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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine Fürsprache für das bedingungslose Existenzeinkommen unter Einbezug der Kontroverse zwischen Ronald Blaschke und Rainer Roth.

oder:

Was Stalinisten und unreflektierte Anti-Kapitalisten gemeinsam haben und warum sie deshalb ein bedingungsloses Existenzeinkommen ablehnen!

Liebe Freunde des bedingungslosen Existenzeinkommens!

Ich habe Ronald Blaschke´s Widerspruch zur Ablehnung der Roth´schen Darstellungen zum Grundeinkommen pdf-Datei mit Freude gelesen. Rainer Roth gehört in seiner Argumentationsweise zur grossen Gruppe der Dekonstruktivisten die ab den 80´Jahren mit kritischen und zum Teil linken Worthülsen den Übergang aus der Wissenschaft zur feinsten Eristik betrieben haben. Viele davon haben die Reduzierung der Hochschule auf den Aspekt der monatlichen Geldquelle vorangebracht; von manchen Fachbereichen an der Hochschule kann deshalb gesagt werden: Die Wissenschaft wohnt dort nicht mehr!

Dieser Rückzug auf die Eristik hat die gesellschaftliche Diskussion nun mehr als eine Generation im Bann gehalten; darum werden Versuche einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung in Zeiten der wieder erwachenden Dialektik und Rhetorik als Mittel der, auch wissenschaftlichen, Auseinandersetzung, immer noch im Lichte der Rechthaberei gesehen.

Blaschke´s Replik (ich bitte das folgende nur als konstruktive, rhetorische bzw. dialektische Kritik zu sehen) verliert zum Schluss hin ihre durchaus existierende argumentative Stärke. Es ist eine deutliche Unsicherheit im Gebrauch der Begriffe, bzw. deren inhaltliche und konsistente Auffüllung, zu bemerken. Insbesondere die Begriffe Arbeit, Tätigkeit, Kapitalismus, kapitalistische Produktion, K-Gruppen usw., sind, wenn auch nur Assoziativ auftauchend, davon betroffen. Dies ist eine immer noch existente Auswirkung der stalinistischen Marxinterpretation, wenn ich dies mal so kurz sagen darf. Bei dieser Marxinterpretation wird die kapitalistische Produktionsweise schon als Kapitalismus, der den Umschlag von ökonomischer Macht in politische Macht und deren Vereinigung darstellt, unterstellt. Auf diese Unterstellung hat sich auch der Stalinismus begründet, bei dem die kapitalistischen Machthaber gegen kommunistische Machthaber ausgetauscht werden, um den Kommunismus herbeizuführen. Dies bedingt die Herstellung einer vorrevolutionären Situation auf Kosten der Menschen, die in solch einer vorrevolutionären Zeit des Elends leben müssen. Diese revolutionäre Vorstellung ist die Vorstellung der K-Gruppen von gesellschaftlicher Veränderung. Dies ist auch die Vorstellung der unreflektierten Anti-Kapitalisten, deren "Anti" sich nicht gegen die kapitalistische Produktionsweise wendet um zum Wohle der Menschen eine sozialistische Kontrolle der Produktion anzustreben, sondern schon den Kapitalismus, also die schon vollzogene Vereinigung von ökonomischer und politischer Macht annimmt, um diesen auf stalinistische Art, also durch einen Austausch der Machteliten, in eine kommunistische Gesellschaft zu überführen. Damit verbunden ist, das reformistische Projekte, in der Sprache der unreflektierten Anti-Kapitalisten, natürlich sinnlos sind, weil sie den in den Startlöchern stehenden neuen Machteliten die zu lenkenden Massen entzieht. Sehe ich aber die gesellschaftlichen Vorzeichen aus einer Sichtweise des Demokratischen Sozialismus, unter der Bedingung eines noch nicht erfolgten Überganges der ökonomischen Macht in politische Macht und die dann auch nicht erfolgte Vereinigung zur kapitalistischen Vereinigung, so wird die Emanzipation zur Triebfeder des Handelns. Im politischen, das Primat der Politik und die Teilhabe daran in der Form der Demokratisierung der Gesellschaft; im ökonomischen das Anstreben des Sozialismus, die Teilhabe am Eigentum der Produktionsmittel durch die Proletarier und die Brechung der Macht der Ausbeutung in der kapitalistischen Produktionsweise. Die stalinistische Sichtweise und die von Demokratie und Sozialismus sind zwei schlecht vereinbare Sichtweisen. Steht man auf der Seite der Emanzipation und will eine emanzipatorische Gesellschaft, wird eine Forderung nach einem voraussetzungslosen Grundeinkommen sinnvoll. Ist man ein Gegner der Emanzipation, sollen revolutionäre Voraussetzungen geschaffen werden, sehnt man das Elend der Massen geradezu herbei, weil dies die revolutionäre Voraussetzung der stalinistischen Revolution darstellt, und lehnt dann aus dieser Imagination heraus auch ein voraussetzungsloses Existenzgeld ab.

Zum Begriff der Arbeit, der weit in Bereiche und Fragen der kapitalistischen Produktionsweise, des Marktes, der Marktwirtschaft und in sonstige Fragen und Prozesse der Verteilungsgerechtigkeit in der Gesellschaft hineinreicht, ist, wegen dieser weitreichenden Bedeutung des Arbeitsbegriffes, ein sorgfältiger Umgang damit notwendig. Es gibt zwei grundlegende Arbeitsbegriffe; wobei der erste, der Marx´sche Arbeitsbegriff, deshalb der eigentlich richtige sein muss, weil dieser die Produktion von materialen Mehrwert (bitte die verschiedenen Wertbegriffe differenzieren) beschreibt. Der Marx´sche Arbeitsbegriff ist ein Strukturbegriff. An den Strukturen der Arbeit leistet der Mensch Arbeitstätigkeit die das materiale Produkt erzeugt, das den materialen Mehrwert, also den Zuwachs an materialen gesellschaftlichen Reichtum, enthält; worüber das Werk von Marx Auskunft gibt. Diesem Arbeitsbegriff steht der neoliberalistische, der feministische und auch der stalinistische Arbeitsbegriff gegenüber, der die Verausgabung körperlicher Leistungsfähigkeit als Arbeit ausgibt. Mühsamkeit und Arbeit ist aber nicht dasselbe. Dabei ist festzustellen, das die Rezeption des Marx´schen Arbeitsbegriffes in seiner Nachfolge, das Beispiel Stalin ist schon erwähnt, nicht mehr auf den mehrwertschaffenden Strukturbegriff der Arbeit ausgerichtet gewesen ist. In der Nachfolge von Marx wurde die (Arbeits)Tätigkeit an der Struktur der Arbeit als Wertbildungsprozess, auf die Tätigkeit des Menschen verlegt, und dann der Schritt vollzogen, das Tätigkeit gleich Arbeit ist, und dann daraus der Schluss gezogen, das jede Verausgabung menschlicher Leistungsfähigkeit Arbeit ist. Damit hat sich dieser, eigentlich nicht als solcher zu bezeichnende, Arbeitsbegriff von dem Marx´schen Arbeitsbegriff als Strukturbegriff, der der menschlichen Tätigkeit als Arbeitstätigkeit erst seinen wertschaffenden Ausdruck verleiht, losgesagt. Tätigkeiten des Menschen, die auf andere Strukturen der Gesellschaft ausgerichtet sind, sind keine Arbeitstätigkeiten. In den Strukturen der Verwaltung sind dies Verwaltungstätigkeiten, in den Strukturen der Bildung Bildungstätigkeiten usw..

Es sei aber noch einmal darauf hingewiesen, das nur Tätigkeit an den Strukturen der Arbeit, also Arbeitstätigkeit, wertschaffend ist; jede andere Tätigkeit ist wertverzehrend. Die Referenzgrösse für den materialen Reichtum einer Gesellschaft ist also die aus der Arbeit erschaffene materiale Wertgrösse. Die Partizipation der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft an diesem Reichtum ist eine Frage der Verteilung über gesellschaftliche Prozesse, und über das Mass und die Art der Verteilungsgerechtigkeit die in der Gesellschaft herrscht.

Damit ist dann auch die Frage nach der gesellschaftlichen Eingebundenheit zu beantworten. Einem Menschen ist es nicht möglich aus der gesellschaftlichen Eingebundenheit zu flüchten. Es gilt das Prinzip der asymptotischen Freiheit, je weiter sich jemand dem Kern der gesellschaftlichen Vorstellungen und Austauschprozesse entzieht, umso stärker wird die Bindung die auf ihn wirkt um diese Person wieder in die Gesellschaft zurückzuholen. Umso näher, umso mehr eingebunden in die Gesellschaft, umso weniger spürbar ist die gesellschaftliche Fessel. Ein bedingungsloses Existenzeinkommen ist die stärkste Eingebundenheit in die Gesellschaft die denkbar ist. Dies heisst aber nicht, das die Freiheit der Person endet, dies wäre die These bei der man dann wieder beim Neoliberalismus und antidemokratischen Vorstellungen angelangt wäre. Vielmehr ist es so, das bisherige Pressionsräume verschwinden, die neoliberalistische "Freiheit" andere zu unterdrücken, hebt sich in einem Emanzipationsschub auf. Es steigt zwar die gesellschaftliche Eingebundenheit, aber gleichzeitig wächst der Handlungsraum innerhalb der Gesellschaft, und bricht gesellschaftliche Machträume auf bzw. überträgt diese auf freie Assoziationen freier Bürger in einer freien Gesellschaft. Wohlbekannte Thesen in einem etwas anderen Kleid; die Anarchie der gesellschaftlichen Eingebundenheit. Eine schöne Vorstellung, obwohl die teilweise Ersetzung des materialen Zwanges durch moralischen, oder ethischen Zwang, dann schon absehbar ist. Ein bedingungsloses Existenzgeld wird der Gesellschaft auch einen moralischen Schub geben, der hoffentlich in einer ethischen Weiterentwicklung, woran ich fest glaube, seine Ausdrucksweise findet. Ich hoffe auch deswegen auf einen Erfolg unseres Projektes des voraussetzungslosen Existenzgeldes.

karl-heinz pachura


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