Einmal Ausbildung - Kein Zurück
27. Aug 2004
Seit meinem heutigen Besuch bei meiner zweiten Heimat,
dem Arbeitsamt der Stadt Witten, weiß ich nun, da ich damals einen
Fehler gemacht habe, als ich dachte: "Du nimmst jetzt, was Du an
Ausbildung bekommen kannst..."
Genau dieser Gedanke führte damals, vor etwa 8 Jahren,
dazu, dass ich eine Ausbildung zum Bürokaufmann in einem Kurierbetrieb
mit bestenfalls als "fragwürdig" zu bezeichnenden Geschäftspraktiken
begann. "Da mußt Du durch." dachte ich mir und beendete
die Ausbildung nach flotten 2 Jahren, ungeachtet der Tatsache, dass der
gesamte Tätigkeitszweig "Verwaltung" mir in etwa so zusagt,
wie einem Biber das Wohnen in einem Vogelnest.
Im Anschluß an meine, in der Praxis sehr lückenhafte Ausbildung
wurde mein Ausbildungsbetrieb auch prompt von einem Mitbewerber aufgekauft,
der Kundenstamm und Fuhrpark übernommen und die Verwaltung geschlossen.
Schwupps! Stand ich auf der Straße...
Da der Tatendrang des Arbeitsamtes ja keine Grenzen kannte, bekam
ich in dem knappen Jahr meiner Erwerbslosigkeit gewagte 8 Stellenvorschlge
zugeschickt, die, alles in allem, so wertvoll waren, wie eine Tagesration
Hausmüll. Nach langem Suchen und Bewerben schaffte ich es schließlich,
eine "hochqualifizierte Arbeitsstelle" zu ergattern: Ich wurde
Briefträger, was auch soweit ganz nett war...
...allerdings nur für ein Jahr, weil ein Unternehmen ja Verträge
nicht länger befristen kann und natürlich den Teufel tun wird
und irgend jemandem einen unbefristeten Vertrag zu geben. Also wieder
auf in die Erwerbslosigkeit...
Diesmal bertraf der Eifer der "Agentur für Armut" alle
Erwartungen: 5 Stellenangebote in einem ganzen Jahr haben sie geschafft
mir zukommen zu lassen. Mein Antrag auf eine Umschulung zum IT-Systemkaufmann
wurde in dieser Zeit natürlich abgelehnt, mit der Begründung:
"Der Arbeitsmarkt sieht doch so gut aus und Bürokaufleute werden
doch überall gesucht..."
Die Frage ist nur: Wo ist "überall"???
Zu "guter" Letzt kam ich in einer, auch bestenfalls als "windig"
zu bezeichnenden, Zeitarbeitsfirma unter, bei der ich für ein Taschengeld
( etwa 5€/ Std.) vier Monate tätig war, um von dort direkt
als Bürohilfskraft mit 1000 € netto in die Büros einer
Wittener Spedition zu wechseln.
Aus diesem netten Hause flog ich nach einem dreiviertel Jahr, mit der
Begründung, dass mein Arbeitseinsatz ( im Schnitt 11-12 h / Werktag)
in der Woche zu wünschen übrig ließe und man mich ja nie,
bitte festhalten, "am Wochenende im Büro sehen würde"...
Entschuldigen Sie bitte, aber ICH habe ein Privatleben...
Dieses "freudige Ereignis" ist nun 1,5 Jahre her und ich bin,
wer hätte das gedacht, immer noch erwerbslos... Das Arbeitsamt hat
sich in seiner Leistung weiter gesteigert und mir in diesem Zeitraum drei
Stellenangebote zugeschickt, super... Und mich hat man mal wegen mangelndem
Arbeitseinsatz gefeuert...
In 1,5 Jahren hat man viel Zeit nachzudenken und ich kam zu den Schlüssen:
- Bürokaufmann ist eine Sackgasse
- Meine Ausbildung ist wertlos, weil unvollständig
- Ich will das auch gar nicht machen, weil stinkenlangweilig
Die Lösung, wie ich dachte: Eine Umschulung, oder
zweite Ausbildung...
Der Bereich meiner Wahl: Friseur
Nun habe ich eine Ausbildungsstelle zum Friseur in Aussicht, werde diese
aber wohl nicht antreten können, aus dem simplen Grunde, weil ich
es mir nicht leisten kann. Denn:
Für eine zweite Ausbildung bekommt man keinerlei Unterstützung,
weder vom Arbeits- noch vom Sozialamt...
Die Ausbildungsvergütung eines Friseurlehrlings beträgt um die
365 und davon Miete, Nahrung, Kleidung etc. zu bezahlen ist schlichtweg
nicht möglich...
So sitze ich hier nun, schreibe mir mal eben den Frust von der Seele und
bin dem Arbeitsamt und seinen "freundlichen, einsatzbereiten Mitarbeitern"
dankbar für die Menge an "Unterstützung, Hoffnung und Perspektive",
die sie mir so selbstlos geben... Beim Thema "geben": Ich geh
mich jetzt ÜBERgeben...
Die Moral von der Geschicht: Lieber ein paar Jährchen warten, bis
man eine Ausbildungsstelle bekommt, die man auch wirklich haben will.
Weil: Eine zweite Ausbildung kann man sich nur als Kind reicher Eltern,
wie z.B. Politikern, leisten.
Mit freundlichen Grüßen aus
NRW
Veit Lichtner
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