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Updated: 18.12.2012 15:51
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Stellungnahme des Vorbereitungskreises der Aktionskonferenz in Frankfurt/Main.

Protokoll von der Sitzung vom 24. April 2004

Am 24.04.04 traf sich der Vorbereitungskreis der Aktionskonferenz vom 13.12.03 in Frankfurt/M und kam auf Grundlage nachfolgender Tagesordnung zu folgenden Bewertungen und Ergebnissen:

1. Einschätzung des 2. und 3. Aprils und unsere Tätigkeit
2. Wie weiter mit den Aktionskonferenzen?
3. Wie soll der Kampf gegen Sozial- und Lohnabbau (Agenda 2010) fortgeführt werden?

Zu 1.

Die Ergebnisse des 2. Aprils (betrieblicher Aktionstag) belegen, daß seitens der DGB-Spitze und der Einzelgewerkschaften keine nennenswerten Aktivitäten unternommen wurden. Jedenfalls sind uns keine bekannt. Initiativen und Bündnisse sowie untere Gewerkschaftsgliederungen aus unserem Umfeld haben dennoch versucht, an diesem Tag Zeichen zu setzen. Als Beispiele seien die Kundgebung vor Siemens Berlin und der Werkstatt Frankfurt/M angeführt. Natürlich waren das Aktionen in einem sehr kleinen Rahmen. Dennoch beweist das, daß sie organisiert werden können, wenn sie denn wirklich gewollt sind.

Von einem durch die entsprechenden Gewerkschaften organisierten europaweiten Aktionstag kann nur sehr eingeschränkt gesprochen werden. Möglicherweise haben die Gewerkschaftsführungen anderer europäischer Länder nicht unter dem Druck gestanden, wie es bei der DGB-Führung in Deutschland der Fall war. In Spanien, Italien und Frankreich z.B. hatten schon Wochen vorher Millionen-Demonstrationen stattgefunden. Das mag ein Grund für die magere Beteiligung am 3. April gewesen sein. Andere mögliche Gründe entziehen sich unserer Kenntnis. Wir betonen aber, daß wir an dem internationalen Charakter unserer Bewegung festhalten. Wir sollten prüfen, welche Schritte wir unternehmen können, um von unten heraus der internationalen (europäischen) Solidarität und dem gemeinsamen Kampf mehr Geltung verschaffen können (analog zu unserem Slogan: “Alle gemeinsam...”).

Die erfolgreiche Durchführung unserer Demonstration am 1.11. in Berlin hat die DGB-Spitze unter Druck gesetzt. Um nicht möglicherweise ins politische Abseits zu geraten, musste sie selbst Demonstrationen organisieren. Sie tat das gedämpft – im Unterschied zu vielen gewerkschaftlichen Gliederungen – in der Absicht, den 1.11. – was die Teilnehmerzahl anbelangt – wohl zu übertreffen, aber keinesfalls Riesenaufmärsche zu riskieren. Deshalb kam die dann erfolgte Teilnehmerzahl mit einer halben Million für sie überraschend. Das hatte sie nicht erwartet und es zeigt, daß bei voller Entfaltung der möglichen Kräfte eine Zahl von mehr als 1 Million in Betracht gekommen wäre. Auf jeden Fall wurde mit den drei Demonstrationen des DGB nur ein Teil der Protest-Bereitschaft abgerufen.

Der Volksfestcharakter mit zeitlich aufwendigen kulturellen Beiträgen war gewollt und erfolgte keineswegs aus Unwissenheit, wie man eine Kundgebung organisiert. Weder Bsirske, noch Sommer, noch Peters – trotz ihrer unterschiedlichen Reden – wiesen eine Perspektive, wie der Kampf und der Widerstand gegen die Sozialkahlschläger fortzuführen sei. Das war auch nicht beabsichtigt. Stattdessen – und das war der gemeinsame Nenner ihrer Reden – wurde einer “anderen Politik” das Wort geredet. In keiner der Reden wurde offen für die SPD Partei ergriffen, aber die Quintessenz war, daß die “andere Politik” in die SPD zurückkehren müsse. Eine “andere Politik” in der SPD ist aber nicht möglich. Das Kapital will keine Zugeständnisse spzialpartnerschaftlicher Art mehr machen. Alle Versuche, solche einzuklagen, scheitern. Deshalb bekommt die Nibelungentreue zur SPD Risse. Daraus erklärt sich der Gedanke einiger politischer und gewerkschaftlicher Kreise an eine neue Linkspartei. Das muß von uns beachtet und für die Mobilisierung des Widerstands genutzt werden. Unsere Position ist aber nicht die einer “andere Politik”, wie sie von genannten Kreisen gewünscht wird. Eine “andere Politik” innerhalb der SPD als möglich, bzw. notwendig zu suggerieren, ist letztlich nur “alter Wein in neuen Schläuchen”. Unsere Position ist: wir stehen für jede eigenständige Mobilisierung im Kampf gegen Kapital und Regierung. Auf die Gewerkschaften – insbesondere untere Gliederungen – hat das immer positive Auswirkungen gehabt. Die Organisierung des 1.11. ist ein beredtes Beispiel dafür. In diesem Zusammenhang gilt es aber einen ganz grundsätzlichen Aspekt hervorzuheben: die Bourgeoisie will die Gewerkschaften zerschlagen. Sie sollen formal als Hülle existieren, aber politisch und organisatorisch jeglicher Durchsetzungskraft beraubt. Die Tätigkeit der DGB-Führung kommt diesem Ziel entgegen, das ist unser Problem, mit dem wir zu kämpfen haben, aber gerade aus diesem fatalen Umstand heraus ergibt sich die Verpflichtung und Notwendigkeit, jede Anstrengung zur Verteidigung der bestehenden Gewerkschaften (nicht zu verwechseln mit der Gewerkschaftsführung) zu unternehmen. Es wäre eine völlig andere Situation gegeben, wenn Millionen Gewerkschaftsmitglieder den Drang hätten, neue Gewerkschaften, die tatsächlich gegen Kapital und Regierung kämpfen, ja, das bestehende kapitalistische System in Frage stellen, zu gründen. Das ist offenkundig heute nicht der Fall.

Es wäre unverantwortlich, Millionen Gewerkschaftsmitglieder ihrer Führung zu überlassen. Zu überlassen in dem Sinn, daß die Arbeit in den Gewerkschaften von uns als nicht notwendig, als überflüssig, ja, als falsch befunden wird. Stattdessen muß es so sein, daß wir hartnäckig und geduldig innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften für unsere Positionen werben und arbeiten, die auf eine wirkliche Emanzipation der Arbeiter und Angestellten, der Erwerbslosen, der Rentner, der auszubildenden und studierenden Jugend abzielen. Um solches organisieren zu können, muß man allerdings in den Gewerkschaften verankert sein.

Deshalb lehnen wir Strömungen in den Bündnissen und Initiativen ab, deren Politik auf Isolierung und Abgrenzung zu den Gewerkschaften setzt.

Genauso lehnen wir ein politisches Aufgehen innerhalb der Gewerkschaften, eine Aufgabe unserer eigenständigen politischen Positionen, ab. Versuchen, die klare Front gegen Kapital und Regierung aufzuweichen, erteilen wir eine Absage (siehe Aktionskonferenz 17./18. Januar). Auch Versuchen einer “feindlichen Übernahme”, wie sie von der “Initiative für einen Politikwechsel” (Horst Schmitthenner, Verbindungsmann des IG Metall-Vorstands zu den sozialen Bewegungen) probiert wurde. Er will das Umfeld des 1.11. für einen Politikwechsel in der SPD instrumentalisieren.

Um eine Bündnisarbeit für eine “breite soziale Bewegung” voranzutreiben müssen wir uns auch weiterhin verstärkt um nichtgewerkschaftliche Gruppierungen bemühen. Mit dem Abflauen der Studierendenproteste oder des Widerstands gegen die Rentenreform dürfen die Verbindungen zu diesen Gruppen nicht abreißen. Sie müssen vielmehr intensiviert werden, damit unsere Positionen auch in andere Kreise der Gesellschaft vordringen. Als Zielgruppen können hier beispielhaft die Zusammenschlüsse von Behinderten, MigrantInnen, Erwerbslosen und SozialhilfebezieherInnen, SchülerInnen und Studierenden, RentnerInnen sowie das globalisierungskritische und antifaschistische Spektrum genannt werden. Ungeachtet der Tatsache, daß sich die VertreterInnen von attac-Deutschland auf der Aktionskonferenz am 17./18.01. als bremsende Kraft verhalten haben, sollten auch die Kontakte zur attac-Basis Bestand haben, denn hier gibt es viele UnterstützerInnen für unsere Positionen.

Was die Mobilisierung für den 3. April und die inhaltlichen Standpunkte während der Demos anbelangt, haben wir getan, was wir konnten.

Forderungen aus dem Umfeld des 1.11. an die DGB-Führung zu stellen, erwiesen sich als richtig. Das zeigte sich besonders in Berlin. Man kann sich darüber beklagen, daß unsere Rednerinnen und Redner entweder erst ganz am Schluß der zentralen Kundgebung zu Wort kamen oder aber nur die Möglichkeit hatten, auf den Auftaktkundgebungen zu sprechen. Eine solche Kritik wird aber der Sache nicht gerecht, denn ohne diese Interventionen hätte überhaupt niemand von uns auftreten können.

Schade war, daß es uns nicht gelungen ist, mit Hilfe eines gemeinsamen Plakats nicht nur für die Aktionen am 2. und 3. April zu mobilisieren, sondern auch gleichzeitig für unser Bündnis zu werben.


Zu 2.

Die Konferenz vom 17./18. Januar in Frankfurt/M hatte u.a. die Funktion, alle am 1.11. Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Sie hat sich eine gemeinsame politische Orientierung erarbeitet, die sowohl eine längerfristige Perspektive des Widerstands wie auch eine grobe Festlegung unserer Forderungen beinhaltet – niedergelegt im “Frankfurter Appell” und der “Frankfurter Erklärung” (Abschlussdokument).

Dabei haben wir Wert gelegt auf unsere selbstständige Politik innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften und auf die Förderung der Wechselbeziehung beider Komponenten.
Trotz aller vergangenen, z.T. schärfster Auseinandersetzungen bis hin zu Spaltungen sowie gravierende Mängel bei der Transparenz der Arbeit und der Repräsentanz ihres Koordinierungsausschusses, ist die Aktionskonferenz vom 17./18. Januar gemeinsame Grundlage, die es jetzt fortzusetzen gilt. Deshalb plädieren wir dafür, daß es in Zukunft nur eine Aktionskonferenz gibt und nicht zwei. Das bedeutet nicht, dass wir vorschlagen, unsere Eigenständigkeit, unsere Aktionskonferenz aufzulösen. Wir stellen sie aber zugunsten der Möglichkeit eines einheitlichen Vorgehens zurück.

Der “Frankfurter Appell” beinhaltet alles, was für eine grundsätzliche politische Orientierung in der näheren Zukunft von Belang ist. Einzelne Forderungen wie z.B. Mindestlohn, Mindestauskommen, Arbeitszeitverkürzung müssen mit Zahlen konkretisiert und damit aussagefähig werden.
Am 22. Mai trifft sich der Vorbereitungs - Ausschuß der Aktionskonferenz vom 17./18. Januar. Wir rufen dazu auf, sich daran zu beteiligen.

Zu 3.

Wir nutzen jede Möglichkeit zur Entwicklung einer Gegenwehr gegen Agenda 2010 und Co. Wenn jetzt von Kapital und Regierung zur Arbeitszeitverlängerung geblasen wird, knüpfen wir daran an.
Was bedeutet die Arbeitszeitverlängerung?:

  • der richtige Gedanke, daß AZ-Verkürzung vorhandene Arbeit mehr verteilt, also in gewissem Umfang Erwerbslosigkeit reduziert, soll ausgemerzt werden
  • man soll sich daran gewöhnen, für mehr Leistung weniger bzw. den selben Lohn zu erhalten
  • daß Lohn- und Gehaltsniveau wird herangesetzt, um dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegen zu wirken
  • absolut flexibel zu arbeiten, von 30 bis 48 Stunden

Der öffentliche Dienst funktioniert zur Zeit als Türöffner für die AZ-Verlängerung. Der Abschluß in der Metallindustrie hat für diesen weiteren Generalangriff Vorarbeiten geleistet.

Dieser konzertierte Angriff macht es notwendig, in gewerkschaftlichen Kreisen dafür einzutreten, daß es in diesem Jahr keinen neue "Sommerpause" im Kampf gegen den Sozialkahlschlag geben darf. Die Chancen, daß es zu Abwehrkämpfe, zumindest im Bereich öffentlichen Dienst, kommt, sind nicht allzu schlecht. Z.B. Ver.di München hat schon angekündigt, daß es zu Streiks gegen die von der bayerischen Staatsregierung verordneten Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich ab Anfang Juni kommen könnte, wenn die Staatsregierung nicht einlenkt. Diese Absicht wirft die Frage von Gegenwehr gegen die allenthalben stattfindenden Arbeitszeitverlängerungen in der Privatindustrie und hier vor allem im IG-Metall-Bereich auf. Wir sollten in diesem Zusammenhang erneut und vehement für betriebliche Aktionen bis zum Streiks eintreten und werben!

Wie weiter:

  • Wir schlagen eine gemeinsame, neue Aktionskonferenz vor. Termin August – wie 2003.
  • Wir befürworten, europaweite Kontakte zu sozialen Initiativen und Bündnissen, zu gewerkschaftlichen Gliederungen herzustellen. Vielleicht besteht die Möglichkeit einer Einladung zur Teilnahme an der Aktionskonferenz
  • Arbeitsgruppen im Rahmen der Aktionskonferenz müßten den "Frankfurter Appell" für unsere Arbeit nach außen in verschiedenen Punkten konkretisieren, ohne den Appell als solchen zu ändern
  • Eine neue Kampagne mit bestimmten Höhepunkten wäre zu diskutieren (der ver.di-Antrag des Bezirks Stuttgart kann in diese Diskussion mit einfließen)
  • Wir müssen über neue Formen des praktischen Widerstandes eine Solidarisierung der verschiedenen Gruppen voranbringen. Die Unterstützung von Arbeitslosen im Kampf gegen die Schikanen der “Hartz-Gesetze” könnte z.B. eine Brücke schlagen zwischen ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen.

Perspektivisch müsste die politische Arbeit der Initiativen und Bündnisse auf lokaler Ebene erweitert und deren Vernetzung und Kooperation auf Bundes- und internationaler Ebene verstärkt werden. Die bisherigen Erfolge, die erzielt wurden, reichen - was die Erzeugung politischen Drucks anbelangt - nicht aus. Natürlich war es ein Erfolg, daß hunderttausende auf die Strasse gingen. Damit sind aber die Kapitalisten noch nicht unmittelbar getroffen worden. Nur wenn wir diese Seite des Widerstands und Protests entwickeln (betriebliche Aktionen bis hin zu Streiks), sind weitere Erfolge möglich. Also steht die Frage, wie wir stärker in die Betriebe hinein wirken können, um insgesamt an gesellschaftlichem Gewicht zu gewinnen.


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