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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Manuskript der Rede von Paul Michalowicz*, einem alten Gewerkschafter aus Hagen, bei der 1. Mai-Veranstaltung des Autonomen Zentrums Zeitzünder in Wuppertal Jeder der hier an unserer 1.Mai-Demo als Teilnehmer sich einbringt, wird sich mit Sicherheit die Frage gestellt haben, ob unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Demo am 3. April nichts gelernt haben, denn die über 300.000 Kolleginnen und Kollegen wurden im Grunde vereinnahmt. Es darf doch nicht angehen, dass der DGB mit dem sozialpartnerschaftlichen Aufruf – „Unser Europa – frei, gleich, gerecht“ – an die Verarscherei vom 3. April anknüpft. Wer aufsteht, wie es am 3. April hieß, muß weitergehen, und wenn sie/er weitergeht, wird im Betrieb oder Wohnbezirk feststellen, dass dieses kapitalistische Ausbeutersystem noch nie seinen Frieden mit uns gemacht. Darum gibt es keinen Grund, unseren Frieden mit diesem Ausbeuter- und Unterdrückungssystem zu machen! Darum grüssen wir alle, die heute als Internationalisten unter der roten fahne des Proletariats, der schwarzen Fahne der Anarchisten oder der rot-schwarzen Fahne des Antifaschismus diesen 1. Mai 2004 kämpferisch feiern. Auch wir haben heute anzuknüpfen an unsere Demo – genannt radikaler linker Block – am 3.4. in Köln. Wenn einige Genossinen und Genossen richtiger Weise sich darüber beklagen, „mehr als gelatscht sind wir in Köln auch nicht“, so haben sie natürlich Recht. Ehrlicherweise stelle ich aber auch fest, dass sich unsere Demo – und das war und ist wichtig – ideologisch von der Gewerkschaftsdemo abgegrenzt hatte. Wir wollen nicht diesen Sozialstaat im Interesse der Ausbeuter und Unterdrücker konsensfähig machen, wir schwafeln nicht vom „guten Geld für gute Arbeit“, sondern sagen mit Karl Marx „nieder mit dem Lohnsystem“! Es geht uns nicht darum, einen Unterschied zwiwschen den Parteien herauszuarbeiten nach dem Motto vom kleineren Übel (rosa/grün) und großen Übel (schwarz/gelb), sondern für uns sind Regierung wie Opposition von Übel. Darum setzen wir auf den außerparlamentarischen Kampf von Frauen und Männern, ausländischen menschen mit und ohne Paß sowie deutsche forschrittliche Kolleginnen und Kollegen. Noch einmal, um es deutlich zu machen: die Aufgabe der bürgerlichen Parteien ist es, die Menschen in dieses kapitalistische System zu integrieren, und die Gewerkschaften helfen unter dem Etikett „Einheitsgewerkschaft“ und größtenteils auch als Betriebsräte kräftig mit. Und da ist es doch ganz normal, wenn radikale Linke statt über eine linke Partei ansatzweise über Basisgewerkschaften nachdenken und diskutieren. Es reicht nicht aus, wie attac zu jammern wie schlimm alles sei und sich dann geschmeichelt fühlen, wenn man nach DGTB-Redebeiträgen zu Wort kommt, oder an dem Perspektivenkongress teilnehmen darf. Nein, wir haben das Jammern satt und wir sagen an dieser Stelle: „Wir werden weiterhin Hammer und nicht Ambos sein!“ Darin ist auch eingebunden „alles für alle – und zwar umsonst!“, selbstverwaltet jede Stadt! Die Genossin Ulrike Meinhof soll dazu gesagt haben, „Protest bedeutet zu sagen, das und das passt mir nicht. Widerstand bedeutet dafür zu sorgen, dass es nicht mehr geschieht.“ Wir haben es satt, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Also müssen wir die gesellschaftspolitische Situation auch unter den heutigen Bedingungen zum Tanzen bringen. Wir sind nicht so vermessen einen Generalstreik zu fordern, aber es gibt eine Vielzahl von Aktionsformen, bei denen den Herrschenden das Wasser unterm Hintern kocht. Wenn sich in diesem Land Menschen aus der eigenen Interessenlage heraus zur Wehr Setzen, Streiks gegen Niedriglöhne oder gegen die zu erwartende Verlängerung der Arbeitszeiten, das heißt Lohnraub, organisieren, können und wollen wir uns nicht im Logenplatz einnisten, sondern haben diese Arbeitskampfmaßnahmen nach unseren Möglichkeiten solidarisch zu unterstützen. Dabei geht es darum, zu helfen, dass faule Kompromisse verhindert werden. Wer faule Kompromisse bei der Arbeitszeit verhindern will, darf nicht auf die Flexibilisierung der Arbeitszeit setzen, sondern muss die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich auf die Tagesordnung setzen. Wohlwissend, dass unter den kapitalistischen Verhältnissen die Arbeitslosigkeit zu- statt abnimmt, muß gleichzeitig für die Menschen ohne Arbeitseinkommen ein garantiertes Mindesteinkommen entsprechend dem Normalverbraucher durchgesetzt werden – ohne Bedürftigkeitsprüfung! Damit sind wir bei den Hartz-Gesetzen. Weg mit der Agenda 2010! Noch ist Hartz IV nicht in Kraft, noch besteht die Möglichkeit, dies alles zu verhindern! Klar muß politisch denkenden Menschzen sein, dass eine gravierende Einkommenssenkung durch das Arbeitslosengeld II für Bezieher von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfeempfänger das ganze Spektrum abhängigen Menschen trifft. Zu Gunsten der Profiteure soll eine einkommensspirale nach unten in Gang gesetzt werden. Diese kapitalistische Räuberbande – unterstützt von Rosa/Grün – kann man nicht durch eine Latschdemo oder den DGB-Perspektivenkongress stoppen. Es geht schon jetzt und heute darum, ein politsiches Klima zu schaffen, das da heißt „no pasaran“, sie kommen nicht durch! Natürlich setzen nunmehr viele, auch von uns, auf soziale Foren und Bündnisse vor Ort. Nur: mit Straßentheater und trillerpfeifen kann niemand die rosa-gründen Sozialräuber stoppen. In Soziualforen muß der Begriff Klassenkampf an Bedeutung erlangen. Dabei kann der zu führende Klassenkampf unterschiedliche Formen annehmen, nur: der Kampf muß den Unternehmern weh tun. Wir müssen die Herrschenden an empfindlichen Stellen treffen. Ein Sozialforum, das erfolgreich sein will, muß sozial-fortschrittliche Positionen vertreten und auch im Kampf umsetzen – nicht im Reformismus. Es geht aber für uns darum, die politisch-ideologisch die Weichen zu stellen in Richtung des kommunistischen Manifestes. An Stelle der bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen, tritt eine Assoziation, in der die freie Entwicklung eines jeden die Bedingungen für die freie Entwicklung aller ist. Wir müssen Visionen entwickeln für ein selbstbestimmtes Leben, selbstbestimmtes Arbeiten!
Zur Person: Paul Michalowicz, 78jähriger
Rentner, ist seit 55 Jahren Gewerkschaftsmitglied (IG Metall, HBV, ver.di)
und war 20 Jahre lang nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied sowie
u.a. Mitglied der Tarifkommission HBV-Großhandel. |