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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Schlagt nicht den falschen Weg ein! Den Offenen Brief der Bezirksgeschäftsführung Wiesbaden vom 12.03.2008 zu den gewerkschaftlichen Aktivitäten im Haus Krenkel und zur Einrichtung Mühltal habe ich gelesen. Ich bin erschrocken und empört. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen in der "Szene" möchte ich dazu Stellung nehmen. Als ehemaliger Geschäftsführer der "LAG Soziale Brennpunkte Hessen e.V." (aus dieser Zeit ist mir das Mühltal-Projekt auch bekannt!) und mit jahrzehntelangen Erfahrungshintergrund als Gewerkschafts-/Verdi- Mitglied mit bin ich zutiefst überzeugt, das diese Überprüfungs- und Kontrollbesuche nicht nur angebracht, sondern regelrecht notwendig sind. Meine Erkenntnisse über das Agieren von Beschäftigungsträgern der verschiedensten Couleur konnte ich unter anderem während meiner Tätigkeit als Vorsitzender der "Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit Schleswig-Holstein" vertiefen und verifizieren. Euch ist auch hinreichend bekannt, das sogar die auf gewerkschaftlichen Nährboden gewachsenen Bildungsträger auf Verschlechterungen der Förderbedingungen mit existentieller Angst im Nacken gewerkschaftliche Standards schleifen und sogar Tarifflucht begehen. Unter uns Gewerkschaftern brauche ich doch hierüber keinen Exkurs zu halten, wie diese Form der finanziellen Hierarchisierung abläuft. Und was alles getan wird, wenn nach dem anfüttern alsbald der finanzielle Entzug eingeleitet wird . Gewerkschaftliche Prinzipien und soziale Standards werden als Ballast über Bord geworfen. Auf der Strecke bleiben die, um die es eigentlich geht: Die EIN-EURO-Jobber. Das ist ärgerlich genug. Es ist aber notwendig, aktiv darauf zu reagieren statt dies nur achselzuckend zu beklagen. Gewerkschaftliche Aktionen, die für den ersten Arbeitsmarkt zur selbstverständlichen Standardausrüstung gehören, dürfen nicht vergessen oder gar verteufelt werden, wenn es um den Versuch geht, vermutete Missstände auf dem zweiten Arbeitsmarkt aufzudecken. Übrigens, - wer nichts zu verbergen hat und sich ordentlich benimmt, braucht diese Aktionen sicher nicht zu fürchten. Er kann sich entspannt zurücklehnen und entsprechend souverän darauf reagieren. Beschäftigungsträger (z.B. Wiesbaden Mühltal) sehr genau zu beobachten und dabei auch gegebenenfalls angemessen zu intervenieren, wie durch die heiß diskutierte Sichtprüfung der Initiative erfreulicherweise geschehen, ist legitim. Es ist sogar unbedingt erforderlich. Dieser Betroffenen - TÜV passiert leider viel zu selten. Nichteingreifen bedeutet nichts anderes als unterlassene Hilfeleistung für die maßgeblich Betroffenen. Diese Betroffenen sind nicht zu verwechseln mit der Leitungsebene der Träger, es sind wiederum die zugewiesenen EIN-EURO-Jobber. Wen wundert's, wenn insbesondere die letzteren hinsichtlich der gewerkschaftlichen Orientierung unter vielen Irritationen leiden. Abhilfe schafft nur kritisches, konsequentes Auftreten in der Sache, Mut zum öffentlichen Disput, und Stärke, um den unausweichlichen Anfeindungen zu widerstehen. Also Aktivierung der originären gewerkschaftlichen Pflichten und Tugenden. Deshalb ist eure Reaktion des Rückzugs falsch. Voraussetzung zum richtigen Erkennen und Handeln ist, die jeweilige Lage authentisch vermittelt zu bekommen. Dazu gehört nicht nur, aber im besonderen Maße die kontinuierliche Mitarbeit in den Betroffeneninitiativen. Es ist politisch falsch und moralisch illegitim, sich aus dem "Sozialforum" und der Initiativenarbeit zurückzuziehen. Damit schadet nur den Menschen, die unsere Unterstützung bitter nötig haben. Lasst euch nicht Einschüchtern und Vereinnahmen durch das durchsichtige und interessengeleitete Aufheulen von ein paar gewerkschaftsfeindlichen Kommunalpolitikern und Caritas - Vertretern. Ich fordere Euch daher eindringlich auf, weiterhin im Sozialforum mitzuarbeiten und euren Beschluss zu revidieren. Statt Rückzug wäre vielmehr eine Intensivierung des Engagements geboten. Niki Müller, Flensburg |