Konzept zur Beteiligung von ver.di an der
Aktion „Agenturschluss“
Motto: Wir lassen uns nicht spalten in
Beschäftigte und nicht (mehr) beschäftigte Lohn- und Gehaltsabhängige.
Im jüngsten Arbeitskampf bei Opel Bochum kam ein Problem
zur Sprache, das auch uns nicht unbekannt ist:
Obwohl sich die Gewerkschaften nicht zuletzt deshalb gegründet haben,
um die Konkurrenz der Lohnabhängigen untereinander aufzuheben und
stattdessen durch gleichzeitiges gemeinsames, also organisiertes Handeln
die ganze eigene Stärke einzusetzen, versäumte es die IG Metall
ihre anderthalb Millionen Mitglieder betriebs- oder/und sogar branchenübergreifend
zu mobilisieren.
„Das große Dilemma ist“, sagten Opelianer, „dass
die Gewerkschaft derartige Kämpfe nicht will – wir werden
nicht in einen gemeinsamen Kampf geführt“.
Nun haben wir aber von höchster Ebene bei ver.di immerhin
eine Willensäußerung gegen die aktuelle Version von Hartz IV
und wir sollten der ver.di-Spitze vorschlagen, dem eigenen Forderungskatalog
in gemeinsamer bundesweiter Aktion mit den Beschäftigten der Agenturen
und den Massen der Erwerbslosen am 6.11.04 und am 3.1.05 Nachdruck zu
verleihen.
Dass in so einer gemeinsamen Aktion gegensätzliche Ansichten propagiert
werden, z.B. einerseits „Weg mit Hartz IV“, andererseits Hartz
IV zu verbessern, muss und kann eine Demokratie verkraften.
Für alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst,
ob organisiert oder (noch) nicht organisiert würde so ein einheitliches
und dann auch zahlenmäßig imposantes Handeln der größten
deutschen Gewerkschaft eine starke Ermutigung sein, die zum Mitmachen
ermuntert.
Außerdem würde ein derart energisches Handeln der obersten
Gewerkschaftsführung auch dem Selbstbewusstsein der unteren und mittleren
Funktionäre bei ver.di Auftrieb geben, die, anders als die Spitzenleute,
tagtäglich der Kritik und dem Misstrauen einer tief beunruhigten
Basis ausgesetzt sind.
Uns alle, einschließlich der Aktivistinnen und Aktivisten der Aktion
Agenturschluss, würde ein solches Vorgehen von ver.di voran bringen
zu dem Ziel, die Spaltung aller Lohnabhängigen - ob mit oder
ohne festen Arbeitsplatz – zu überwinden.
Gesetzliche Sicherheit der Beschäftigten, falls sie
bereit sind, am Widerstand gegen die Durchführung von Hartz IV am
6.11.04 und am 3.1.05 teilzunehmen, müsste mit Grundgesetz und Arbeitsrecht
gegeben sein:
- GG Art.9,3 (Koalitions-/Vereinigungsfreiheit,
Verbot von Maßnahmen gegen Arbeitskämpfe –
GG dtv S.15): „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits-
und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann
und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht
einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete
Maßnahmen sind rechtswidrig....“ (umstritten ist: wer ist
im Fall der Koalitionsfreiheit als dieser „jedermann“ Grundrechtsträger?:
Nur das Mitglied einer Gewerkschaft oder auch die Gewerkschaft, mit
oder ohne Verbindung zu GG Art.19, 2 – Nach Maunz/Dürig,
Herzog: gültig sowohl für das Mitglied als auch für
die Gewerkschaft)
Die Gewerkschaft ver.di hat laut Arbeitsrecht die Möglichkeit
diesen Widerstand in Wort und Tat legal zu unterstützen und sollte
für alle Fälle im Vorfeld der Aktion die Beschäftigten
über ihre Rechte aufklären:
- Nach dem Arbeitsrecht (zur Koalitionsfreiheit
und deren Konkretisierung) ist der Anspruch auf gewerkschaftliche
Werbung und Betreuung im Betrieb legitim: „Die Werbung neuer,
sowie die Information schon vorhandener Mitglieder werden als koalitionsspezifische
Tätigkeiten vom Schutz des Art. 9, Abs.3 GG erfasst“ (S.233/234)
und: „Das Recht zu werben und zu informieren wird durch Art. 9,Abs.3
GG umfassend geschützt; es ist für die Betätigung und
damit auch für den Bestand einer Gewerkschaft existenziell notwendig.
(... Urteile). Ohne Werbemaßnahmen würden nicht genügend
Arbeitnehmer in die Gewerkschaft eintreten, ohne Betreuung würden
Mitglieder vielfach wieder austreten.. „ (folgt Empfehlung: Schwarzes
Brett zur Information zu benutzen).
Auch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte
sind insofern geschützt, als die Frage der Mitgliedschaft den Arbeitgeber
nichts angeht:
- (S.48): „ Nicht erlaubt sind (dem Arbeitgeber)
Fragen nach Religions-, Partei- sowie Gewerkschaftszugehörigkeit“
(S.58): „Soweit der Arbeitgeber eine unerlaubte Frage stellt,
darf der Arbeitnehmer sie bewusst falsch beantworten, ohne dass dem
Arbeitgeber aus dieser Täuschung ein Anfechtungsgrund entsteht“.
Die Beantwortung dieser Fragen gehört nicht zu sonst offenbarungspflichtigen
Tatsachen, wie beispielsweise das Verschweigen von mangelnder Fahrpraxis
beim Vertragsabschluss als Fahrer u.ä. ( außer bei kirchlichen
Einrichtungen oder Tendenzbetrieben).
Außerdem können die Beschäftigten, wenn
der Arbeitgeber ihnen Schwierigkeiten macht umgehend in die Gewerkschaft
eintreten, um deren Schutz in Anspruch zu nehmen. Für Mitglieder
von ver.di ist die Rechtsauskunft und auch die Rechtsvertretung vor dem
Arbeitsgericht kostenlos (Kalender für Frauen, ver.di Nord, 2004,
S.42).
Kiel 28.10.04
Eva Dockerill, ver.di Senioren, FB3
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