minute), sie machten den Gewerkschaften Dampf. Sie begannen in die Gesetzgebung einzudringen und »Verbesserungen« am existierenden Recht vorzunehmen, was es jetzt extrem schwierig macht, Gelder für gemeinsame Aktionen aufzutreiben, Gewerkschaftsbeiträge zu steigern o.ä. Die nationale »right to work foundation« kurbelte mit anderen antigewerkschaftlichen Organisationen die antigewerkschaftliche Propaganda an und begann mehr und mehr Dollars für Multis und Bosse aufzutreiben, die von unseren Organisierungskampagnen tangiert waren. Überflüssig zu sagen, dass die Niederlagen niederschmetternd waren. Wo hat uns das alles hingeführt?

Nach Jahren des politischen Aktivismus und der Ausgaben für Politik haben wir sehr wenig zu bieten. Der Niedergang gewerkschaftlicher Mitgliedschaft ist alarmierend. Freihandelsvereinbarungen rotten gewerkschaftlich organisierte Betriebe aus. Die Regierung in fast jedem Bundesstaat in Amerika privatisiert Branchen und eliminiert tausende guter, gewerkschaftlich organisierter, Jobs im Öffentlichen Dienst. Das Gesundheitssystem für unsere Arbeiter, ihre Familien und unsere Rentner versagt. Pensionsfonds und Rentenkonten wurden geplündert und von Insidern aus den Großkonzernen ausgeraubt, und die Fonds, die blieben, sind zusammengeschrumpft auf wegen des verfallenen Börsenmarktes.

Das öffentliche Schulsystem ist in der Krise und bankrott. Also, wenn es um Themen der arbeitenden Menschen und ihrer Familien geht, was haben uns die Dollars, die wir in die Politik gesteckt haben, gebracht? Was ist die Ertragsrate? Was haben wir erreicht? Wo sind die Dividenden?

Wenn Du oder ich unsere hart verdienten Dollars bei einer Bank oder an der Börse investiert hätten und dafür die Ertragsrate, die wir von Washington für unsere politischen Investitionen erzielt haben, bekommen hätten, hätten wir jeden einzelnen Dollar sofort aus diesen Institutionen abziehen und andere Anlagemöglichkeiten zuführen müssen.

Das ist es, was ich dem AFL-CIO und allen organisierten Arbeitern rate. Wir müssen unsere Ausgaben für Politik reduzieren und unsere Fonds vereinigten Arbeitern, ihren Familien, ihren Kirchen und ihren Organisationen zuführen: vereinigten Kräften des Widerstandes. Mehr von unseren Fonds, mehr von unseren Investitionen muss einer sozialen Bewegung zugeführt werden, zunächst im Land, dann im Ausland.

Lasst uns eine soziale Revolution (»people’s revolution«) machen. Es sind immer noch die Menschen, die wählen, nicht der Dollar. Und wenn dies stimmt, dann müssen wir eine Bewegung werden und uns zur Wahl stellen. Ich garantiere Euch, die Politiker werden zehnmal mehr um Eure Stimmen buhlen als um Eure Dollars. Es ist nicht schwer zu merken, dass die Gewerkschaftsdollars den Dollars der Multis nicht gewachsen sind. Aber letztere sind den Stimmen der Arbeiterklasse nicht gewachsen.

Schult sie, zeigt Ihnen, dass die einzige Hoffnung für uns in der kollektiven Kraft aller von uns steckt.

Schließlich, während wir diese neue Revolution, die ich mir vorstelle, vorantreiben – und während wir unsere Anstrengungen verstärken, alle Arbeiter zu vereinen, weiß ich, dass wir immer noch viele unserer vereinzelten Kämpfe gewinnen können – mit denen Ihr alle konfrontiert seid. Wenn man siegen will, sollte man die Niederlagen vom Tisch wischen.

Und das müsst Ihr tun: Stellt Nachforschungen an und forscht weiter. Findet heraus: Wem gehört was? Wer unterstützt wen? Wer produziert was? Wer konsumiert was? Wer setzt wen ins Unrecht? Wer transportiert was? Und dann verbindet die Punkte zu einem Zusammenhang. Findet die Schwachpunkte und die verwundbaren Stellen.

Plant und dann plant weiter. Welche Knöpfe sind zu drücken? Welche drücken wir und wann?

Organisiert und dann organisiert weiter. Rekrutiert und umgebt Euch mit den Besten und den Gewillten: Denen, die wissen, wie die Dinge zu tun sind und die sie tun. Entdeckt die Stärken von jedem, aber auch ihre Schwächen. Dann delegiert Aufgaben und Aufträge entsprechend. Und haltet Euch auf jeden Fall dran. Verantwortlichkeit ist entscheidend.

Sammeln wir die Ressourcen; jeder Kampf kostet. Und jeder Dollar zählt. Geh hinaus und vermarkte Deinen Kampf. Erzähl Deine Geschichte, verkauf Deine Geschichte, und die Leute werden antworten.

Sehr wichtig ist die Führung – die Führung muss entschieden sein. Sie müssen den Kampf internalisiert haben und überzeugt sein, dass der Sieg nicht nur möglich, sondern unvermeidlich ist. Wenn die Führung nicht überzeugt ist, wird es auch niemand anderes sein. Wenn es ein Moment des Zweifel gibt, wird er wie ein Lauffeuer über die Mitgliedschaft hinwegfegen, und alle Hoffnung wird vertilgt.

Die Führung muss an vorderster Front den Weg weisen, auch wenn sie nicht sicher ist, was um die Ecke lauert. Geht als gute Vorbilder voran, und bringt Opfer. Andere werden dies bemerken und auch Opfer bringen.

Also, wir müssen siegen, ihr müsst siegen. Warum, weil wir es uns einfach nicht leisten können zu verlieren. Niederlage ist keine Option.

Erinnert Euch: Der Wille zu kämpfen ist eine Sache und das Kämpfen selbst eine andere. Aber zu wissen, wie man kämpft und gewinnt, ist die bessere Sache. Lasst uns kämpfen und Siegen.

 

Übersetzung: Nadja Rakowitz, Jörg Waschatz

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 10/03

* Eine überarbeitete Neuauflage des »troublemaker-Handbuchs« wird in nächster Zeit erscheinen.

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