Jürgen Wiersch *
wir suchen arbeit
ist das nicht traurig
wir suchen verzweifelt arbeit
ist das nicht unendlich traurig
wir sind schon froh
wenn nur die maschine mal
nicht unseren job kann
dass wir dann hantieren dürfen
und es uns hart und schwer machen
wir sind wirklich heilfroh
bis über beide Ohren
bloß saft und kraft
damit wir nicht als gebrauchtmensch
aus zweiter hand uns fühlen
wie wir in die wüste geschickt
mit dem laufpass
so dass wir heimatlose gesellen sind
ach freigesetzt leider
wären wir unseres lebens nicht froh
so entlastet verschlankt
wie komische vögel
die angenehm fliegen
weil endlich feierabend ist
mit dem verdingen
wir könnten doch auch froh sein
die Arbeit nicht erfunden zu haben
fürs spesengewese
und die gewinnerposse
ist nicht der dicke max
getrieben vom sozialneid
dass eine hand die andere muss
die ganze erde ächzt
unter manischen totstählreflexen
damit wir uns nicht aufs klimaschonen verlegen
ach wir bleiben lieber sklavisch
treibhäuslich besorgt
ist das nicht traurig
wandelt mit leichter hand
frei von falscher liebesmüh
unser moralisch fauler planet
das angeheizte klima nicht und
vollbringt das menschenmögliche
jede globale anstrengung meidend
mit provozierend lässigem liebreiz
jürgen wiersch, 1958 geboren, ist live-poet: autor, sänger, schauspieler, performer und pädagoge in einem. er ist pionier des slam poetry in deutschland. er lebt seine typische soundpoesie in kirche, bahnhof, fußballstadion, waschkaue, paternoster, folterkammer usw. aus, war mit theatergruppen auf tour, arbeitete und arbeitet mit verschiedenen performancegruppen zusammen, - mit jazzband, rockband, klezmerband, blasorchester, kammerorchester und einigen solisten. er hat bücher veröffentlicht, bühnenspiele für kinder und erwachsene entwickelt und auszeichnungen erhalten. er lebt und arbeitet mit seinem sohn (weniger) im haushalt und (mehr) auf der bühne zusammen.
Veranstaltungstipp
Am Donnerstag, 14. April 2011
um 19 Uhr 30
in der VHS Dortmund
Hansastr. 2-4
Die Dortmunder Gruppe 61 wird 50!
Arbeit grossgeschrieben – Lebenkleingehalten
Wir gratulieren und fragen:
"Brennen die Texte noch? Springen Funken über?"
Die Gruppe 61 forderte die künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt.
4 Dortmunder AutorInnen haben von 4 Mitgliedern der Gruppe Gedichte, Erzählungen, Artikel, Romane, Interviews gelesen, in Archiven gestöbert, Briefe und Dokumente aufgespürt, die Texte getestet auf Alltagstauglichkeit hier und heute.
Jürgen Wiersch macht einen verspäteten Knastbesuch bei Peter Paul Zahl und fragt nach der Wirksamkeit politischer Lyrik;
Thomas Kade spürt mit Artur Granitzki, wie weh Hammerschläge tun, und zeigt, wie man eine Betonmischmaschine richtig bedichtet;
Josef Krug geht mit Detlef Marwig auf die Walz und will wissen, warum Freiheit nicht nur in dessen Roman klein geschrieben wird;
Ellen Widmaier prüft Erika Runges Bottroper Protokolle und berichtet von einem Selbstversuch mit dokumentarischer Literatur.
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