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Updated: 18.12.2012 15:51
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Petra wehrt Sozialschnüffler ab

Lutz Wehrung von "agenturschluss" schrieb in "ak zeitung für linke debatte und praxis" einen lesenswerten Beitrag zum Thema "Wenn der Schnüffler zwei Mal klingelt". Als ich den Beitrag gelesen hatte, fiel mir die Geschichte einer Bekannten - ich nenne sie hier einfach mal "Petra" - ein. Ich finde es in dem von Lutz Wehrung dargestellten Zusammenhang sehr aufschlussreich, wie Petra, die ALG II bezieht und mit einem Mann in der gleichen Wohnung zusammenlebt, es schaffte, dass die Schnüffler erst gar nicht in ihre heiligen Vierwände kamen.

Armin Kammrad, 06.04.2006

1. Akt

Eines schönen Herbsttages klingelt es bereits kurz vor acht Uhr morgens. Petra schleppte sich aus dem Bett und öffnete, nur mit Morgengewand bekleidet, die Wohnungstür. Zwei Herren standen draußen und fragten höflich, ob sie einmal in die Wohnung dürften. Sie kämen im Auftrag der ARGE. Petra sagte entschlossen "Nein". Unangemeldeter Besuch käme ihr nicht in die Wohnung.

Den beiden Herren half weder die Drohung mit Nachteilen noch das unaufgeforderte sich ausweisen. Petra blieb beim Nein und schloss mit einem "Einen guten Tag noch" die Wohnungstür.

2. Akt

Nur drei Tage später fand Petra einen Brief im Kästchen. Vorladung. Sie hätte ihre Mitwirkungspflicht verletzt, erklärte ihr die Dame bei der ARGE, als Petra - wie höchstamtlich befohlen - mitwirkte und pünktlich zum Termin erschien. Mit ihrem Verhalten "neulich" würde sie Sanktionen nach § xyz riskieren. Petra lies sich davon nicht beeindrucken. Hausbesuche müssen vorher angemeldet und begründet werden, hätte sie irgendwo mal gelesen. Die beiden Frauen trennten sich in ewiger Feindschaft, und dann kam er auch postwendend, der Brief mit der Ankündigung eines Hausbesuchs für Anfang der kommenden Woche. Es bestünde der "begründete" Verdacht, hieß es, dass Petra in einer Bedarfgemeinschaft mit einem Mann in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Dies wolle man Vorort überprüfen.

3. Akt

"Stimmt nicht", schrieb Petra in ihrem Einschreiben am gleichen Tag zurück. Ein Hausbesuch müsse begründet werden. Es fehlt an für sie nachvollziehbaren Fakten, dass der geäußerte Verdacht wirklich zutrifft. Petra hätte eher den Verdacht, dass mit Ausforschung ihrer Vierwände ein Grund für solche Verdächtigungen erst gesucht wird, erklärte sie offenherzig schriftlich. Deshalb legte Petra "Widerspruch" gegen einen Hausbesuch ein. Was ihre Pflicht zur Mitwirkung betrifft, erklärte sich Petra ausdrücklich dazu bereit - falls die Notwendigkeit eines Hausbesuchs noch begründet würde.

4. Akt

Statt einer Begründung kamen dann die beiden Herren pünktlich zur angekündigten Zeit. Petra hatte sich dieses Mal gut vorbereitet. Die Kopie des Widerspruchs nahm sie gleich mit zur Tür als es klingelte. Außerdem war, neben ihrem Freund, noch eine gute Freundin anwesend.

Als die beiden Herren scheinbar wie selbstverständlich nach einem lockeren "Guten Morgen" eintreten wollten, stellt sich Petra ihnen mit der Frage entgegen, ob sie denn eine Begründung für den Hausbesuch dabei hätten. Die beiden Herren schienen die Frage nicht so recht zu verstehen. Was für eine Begründung?

Petra überreichte mit Worten "Hierauf" den einen Herren die Kopie ihres Schreibens. Ohne die Kopie eines Blickes zu würdigen erklärte dieser Petra, dass es sich hier um keinen Verwaltungsakt handelt und ein Widerspruch sowie so nur gegen einen Verwaltungsakt rechtlich möglich sei.

Petras "Ach, dann kommen sie privat", schien den Adrenalinspiegel der beiden Herren merklich anzuheben. Petras Nachsatz, dass ihre Wohnung grundgesetzlich geschützt sei, schien bei den Herren spontane Regungen auszulösen, die so gar nicht in das geltende verfassungsrechtliche Bild passten. Die gekonnt imitierte Türsteherhaltung ihres Freundes und ihrer Freundin schafft emotional etwas Ruhe. Und die Antwort "Kein Kommentar" auf die Frage, wer denn die beiden seien, löste eine lautstarken und für alle Nachbarn nicht zu überhörenden Rückzug der beiden Herren aus.

Letzter Akt ?

Seltsam, nun geschah plötzlich gar nichts. Die Tage danach waren gekennzeichnet von Ruhe. Keine Vorladung, kein Bescheid über Kürzungen, nichts. Kommt da noch was?

Es war Petra, die nach fast vierzehn Tagen nachlegte. Wieder mit Einschreiben teilte sie der ARGE mit, dass sie erwägt rechtlich gegen die beiden Herren vorzugehen. Unter Zeugen hätten diese sie bedroht, als Petra die Herren nicht in ihre Wohnung lassen wollte. Deren Ansinnen musste sie "leider" ablehnen, weil das Interesse ihre Vierwände zu inspizieren bisher immer noch nicht begründet worden sei. Und als besonderen Leckerbissen bekundete Petra auch noch ihr Interesse an einer gerichtlichen Klärung der Frage, ob Hausbesuche ohne Begründung überhaupt zulässig seien - falls nötig.

Zurzeit wartet Petra noch auf eine Antwort. Gekürzt wurde bisher allerdings nicht. Kann also noch recht spannend werden.

Auf meine Frage, ob sie sich denn etwas von der Behauptung mit der Bedrohung versprechen würde, meinte Petra, sie hätte sich eben bedroht gefühlt. Das Recht auf das eigene Gefühl wird ihr keiner absprechen können, auch wenn es im Streitfall für die beiden Herren wahrscheinlich keine Konsequenzen haben wird.

Was ihre Angst vor möglichen Kürzungen und Sanktionen betrifft, zog Petra folgende Zwischenbilanz:

Bezüglich Kürzung wegen eheähnlicher Gemeinschaft wollte die ARGE ja gerade in ihrer Wohnung herumschnüffeln. Wäre eine Kürzung auch ohne dem möglich, hätten sie ja gekürzt und nicht auf Schnüffelei in ihrer Wohnung bestehen müssen. Da sie aber nicht drin waren, können sie ihren Verdacht somit nicht begründen.

Bezüglich Sanktionen wegen konsequenter Blockadehaltung, hofft Petra, kommt es letztlich nur darauf an, ob Hausbesuche rechtlich aufgrund reiner Mutmaßung, gewissermaßen "präventiv", oder nur sachlich begründet möglich sind. Schließlich hätten - laut Grundgesetz - auch ALG II-Bezieher ein Recht auf Unantastbarkeit der eigenen Vierwände. Und wer seine Grundrechte nicht praktisch lebt, sollte sich auch nicht wundern, wenn Papier nur geduldig ist.

(Fortsetzung folgt - vielleicht noch)


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