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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Prekär, Prekarisierung, Prekariat? Bedeutungen, Fallen und Herausforderungen
eines komplexen Begriffs, und was I. Prekär bedeutet im wörtlichen Sinne »unsicher,
misslich, schwierig, bedenklich .«. Als politischer Begriff gebraucht,
sind damit vor allem Lebens- und Arbeitsverhältnisse gemeint, die
keinerlei Garantien begleiten. Zum Beispiel ein prekärer Aufenthaltsstatus
von Migrantinnen und Flüchtlingen oder ein prekärer Alltag als
allein erziehende Mutter. Seit den frühen 1980er Jahren wird »prekär«
verwendet, um Verhältnisse in der Arbeitswelt zu beschreiben. Prekäre
Arbeit bezieht sich entsprechend auf alle möglichen Arten unsicherer,
entgarantierter, flexibilisierter II. Prekarisierung in der Arbeitswelt meint eine beschleunigte
Verwandlung bisher garantierter dauerhafter Beschäftigungsverhältnisse
in zumeist schlechter bezahlte und weniger sichere Jobs. Im historischen
wie im globalen Maßstab stellt prekäre Arbeit allerdings keine
Ausnahme dar. Prekarisierung beschreibt darüber hinaus die Krise
der herkömmlichen Institutionen, die in der kurzen Zeitspanne des
Wohlfahrststaats (falsche) Sicherheiten im Leben verkörperten. Es
ist ein analytischer Begriff für einen Prozess, der auf eine neue
Qualität der gesellschaftlichen Arbeit verweist. Arbeit und soziales
Leben, Produktion und Reproduktion sind heute untrennbar verwoben - das
führt zu einer umfassenderen Definition von Prekarisierung: Es ist
die Ungewissheit der Lebensverhältnisse in ihrer Gesamtheit, die
Verunsicherung der materiellen wie immateriellen Bedingungen des Lebens
und der lebendigen Arbeit unter dem gegenwärtigen III. »Prekariat« - in Anspielung auf das Proletariat - lautet inzwischen eine offensive Selbstbezeichnung, mit der die subjektiven und utopischen Momente der Prekarisierung betont werden sollen. Angesichts der massenhaften Verweigerung, was Geschlechterrollen, Fabrikarbeit und das Kommando der Arbeit über alle Lebensäußerungen anbelangt, nimmt Prekarisierung zweifellos einen Doppelsinn an: tatsächlich lässt sich von einer Art »Flexibilisierung von unten« sprechen. Prekarisierung stellt nicht einfach eine Erfindung kapitalistischer Kommandozentralen dar, sondern ist auch eine Reaktion auf die Revolten und die neue Beweglichkeit der lebendigen Arbeit und kann insofern als ein Versuch verstanden werden, die vielfachen Kämpfe und Verweigerungen wieder einzufangen, um die Arbeit neuen Ausbeutungsbedingungen zu unterwerfen und neue Verwertungsbedingungen für das Kapital zu schaffen. Prekarisierung steht also für ein umkämpftes Terrain: ein Terrain, auf dem die Ansätze, einen neuen Ausbeutungszyklus in Gang zu setzen, auf die Wünsche und subjektiven Verhaltensweisen treffen, in denen das Aufbegehren gegen das »alte«, fordistisch genannte Arbeitsregime und die Suche nach einem anderen, freien, ja auch »flexiblen« Leben sich äußert. Zugleich allerdings läuft »Prekariat« als
neuer Kampfbegriff in eine alte Falle, wenn damit auf eine schnelle Vereinheitlichung
und die Gründung eines vorherrschenden sozialen Akteurs gezielt wird.
»Prekariat« wird sogar zur Farce, wenn die radikale Linke
sich über eine zunehmende Betroffenheit Das sind die Bedingungen, unter denen Prekarisierung als
komplexer und umkämpfter Prozess einen Bezugsrahmen bieten kann,
Wir denken an einen Prozess, der auf der Autonomie der unterschiedlichen Kämpfe basiert, der die Kommunikation dieser Kämpfe befördert, neue Formen der Kooperation ermöglicht und weitere Terrains eröffnet. IV. Gerade weil MigrantInnen die genannten Formen der Entwertung
und Prekarisierung heute in allen Aspekten des Lebens erfahren, gerade
weil in der Mobilität eine Antwort auf die konstruierten Grenzen
und zugeschriebenen Identitäten liegt, zeigen ihre Bedingungen, was
aktuelle gesellschaftliche Dynamiken insgesamt kennzeichnet. In ihrer
subjektiven Situation finden die In diesem Sinn sprechen wir von »migrantischer Arbeit«: (Arbeitspapier des Frassanito-Netzwerks) Siehe: Precarious, Precarization, Precariat? "The following text is the slightly revised version of a working paper. It was written and distributed by people from frassanito-network for the euromayday-preparation-meeting in Berlin in January 2005. And this paper is still on the move…" Papier des frassanito-network auf Englisch bei This Tuesday |