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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Kommt eine "große Erzählung" an ihr Ende?

Es ist übertrieben, dafür zu "danken", dass das Arbeitsvolumen geschrumpft ist: Die Lüge von der Arbeit

Warst du auch - zwar skeptisch blickend - von der Titelseite z.B. der SZ vom 3.Jan. 12  so beeindruckt? ("Soviel Arbeitsplätze wie noch nie": http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rekord-auf-dem-arbeitsmarkt-erwerbstaetigkeit-erreicht-neuen-hoechststand-1.1248496 externer Link) - und dabei entpuppte es sich als reine Propaganda (für diese Regierung aus "unserer" Presse). Ja, man muss sich eben an den alten Churchill halten: "Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast (vgl. auch  www.nachdenkseiten.de/?p=11741#h01 externer Link zur Manipulation mit Statistiken in den Nachdenkseiten vom 3. Januar 2012). Ja, dieses Jahr eröffnet turbulent - und wer alles versucht da aus welchen Gründen eine günstige "Startposition" für 2013 zu ergattern... ?  So wird es auch die Frage sein, welche Lügen am meisten noch die Wahlen 2013 beeinflussen werden?

Ulrike Herrmann zur deutschen Beschäftigungslüge: Es ist übertrieben, dafür zu danken, dass das Arbeitsvolumen geschrumpft ist:  Die Lüge der Arbeit ( TAZ:  http://www.taz.de/Debatte-Jobwunder/!84856/ externer Link):

Obwohl so viele Menschen arbeiten, gibt es nicht mehr entlohnte Arbeit. Stattdessen arbeiten einfach mehr Menschen weniger, sobald man nicht auf die Zahl der Erwerbstätigen starrt  - sondern auf die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden sieht.
Dann stellt sich heraus: Im Jahr 2000 wurden insgesamt in Deutschland 57,7 Milliarden Arbeitsstunden absolviert, 2010 waren es 57,43 Milliarden.

Wo ist da der Fortschritt?

Es ist etwas übertrieben, dafür zu "danken" (= das BMWi in einer großen Plakat-Aktion für 330 000 Euro), dass in zehn Jahren das Arbeitsvolumen leicht geschrumpft ist.
Zudem muß noch eine zweite Zahl stutzig machen: Momentan sind 8,4 Millionen Menschen in Deutschland "unterbeschäftigt" , womit gemeint ist , dass sie sich mehr Arbeit wünschen (oder einfach "bräuchten" , um angemessen ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können)...

Es ist kein Zufall, dass das Wirtschaftsministerium so dringend behaupten will, dass in Deutschland ein Paradies der Erwerbstätigkeit eröffnet hat. Die "Danke, Deutschland" - Plakate sind Teil einer größeren Erzählung, die da lautet "Hartz IV" war notwenig. Es war die Rettung der Bundesrepublik, dass damit ein Niedriglohnsektor geschaffen wurde. Ohne die "Agenda 2010" hätte es 2010 niemals soviele Beschäftigte gegeben.

Diese Groß-Erzählung wird nicht nur von der schwarz-gelben Regierung betrieben. Sie ist genauso beliebt bei vielen Sozialdemokraten und Grünen, die ja unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder die Hartz-Reformen erfunden haben.
Gegen dieses parteiübergreifende Kartell der Schönfärberei ist schwer anzukommen.  Deswegen sei es  - noch einmal - gesagt : Nein, Hartz IV hat gar nichts gebracht. Die Hartz-Reformen haben keine Beschäftigung geschaffen, dafür aber die Verhandlungsmacht der Beschäftigten beschnitten (bei Betrachtung der Entwicklung der Reallöhne zwischen 2000 und 2010)...

Ja, die "Philosophie" des alten Paradigmas verlangt "TINA-mäßig" (= "TINA" - "There is no Alternative" von der Thatcher in den siebziger Jahren zur Durchsetzung der "neoliberalen Wende" auf der Basis der Finanzmärkte "erfunden" - und von der Merkel gerne als "Alternativlos" übersetzt) eben jene "Verunsicherung" der Menschen "im allgemeinen". Wie es Stephan Kaufmann kürzlich so kurz und knackig ausdrückte:"Die Entwertung des Finanzkapitals wird verhindert durch eine (permanente) Entwertung der Arbeitskraft" (vgl. www.nachdenkseiten.de/?p=11731#h04 externer Link)
Oder wie die Süddeutsche jetzt - doch einmal - in einem Kommentar resümiert: "So viele Eerwerbstätige wie noch nie - Stellenboom mit Kehrseite : Vorsicht ist geboten - immer mehr Menschen können trotz Vollzeitjob nicht von ihrer Arbeit leben. Fühlen sich die Menschen in ihrer Würde verletzt, nützen auch die schönsten Statistik-Rekorde nichts" (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/so-viele-erwerbstaetige-wie-noch-nie-stellenboom-mit-kehrseite-1.1249055 externer Link). Dabei hat sich im letzten Jahr die Krise nur weiter verschärft - denn an der "dahinterstehenden" Konstellation der "Heiligkeit der Märkte" ( weil sie einfach "alternativlos" tabu sind - wie eben sonst nur im Glauben der Kirche ) hat sich nichts geändert, wie du aus einer Glosse von mir genau Anfang des letzten Jahres feststellen kannst "Es lebe die Rettung der "heiligen Märkte" durch den Post-Liberalismus..." (www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/real/heiligermarkt.html)

Wie wird "unsere" große Erzählung jetzt weitergesponnen?

Ja, mit "der großen Erzählung" wird man ja wieder an den alten Nietzsche erinnert, der es ungefähr so formulierte: "Die Wahrheit ist nur die jeweils aktuelle - sozusagen zur gegenwärtigen Konvention gewordene - Form zu lügen." Und diese Konvention - neoliberal - zu lügen hat uns - weltweit - ziemlich ins Desaster geführt, und viele Menschen "verelenden" lassen.
Und diese Seite von Nietzsche hat dann den französischen Philosphen (der ja sich strikt dagegen verwehrte ein "Philosoph" zu sein) Michel Foucault sehr beeindruckt - was er in seinen "Diskursen" ausführlich darlegt (- breit hat er das ja dann in seiner "Gouvernementalität" ausgeführt - vgl. dort z.B. die Abschnitte über den deutschen Liberalismus, der in seiner "Frontstellung" gegen vor allem Keynes noch heute interessant ist). Aber das hatte ich ja ein wenig in Dresden zum Thema Gegenöffentlichkeit versucht auszubreiten (www.nachdenkseiten.de/?p=9425 externer Link).

Und jetzt in diesem beginnenden Jahr wird es ja wirklich die Frage sein, ob es - wie Heiner Flasssbeck das ausdrückt - zur "Entscheidungsschlacht" um diese bisherigen "Wahrheiten" kommen wird (www.labournet.de/diskussion/wipo/allg/schlacht.html).
 
Nur auf der - auch politisch notwendigen -  Weltebene - soweit man dort je Hoffnungen haben konnte -  sind wir doch mittlerweile in einer absoluten Sackgasse "gegenseitig" festgefahren.
Aber wir können doch schon einmal - erst einmal bei uns in Deutschland und Europa -  ganz handfest mit Nils Minkmaar beginnen diese "alte Geschichte" mit "AKAS" ("Alles könnte anders sein") gegen dieses "Tina" ("Alternativlos")  aufzurollen  (www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl20.html)

... und die Sozialwissenschaften als schlechter Begleiter bei einem "Paradigmenwechsel"

Bedauerlicherweise sind da die Sozialwissenschaften für die Begleitung auf dem Weg aus dieser alten "großen Erzählung" mit einem Paradigmenwechsel noch nicht gerüstet - oder wie Frank Nullmeier es ausdrückt : "In den Sozial- und Kommunikations-wissenschaften verfügen wir noch nicht über eine dauerhaft systematische Beobachtung der öffentlichen Debatten, die neben den Themenschwerpunkten auch noch die Vorherrschaft bestimmter Denkfiguren - wie die Rechtfertigung des Marktes als zentrales Steuerungselement - analysieren könnte. (vgl. z.B.  www.nachdenkseiten.de/?p=7957 externer Link)

Aber die Herausforderungen zum Politikwechsel bleiben

In diesem Sinne könnte uns ein wirklich spannendes Jahr 2012 bevorstehen.

M.E. zu recht hat deshalb der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (der "immer" die "abweichende Meinung im Sachverständigenrat vetritt) in der Tagesschau festgehalten: "Ein "weiter so" könnte die teuerste Lösung werden" (www.nachdenkseiten.de/?p=11731#h10 externer Link) und das IMK mit Gustav Horn hat noch einmal die Politik ermahnt, dass es eben nicht um die Staatsschulden ginge, sondern um die Leistungsbilanzen, die dann zu einer Verschuldung führen müssten. (www.taz.de/Eurokrise-in-Deutschland-/!84894/ externer Link oder einfach ausführlicher noch ( nur falls du es genauer noch haben willst : "Wirtschaftspolitische Herausforderungen für 2012" www.nachdenkseiten.de/?p=11752#h04 externer Link)

Ja, dieses totale Umdenken in der aktuellen Politik wäre dann eine Voraussetzung , wenn nicht... ja, wenn nicht doch auch noch ein weiteres Anheitzen der Krise - durch China - uns bevorsteht, wie Paul Krugman mehr befürchtet als erwartet: "Oh, nicht noch eine Krise!" (www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-oh--nicht-noch-eine-krise-,1472602,11375976.html externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 4.1.2012


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