Home > Diskussion > Realpolitik > Mindestlohn > mlbachmann2 | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Gesetzlicher Mindestlohn versenkt Andreas Bachmann zum Beschluss des SPD-Gewerkschaftsrats Ende November diesen Jahres hat sich der Gewerkschaftsrat,
ein Gremium der Bundes-SPD, wo die Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften
mit sozialdemokratischem Parteibuch institutionell in die SPD eingebunden
sind, mit dem Vorhaben eines gesetzlichen Mindestlohns befasst und sich
bei nüchterner Betrachtung des Ergebnisses darauf verständigt,
das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Sicherlich gibt es keinen Grund, von einer rot-grünen
Gesetzesinitiative etwas grundlegend Gutes zu erwarten. Aus SPD-Kreisen
wurden schon mal Stundenlöhne in Höhe von 4-7 Euro brutto als
akzeptable Mindestlöhne in die Diskussion eingeführt.[1]
Gleichwohl haben hier die Einzelgewerkschaften und der DGB ihre Politik-
und Handlungsunfähigkeit demonstriert, weil eine Chance verpasst
wurde, die rot-grüne Koalition unter Druck zu setzen und das Problem
der Niedrig- und Armutslöhne im sozialpolitischen Raum als Thema
zuzuspitzen. So bleibt am Ende, dass sich die SPD mit einer Initiative
profilieren konnte, die von Franz Müntefering auch als mögliche
Korrektur von Härten in der Hartz-Gesetzgebung eingespielt wurde.
Bekanntermaßen wurden im SGB II alle Zumutbarkeitsregelungen –
auch die hinsichtlich des Entgelts – für Bezieher von Alg II
fallengelassen. Unzumutbar wären demnach nur noch Löhne, die
bis zu 40 Prozent unter den ortsüblichen Löhnen aktueller Rechtsprechung
sittenwidrig wären. IG Metall und ihre Schwestergewerkschaft BCE verstehen
Überlegungen für gesetzliche Mindestlohnregelungen als Angriff
auf die Tarifautonomie. Aber was steht heute für Tarifautonomie?
Für IG BCE und IG Metall (aber nicht nur für die) ist damit
eine feste Rolle im Institutionengefüge verbunden, die scheinbar
die Existenz der Organisation trotz aller materiellen Niederlagen dauerhaft
sichert. Gesetzliche Lohnfestlegungen, und zwar unabhängig
von ihrem konkreten Inhalt, müssen vor diesem Hintergrund von IGM
u.a. Einzelgewerkschaften als weitere Infragestellung ihrer ordnungspolitischen
Rolle wahrgenommen werden. Dem Problem, was Tarifpolitik inhaltlich in
einer Etappe von zunehmendem Wettbewerbsdruck und Verarmungsprozessen
großer Teile der Lohnabhängigen darstellt, also der Frage,
ob Tarifpolitik ein Gegengewicht zu den oder ein Abbild der o.g. Prozesse
ist, weicht man dagegen beharrlich aus. Dieser vorgeschlagene neuer Modus von allgemeinverbindlichen
Tariflöhnen blendet aber das Problem völlig aus, dass auch manche
Tariflöhne im unteren und teilweise noch im mittleren Segment –
aus welchen Gründen auch immer – Armutslöhne sind. (1) Vgl. den Beitrag
des Autors im express 10-11/2004, S. 7 Erschienen im express, Zeitschrift
für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit,
12/04 |