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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Kollege, Opfer Konkurrent Auf einem gewerkschaftlichen Workshop zur illegalen Beschäftigung meldeten „Die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung geht uns alle
an!“ heißt es auf der Homepage der Berliner Senatsverwaltung für
Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Vorgestellt wird eine zentrale Anlaufstelle
zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Auf einer "Nirgends ist die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Meinung und praktischen Handeln größer", meinte Norbert Cyrus von der Universität Oldenburg. Während die Schwarzarbeit zum Grundübel der Gesellschaft hochstilisiert werde, greifen nicht nur Privatleute sondern auch staatliche Arbeitgeber gern darauf zurück. Cyrus hielt am Donnerstag auf einen vom DGB-Bildungswerk veranstalteten Workshop zum Thema illegale Beschäftigung ein Impulsreferat. Das es sich um ein heikles Thema handelt, war den Veranstaltern klar. Antirassistische Gruppen haben Einzelgewerkschaften immer wieder vorgeworfen, vorrangig die Interessen der deutschen Arbeitnehmer zu vertreten und Beschäftigte ohne deutschen Pass auszugrenzen. Diesen Eindruck mochte Norbert Cyrus in seinem kritisch-solidarischen Referat nicht ganz zerstreuen. In seiner sehr differenzierten Analyse gewerkschaftlicher Medien und Internetseiten zum Thema illegale Beschäftigung stellte der Wissenschaftler drei unterschiedliche Diskursweisen fest. Der illegale Arbeiter kann als Kollege Opfer oder Gegner betrachtet werden. Alle drei Verhaltensweisen kommen in der gewerkschaftlichen Theorie und Praxis vor, so Cyrus. So werde bei der IG-Bau der Schwerpunkt auf Kontrolle und Kriminalisierung gelegt. Insgesamt attestierte Cyrus dem DGB, sich eher an Gesetzen und deren Einhaltung als an Rechten und deren Erkämpfung orientiere. Darin sieht er die Gefahr einer autoritären Entwicklung. Mit Verweis auf den
von dem Zukunftsforscher Robert Jungk kreierten Begriff des Atomstaates Frank Schmidt-Hullmann vom IG-Bau Vorstand sieht in der Kritik an seiner Gewerkschaft vor allem Missverständnisse. So habe es bei der von antirassistischen Gruppen bekämpften Kampagne „Ohne Regeln geht es nicht“ um eine Aktion gegen illegale Beschäftigungspraktiken von Unternehmern und nicht um den Kampf gegen illegal Beschäftigte gehandelt. Allerdings räumte Schmidt-Hullmann ein, dass als Folge der von seiner Gewerkschaft geforderten Kontrollen die Abschiebung von Arbeitern ohne Papiere sein kann. Trotzdem könne man aus seiner Sicht nicht auf diese Kontrollen verzichten. Trotzdem könne man aus gewerkschaftlicher Sicht dafür sorgen, dass auch den abgeschobenen Arbeitern der Lohn für ihre Arbeit nicht vorenthalten wird. Inzwischen hatten sich aber die Betoffenen selbst zu Wort gemeldet. Eine
Gruppe von Haushaltsarbeiterinnen, die in dem europäischen Netzwerk Respect
und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisiert sind, forderten in
Flugblättern und einen kurzen Redebeitrag Arbeitsrechte für alle unabhängig
vom Aufenthaltsstatut. Verdi solle sich dafür einsetzen, dass auch die
Haushaltsarbeiterinnen in den Genuss gesetzlicher Standards wie Mindestlohn,
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie Kündigungsfristen kommen. Außerdem Diese Intervention wurde von den Teilnehmern des Workshops überwiegend positiv aufgenommen. Sonja Marko von der Verdi-Hauptverwaltung betonte, dass Gewerkschaften kein Selbstzweck sind und auch für neue Entwicklungen offen sein müssen. Sie verwies auf das Beispiel der Buchdruckerinnen, die von ihren männlichen Kollegen in der Frühphase der Arbeiterbewegung als Konkurrentinnen bekämpft worden waren. Die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft war ihnen verwehrt worden. So gründeten die Frauen eine eigene Gewerkschaft und erst jahrzehnte später kam es zu einer Vereinigung. Peter Nowak (erweiterte Fassung gegenüber ND vom 2.12.05) |