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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

"Artisten in der Zirkuskuppel ratlos"       

Ein informativer Querschnitt zur Eurokrise vor Pfingsten 2012 (25. Mai)

Ein Neuanfang in der ökonomischen Sichtweise in der EU mit Hollande
Den eigentlichen Beginn will ich machen mit einem "politischen" (= muss das immer heißen, von keinerlei ökonomischem Sachverstand getrübt - bzw. allenfalls von gängigen marktradikalen Ideologien geprägt?) Kommentar von Stefan Cornelius unter der Überschrift "Warten auf Hollande" (= nicht allgemein im Netz)

Die zentrale Aussage ist, wir nehmen ihm zwar nicht übel, dass Hollande die Unterordnung unter die deutsche Rettungssystematik verweigert - ja, das mag sogar einen kreativen Schub auslösen. Zunächst aber gehorcht er dem Instinkt des Politikers, der seine Wahl der Abgrenzung verdankt (= von Ökonomie kann er / braucht er ja deshalb keine Ahnung haben)...

Aber diese "Ahnung" von Ökonomie hat dafür "unsere" Kanzlerin Merkel: "Hollande spielt immer wieder mit der Idee von Eurobonds, jenem Teufelszeug, das Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht ganz zu Unrecht verabscheut, weil es gegen die Europäischen Verträge verstößt. (= das ist eigentlich eine recht dreiste Behauptung angesichts der "systemverändernden Wirkung" auf das europäische Verfassungsgefüge durch den sog. "Fiskalpakt" der Bundeskanzlerin - ja, wenn so etwas möglich sein soll, das "diktatorisch" die Demokratie in Europa den Parlamenten nimmt, dann könnte ja auch eine ganz andere Entwicklung hin zu einer demokratischen und solidarischen Union möglich gemacht werden können - oder?)

Aber mehr noch - diese Eurobands verstoßen noch gegen die Logik (sic!) von Anreiz und Wirkung...  "und weiter unterschätzt der französische Präsident seine Wirkung auf Märkte"...
Aber darum geht es doch genau, Europa aus der Zwangsjacke der Märkte zu befreien, die mit ihren exorbitant hohen Zinsen in den südlichen Ländern der Eurozone dort jedes Wachstum unmöglich machen (vgl. z.B. www.nachdenkseiten.de/?p=13326#h03 externer Link oder www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl31.html ). 

Muss eben Deutschland "auf ewig" der Profiteur der Krise (Peter Bofinger) zu Lasten der anderen werden?  (Vgl. Deutschland zahlt keine Zinsen mehr: www.fr-online.de/wirtschaft/euro-krise-und-die-folgen-fuer-deutschland-deutschland-zahlt-keine-zinsen-fuer-neue-schulden,1472780,16097144.html externer Link sowie www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutschland-erhaelt-zinsfreie-kredite-knete-fuer-umme-1.1365137 externer Link und zusammenfassend Jens Berger noch: www.nachdenkseiten.de/?p=13336 externer Link

Aus dieser Zinsfalle sollte es doch ein Entrinnen geben - auch wenn das der Politik - zumindest in Deutschland noch nicht so klar sein sollte (vgl. "Eurozone in der Zinsfalle": www.fr-online.de/wirtschaft/kommentar-zum-finanzmarkt-in-der-zinsfalle,1472780,16098176.html externer Link). 

Wie kann Eurpa dieser wachstumsvernichtenden "Zinsfalle" wieder entkommen? Zeit zur Klärung ist bis Ende Juni

So wird es also für Europa als Ganzes - und nicht nur Deutschland als einseitiger Profiteur - wichtig, dass über Eurobonds gestritten werden wird. (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-wachstumsgipfel-in-bruessel-merkel-und-hollande-streiten-ueber-euro-bonds-1.1365360 externer Link
Auch wenn dabei die Erkenntnis weiter reift, dass diese Eurobonds - angesichts der dazu notwendigen "neuen" europäischen Institutionen bzw. Strukturen Verfassungsänderungen notwendig werden (aber das macht doch dieser unsäglich undemokratische Fiskalpakt schon vor, dass dies - jedenfalls unter dem Vorzeichen der marktradikalen Ideologie - gehen soll: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/debatte-um-euro-bonds-whisky-fuer-den-alkoholiker-1.1365351 externer Link). Vielleicht ist es deshalb schon notwendig aus dem bisherigen marktradikalen Ideologiekonzept einfach auszusteigen - und es mit Keynes zu versuchen (Klotzen wie Keynes: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/alternativen-zur-sparpolitik-klotzen-wie-keynes-1.1365413 externer Link).

Robert von Heusinger hat in seinem Leitkommentar das prägnant anders gefasst, als der oben erwähnte Stefan Cornelius in der SZ: "Letzte Hoffnung: Merlande": "Die Krise frisst sich immer tiefer in die Währungsunion hinein. Es ist an der Zeit, den französischen Vorschlägen Vertrauen zu schenken - und zwar vor allem aus folgendem Grunde: "Jetzt wo alle Welt sieht, das die deutschen Vorstellungen zur Krisenbewältigung gescheitert sind, ist es höchste Zeit den französischen Vorstellungen Gehör zu schenken."  (www.fr-online.de/meinung/leitartikel-merkel-hollande-letzte-hoffnung--merlande-,1472602,16091630.html externer Link)

Und es wird nicht nur - am krassesten - bei Griechenland so offensichtlich - diesem "Sünder", wie die bisherige Krisenbewältigung frei nach den Marktrezepten auf sein weiteres Scheitern hinsteuert: "Griechenland kommt zum Erliegen"  (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/uebergangsregierung-in-athen-griechenland-kommt-zum-erliegen-1.1366264 externer Link), sondern jetzt beginnt die Eurokrise auch die heimische Wirtschaft zu treffen (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-krise-trifft-heimische-wirtschaft-nervoese-zone-deutschland-1.1366257 externer Link).

Und die SPD als schizophrenes Weltkind in der Mitten - ohne Wissen um das Scheitern der Eurozone

Und was macht die SPD so als "Zünglein" an der Waage zur Durchsetzung des Fiskalpaktes? Auf der einen Seite bremst sie erst einmal die Kanzlerin in ihrem Zeitplan  (www.sueddeutsche.de/politik/spitzengespraech-im-kanzleramt-opposition-bremst-merkel-beim-fiskalpakt-aus-1.1366246 externer Link). Das ist eigentlich schon eine nicht zu verachtende politische Tatsache, denn es sind nun gerade noch fünf Wochen bis zu dem entscheidenden Europäischen Rat bis Ende Juni - und so besteht die - wenn auch vielleicht nur geringe - Hoffnung, dass sich auch in der SPD, von der der Fiskalpakt in Deutschland abhängt, zu einer angemesseneren Überzeugung für ein Schuldenregime in der Eurozone mit Wachstum noch einfällt - eben ein "besseres" als dieser marktradikal wachstumsvernichtende und demokratiefeindliche und bloß "marktkonorme" Fiskalpakt.

Und so steht die SPD da, bremst auf der einen Seite die Kanzlerin (gut!) und hat andererseits nichts gegen "diesen" Fiskalpakt. Die Süddeutsche charakterisiert diese seltsame Rolle der SPD zum Fiskalpakt: "Ein Nein wäre schizophren" - aber ein "Ja" würde die schwarz-gelbe Regierung stützen (wenn auch als längerfristige Folge die Währungsunion "abservieren") - und so können sie auch nicht - etwa Hollandes Strategie stützend - zu einem "Nein" gelangen, weil das würde doch der eigenen "Pro-Fiskal-Pakt-Überzeugung" widersprechen  (www.sueddeutsche.de/politik/die-spd-und-der-fiskalpakt-ein-nein-waere-schizophren-1.1366462 externer Link).
 Zu dieser Rolle einer SPD, die die Krise in ihren ganzen Ursachen nicht zu verstehen in der Lage ist, siehe auch noch die Kritik von Heiner Flassbeck an Steinbrück, der seine Differenz zu Sarrazin entwickeln möchte - aber damit auch irgendwo hängen bleibt (www.nachdenkseiten.de/?p=13342 externer Link sowie auch noch www.nachdenkseiten.de/?p=13347#h04 externer Link). 

In dieser Umbruchs-Situation trifft Wirtschaftsweiser Bofinger auf Frank Schäffler, den Anti-Euro-Rebellen der FDP

Im Wirtschaftsteil (S. 19) der SZ vom 25. Mai 2012 lässt die Süddeutsche den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger auf den FDP-Rebellen gegen die bisherige Merkel´sche Euro-Rettungspolitik treffen. Einen zentralen Schwerpunkt macht dabei die Geldpolitik der EZB mit ihrer Billionen-Spritze für die Finanzmärkte aus, die Bofinger verteidigt:
Schäffler: "Die Basis für die Inflation ist da! Die EZB hat die Banken mit einer Billion Euro versorgt...“
Bofinger: "Die aktuelle Inflationsrate von 2,3 Prozent liegt unter dem Durchschnitt der Geldentwertung zu D-Mark-Zeiten..."
Schäffler: "EZB-Chef Mario Draghi hat mit dieser Geldspritze die Monetarisierung der Staatsschulden eingeleitet…"
Bofinger: "Die EZB stand vor dem Problem, dass die Politiker nicht genug getan haben, um eine Kernschmelze des Euroraums zu verhindern: Die Frage war: Rette ich oder lasse ich den Euro absaufen?  Das ist das klassische Chicken-Game."
Und auf die Frage, gab es dadurch eine Entspannung auf den Finanzmärkten?: Bofinger: "Nein, das ist nur ein Atemholen. Die strukturellen Probleme (zur Reformierbarkeit des Finanzsystems durch neue Regeln macht er Vorschläge - u.a. "Am wichtigsten ist die Vernetzung der Banken so zu reduzieren, dass es möglich wäre, etwa die Deutsche Bank in die Insolvenz zu schicken, ohne dass das Finanzsystem kollabiert" (Rudolf Hickel nannte das schlicht und einfach "Zerschlagt die Banken"). Der Schuldenschnitt in Griechenland hat die Schuldenstandsquote, also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung, nur minimal reduziert. Zudem verstärken die dortigen Sparmassnahmen die Rezession. Ähnlich ist die Lage in Spanien und Portugal. wo bei einer abschwächenden Konjunktur immer neue Sparprogramme aufgelegt werden. Das belastet das europäische Bankensystem, das schon durch die Verluste auf Staatsanleihen erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde... In dieser Situation hat die EZB mit ihrem Billionen-Kredit eine Art Herz-Lungen-Maschine angeworfen, um das europäische Finanzsystem am Leben zu erhalten. Die EZB wird sich erst dann zurückziehen können, wenn es der Politik gelingt , die Banken nachhaltig zu stabilisieren."
Schaeffler: "Unsere großen Banken können immer sagen, sie seien systemrelevant. Das ist Erpressung. Banken müssen pleite gehen können."
Bofinger: "Warum setzen sie sich nicht in Berlin dafür ein, dass die Verflechtung der Institute vermindert wird?“
Schäffler: "Haftung ist die beste Regulierung. (Von der IKB bis hin zu Griechenland hätte man alle Pleite gehen lassen sollen...)“
Bofinger: "Wir haben doch erlebt, wie gefährlich das ist. (Beispiel Lehman-Brothers in den USA)... - Mit ihrem Taliban-Ansatz haben doch auch die Deutschen ihre Erfahrungen. Reichskanzler Brüning hat in den dreißiger Jahren knallhart die Defizite auf null gesetzt - wir kennen die Konsequenzen."

Und mit der Rückkehr zum Goldstandard - ein fester Anker für eine Währung muss für Schäffler her  - (vgl. Keynes gegen Churchill in den zwanziger Jahren - sowie das Ende von Bretton Woods) die Schäffler dann noch vorschwebt, kann sich Bofinger auch nicht anfreunden… (Zu Bofinger gerade aktuell auch noch im "Spiegel": www.nachdenkseiten.de/?p=13347#h07 externer Link)  

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 25.5.2012


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