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Updated: 18.12.2012 15:51
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Mensch oder Maschine?

Es gab einmal eine Zeit, da führte jeder Politiker den kernigen Spruch im Munde: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Seitdem sich die Zeiten mit der Depression, die in den 70er Jahren einsetzte, geändert haben, seitdem sich die wirtschaftlichen Zuwachsraten halbierten, sich die internationale Konkurrenz verschärfte, soll der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt stehen, sondern sich den Maschinenzeiten anpassen.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe soll durch Verlängerung der Maschinenlaufzeiten, durch Schicht- und Nachtarbeit, womöglich auch durch Aufgeben der Fünf-Tage-Woche auf Kosten der Menschen verlängert werden. Und diese Kosten sind verdammt hoch. Wenn mehr als die Hälfte der Industriearbeiter vor Erreichen der Altersgrenze für die Rente als Invaliden ausscheiden muss, so bedeutet das: Ihnen wird Lebenszeit gestohlen.

Professor Müller-Limmroth, Direktor des Instituts für Arbeitsphysiologie der Technischen Universität in München, übrigens der Sohn eines Bergarbeiters, also bestimmt ein weißer Rabe in dieser Ärztegilde, hat in der Streikbewegung der IG Metall 1973, in der es um eine Pausenregelung ging, die möglichen Schädigungen von Körperfunktionen am Arbeitsplatz so geschildert:

Sie sind die Folge der »Wechselwirkung zwischen geistig-nervöser Beanspruchung infolge hoher Aufmerksamkeit, Wachheit, Zeitdruck, störenden Umweltfaktoren wie Lärm, Hitze, Staub, Riechstoffe und anderem einerseits und den körperlichen Erscheinungen andererseits . Das sind: Magen-Darm-Störungen, vor allem chronische Magenschleimhautentzündungen, Kreislauflabilität, aber auch Bluthochdruck, physisch bedingte Muskelverspannungen mit Herabsetzung der Geschicklichkeit und der sich daraus ergebenden Unfallgefährdung und schließlich Schlafstörungen.«

Vielleicht aber hat sich all das seit 1973 geändert? Mitnichten! Aus einer in Genf veröffentlichten Studie der ILO erfahren wir: Jeder vierte Beschäftigte in den Industriestaaten wird im Laufe seines Berufslebens einmal psychisch krank. Angstzustände, Depressionen und sogar chronische geistige Störungen gehören zu den ernstesten Problemen der internationalen Arbeitswelt. Sie hängen unmittelbar mit Stresssituationen am Arbeitsplatz zusammen.

Als Ursachen werden weiterhin angeführt: extremer Überwachungsdruck, unpersönliche Arbeitsatmosphäre, hoher Lärmpegel, direkte Gefahrensituationen. Hieraus ergeben sich oft gespannte Verhältnisse zu Kollegen, Konzentrationsschwierigkeiten oder auch Entscheidungsschwächen. Bei vielen endet dieser Kreislauf in Niedergeschlagenheit, Angst, Reizbarkeit, gestörten Denk- und Sprechweisen und sogar in Selbstmordneigung.

Zu fordern, dass die Menschen sich an die Maschinenzeiten anpassen, anstatt die tägliche Arbeitszeit radikal zu verringern, ist das gleiche, als würde man von uns allen verlangen, unseren Körper dem Ausstoß giftiger Stoffe der chemischen Industrie, verseuchtem Wasser oder verpesteter Luft anzupassen, anstatt diese Plagen zu bekämpfen.

Aber die Verlängerung von Maschinenzeiten führt zur Erhöhung der Profitrate. Und ihr Menschenopfer zu bringen, ist schließlich der innerste Kern, der die auf Konkurrenz beruhende kapitalistische Profitwirtschaft zusammenhält. Nur wenn wir ihr unsere Solidarität gegen »Flexibilisierung«, gegen Anpassung an Maschinenzeiten und für Verkürzung der Arbeitszeit entgegensetzen, können wir den Menschen dienen, sie in den Mittelpunkt stellen.

Jakob Moneta (SoZ, Nr.3, 1987)


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