Home > Diskussion > Aktionen > 1Euro > koelnsp05
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Erster Ein-Euro-Spaziergang in Köln

Arbeiterfotografie Arbeiterfotografie Arbeiterfotografie

Das Foto links (zum Vergrößern bitte auf Bild Klicken) ist der Arbeiterfotografie entnommen (s.u.)

Im Rahmen des bundesweiten Projekts Dokumentationsstelle Hartz IV hat nun auch in Köln der erste Untersuchungsspaziergang zum Thema Ein-Euro-Jobs stattgefunden. Rund 25 Leute haben am 15. April zwei der leider mittlerweile zahlreichen Beschäftigungsträger besucht, die bereitwillig Ein-Euro-Jobs anbieten und weitervermitteln. Die Geschäftsführung fand die Situation offenbar so unübersichtlich, dass sie überhastet die Polizei rief.

Zunächst ging es zur Jugendhilfe Köln e.V. in der Christianstr. 82 und zu deren Jugendwerkstatt in der Herbrandstraße. In den Büros und Schulungsräumen fanden zeitgleich mehrere Interviews und Befragungen der Angestellten und der Maßnahme-Teilnehmer statt. Das Konzept der Untersuchung: Ein überraschender Besuch soll einen ungeschönten Einblick in die Zustände innerhalb den Betrieben und Vereinen ermöglichen.

Nur mit Mühe konnten die neugierigen Aktivisten und Journalisten gesprächswillige Mitarbeiter finden. "Ich möchte mich zu diesem Thema nicht äußern." Wenig überzeugend erläuterten der stellvertretende Geschäftsführer und einige Mitarbeiter die Praxis der Jugendhilfe im Umgang mit den unter 25-jährigen: "Wer vier Tage unentschuldigt fehlt wird von uns abgemeldet." Das bedeutet seit Januar diesen Jahres für den betroffenen Jugendlichen: Der Fallmanager in der Arbeitsagentur kann das Geld kürzen bzw. ganz streichen und zwar nicht nur die Mehraufwandsentschädigung, die für die Arbeit innerhalb der Maßnahmen gezahlt wird, sondern das gesamte Arbeitslosengeld II. (Die gemeinsame Auszahlung von ALG II und den Dumpinglöhnen durch den Beschäftigungsträger ist rechtlich höchst umstritten).

Auf diese Weise trägt das Kölner Erfolgsmodell in seiner nun bundesweiten Nachahmung erheblich dazu bei, dass in den ersten drei Monaten von Hartz IV bereits 30.000 Jugendliche unter 25 Jahren aus dem Leistungsbezug gedrängt wurden.

Der stellvertretende Geschäftsführer sieht für die meisten Teilnehmer der Maßnahme "Sprungbrett", der ABM-Stellen und der zukünftigen Ein-Euro-Jobs wenig Chancen auf eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt. Auf die Anmerkung, dass sich damit doch die Sinnfrage für Ein-Euro-Jobs stelle, antwortet er: "Für mich stellt sich die Sinnfrage, ob ich den Jugendlichen, der mit seiner Frau den ganzen Tag im Bett liegt, und ein Kind nach dem anderen macht, ob ich den mit meinen Steuern finanziere und der sich kaputt lacht." Obwohl er manche unsinnige Maßnahme ebenfalls für Lohndumping hält, begrüßt er den pädagogischen Druck auf Jugendliche, ABM und der ganze Scheiß ist immer halbherzig gelaufen. Mit den zukünftigen Ein-Euro-Jobs und dem derzeitigen Kölner Vorläufer sieht er da mehr Möglichkeiten. Interessant war die exemplarische Darstellung, wie ein externer Anstreichauftrag abgewickelt wird. "Das Amt für Wirtschaftsfrderung gibt uns Aufträge an einer Schule, die müssen wir abarbeiten. Wir stellen dann eine Truppe von Ein-Euro-Jobbern zusammen. Damit gehen wir an die Schule. Die Schule bezahlt die Farbe, wir zahlen den Anleiter, der Ein-Euro Mann kriegt sein Geld von der ARGE."

Die Geschäftsführerin selbst wollte nicht gestört werden. Sie fand die Situation offenbar so unübersichtlich, dass sie vorsichtshalber die Polizei rief. Die blieb jedoch im Hintergrund.

Der zweite Besuch galt der E.V.A., dem Ehrenfelder Verein für Arbeit und Qualifizierung gGmbH
in der Christianstasse Halle 13. Trotz mitreisender Polizei trafen die weiterhin unbeirrt Neugierigen hier auf Arbeitslose, die viel zu berichten hatten. Gem. Aussage der Leiterin der EVA wird das eigenständige Verstehen von Stundenzettel und Gehaltsabrechnung als eine Weiterqualifizierung gehandelt. Einige bekommen bei der E.V.A jedoch offenbar weder Lohnabrechnung noch Quittung bei der wöchentlich bzw. täglichen Auszahlung ihres ALG II plus minimaler Mehraufwandsentschädigung. Letztere beläuft sich bei der im Haus betriebenen Fahrradwerkstatt auf ganze 70 Cent pro Stunde. Überrascht über derartig niedriges Stundengeld fragen wir bei der Geschäftsführerin nach. Frau Bahmanyar will ihrem Besuch weismachen, dass es sich um keine echte Arbeitsleistung handelt und die Maßnahmeteilnehmer hier nur ihre eigenen Fahrräder reparieren. Die Beteiligten selbst berichten jedoch, dass regelmäßige Lieferungen von zu reparierenden Fahrrädern eintreffen. Eigentlich wollte Frau Bahmanyar das Gespräch sofort beenden. Sie dürfe ohne Zustimmung der ARGE keine Auskunft geben! Dann möchte sie dennoch bei den Interviews mit den Angestellten dabei sein und plaudert unwillig mit. Ihre Aufforderung an den ungebeten Besuch "Sehen sie es auch ein bisschen objektiv und helfen Sie uns, die Leute in den Arbeitsmarkt zu bringen" mussten die Agenturschluss-Aktiven dann doch ausschlagen. Denn ihr Verständnis von der Verantwortung beim Zwang zur Ein-Euro-Arbeit konnten diese nicht teilen: "Wir nehmen den Auftrag an. Die Bedingungen des Auftrags macht die ARGE, aber da haben wir nichts mit zu tun. Wir machen das Instrument nicht - Gehen sie nach Berlin, gehen Sie zu Clement."

Treffpunkt für den zweiten Recherche-Spaziergang ist Do. 28.04. 10:00 U-Bahn-Haltestelle Lohsestraße (Ausgang Neusser Straße)

Kommt zahlreich!

Agenturschluss Köln

www.labournet.de/agenturschluss

Siehe auch die die Fotoreportage der Arbeiterfotografie externer Link: 'Workfare is not fare - Ein-Euro-Jobs stoppen' - Protest gegen Lohndumping und Zwangsdienste in Kön (dort auch das Bild entnommen, s.o.)


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang