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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das richtige tun, nicht das falsche: So geht es weiter!

Diskussionsbeitrag von Gunnar (engagiert im Anti-Hartz-Bündnis NRW) zur Demo am 18.9.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freundinnen und Freunde!

Derzeit kursiert in NRW ein Aufruf zu einer Demonstration im September 2004 in Düsseldorf. Dieser Aufruf stellt gegenüber allem, was in den letzten 10 Monaten an Widerstand gegen Sozialkahlschlag gelaufen ist, einen Rückschritt dar. Im folgenden wird an einigen Punkten skizziert, wo die Fehler dieses Aufrufs liegen und wo wir Schwerpunkte unseres Engagements setzen müssen, um politische Erfolge zu erreichen!

Kritikpunkte an dem Aufruf:

  • Drei Viertel der zwei Seiten des Aufrufs sind mit Schilderungen gefüllt, wie schrecklich alles ist;
  • Nur ein kleiner Teil des Aufrufs enthält eigene Forderungen, aber unverbunden nebeneinander und aus verschiedenen Bereichen;
  • Sehr schwach schließlich ist das Motto, unter dem das Ganze stattfinden soll: "Unsere Agenda heißt Solidarität". Mit wem allerdings man solidarisch sein soll, das bleibt vollständig offen. Und in Zeiten des Mißbrauchs des Begriffes Solidarität durch den sogenannten Solidaritätszuschlag ist das schon eine nicht nur sinnvolle, sondern absolut notwendige Klarstellung, mit wem man denn wohl solidarisch sein will oder sein soll.

So geht es anders und besser:

In ein Flugblatt bzw. einen Aufruf gehört vor allem das, was wir wollen, unsere Forderungen!

Zwei zentrale Forderungen, die man garnicht oft genug wiederholen und in den Vordergrund stellen kann, sind die nach radikaler Arbeitszeitverkürzung und nach einem existenzfähigen Mindestlohn. In einprägsamer Form gibt es diese Forderungen schon lange, in dem Motto des
Anti-Hartz-Bündnisses NRW:

Unsere Agenda heißt 3010!
30 Stunden sind genug, bei vollem Lohnausgleich!
10 Euro Mindestlohn!

Wir müssen uns natürlich auch gegen die Angriffe auf die mühsam erkämpften sozialen Errungenschaften wehren. Aber es hat keinen Sinn, wie in einem Gemischtwarenladen alle möglichen Forderungen nebeneinander zu stellen, nach dem Motto, da findet jeder das richtige für sich. Im Gegenteil, wir müssen sehen, wo läuft derzeit der Hauptangriff auf die sozialen Errungenschaften, und an dieser Stelle wirksame Gegenwehr organisieren, uns auf diese Punkte konzentrieren!

Der Hauptangriff, nicht nur auf die sozialen Errungenschaften, sondern auch auf Löhne und Gehälter, wird derzeit vorgetragen in Form des Hartz- Gesetzes IV. Dieses beinhaltet als Hauptpunkt die Streichung der Arbeitslosenhilfe und die Einführung des viel niedrigeren Arbeitslosengeldes II. Daraus resultieren die Forderungen:

  • Erhaltung und Ausbau der Arbeitslosenhilfe!
  • Ablehnung des Arbeitslosengeld II!
  • Rücknahme der Hartz-Gesetze!

Wenn wir uns auf diese Punkte konzentrieren, haben wir die Chance, tatsächlich die Rücknahme der Hartz-Gesetze zu erreichen! Alle Organisationen, die sich derzeit gegen Sozialkahlschlag engagieren, sollten dies zu den Kernpunkte ihrer Aktivitäten machen. Dann brauchen wir auch keinen einheitlich formulierten Aufruf, den dann doch nicht alle nehmen.

Von dem, worum es bei diesen Forderungen geht, ist der überwiegende Teil der Bevölkerung betroffen: Die 7 Millionen Arbeitslosen direkt. Die 45 Millionen Beschäftigten genauso, denn Arbeitslose, die sich zu jedem noch so niedrigen Lohn verkaufen müssen, werden gegen die (noch) Beschäftigten ausgespielt. Die Rentner sind betroffen, denn die Renten sind direkt an die Lohnentwicklung gekoppelt. Sinkende Löhne bedeuten sinkende Renten.

Mit obigen Kernforderungen bündeln wir die Interessen des größten Teils der Bevölkerung!

Ein weiterer Kritikpunkt an dem Aufruf ist die Frage, ob eine weitere weitere Demonstration zum jetzigen Zeitpunkt bzw. im September überhaupt das richtige Mittel, politischen Veränderungen zu erreichen?

Die bisherigen Demonstrationen in den letzten 10 Monaten - 1.11. in Berlin, 31.1. in Düsseldorf, 3.4. in Berlin, Köln, Stuttgart, die Demonstrationen des Sozialverbandes und viele andere - haben eines gezeigt: Es ist ein großes Protestpotential vorhanden! Dies Potential artikuliert sich aber nur in der ziemlich diffusen, ungerichteten Form von Demonstrationen. Auch eine weitere Demonstration würde derzeit nicht mehr zeigen und nicht mehr bewirken!

Die sozialen Errungenschaften sind vor allem in den Betrieben erkämpft worden! Z.B. für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben in den 50er Jahren die Metallarbeiter monatelang gestreikt! Auf diesem Weg müssen wir weiterkommen! Wir müssen Formen der Zusammenarbeit und bessere, kreativere Formen des Protestes entwickeln! Und diese müssen gekoppelt sein mit den oben skizzierten zentralen Forderungen!

Schwerpunkt dabei müssen die Betriebe sein, aber es gibt viele weitere Bereiche, in denen Verbündete und Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewonnen werden können!

Immer wieder ist es schwierig, Leute zu finden, die Flugblätter verteilen. Warum sollen das nicht mal die Senioren übernehmen! Das Protestpotential bei Senioren ist in keiner Weise ausgeschöpft. Da regt sich gewaltiger Unmut, und viele Leute haben Zeit und sind bereit etwas zu tun.

Ein anderer Punkt: Es gibt praktisch keine Streiktradition in Deutschland - viel zu lange wurde Tariferhöhungen - und jetzt Tarifabsenkungen - fern der betrieblichen Realität in noblem Hotelambiente ausgehandelt. Holen wir die Wirklichkeit wieder in die Betriebe zurück, wo sie hingehört und zuhause ist!

Eine Demonstration wäre in der jetzigen Situation nur dann sinnvoll, wenn sie der Höhepunkt in einer Kette von Ereignissen ist: Wenn in den Betrieben spontan Streiks stattfinden, wenn an vielen Orten spontan oder kurzfristig vorbereitete Protestveranstaltungen stattfinden, kurz, wenn eine Demonstration ein erkennbarer Höhepunkt einer Kette von Ereignissen ist, dann, unter diesen Voraussetzungen, macht eine weitere Demonstration Sinn! Aber jetzt einfach die nächste Demonstration anzusetzen, Zeit, Energie und Geld dafür aufzuwenden: Das ist derzeit nicht die richtige Priorität.

Die richtige Priorität ist derzeit,

  • morgens um 6 vor den Betrieben Flugblätter zu verteilen;
  • mit Jugendlichen genauso wie mit Senioren über die Verteidigung sozialer Errungenschaften zu sprechen, sie mit einzubeziehen in das Engagement dafür;
  • In einem größeren Industriebetrieb in der Nähe anzurufen, den Betriebsrat zu verlangen und ihn um einen Gesprächstermin zu bitten, um über Aktionen gegen den Sozialabbau zu sprechen!

Wenn all das gelaufen ist, und Früchte trägt, dann ist die richtige Zeit für eine Demonstration, die dann auch politische Wirkung hat!

Weitere Perspektiven nötig!

Derzeit befinden wir uns in einer Phase, die sozialen Errungenschaften, die vor langer Zeit erstritten und erreicht worden sind, zu verteidigen. Das ist auch bitter nötig, aber dabei darf es nicht bleiben! Um längerfristig und nachhaltig Erfolge zu erzielen, muß die Bewegung aus der
Defensive herauskommen. Es gibt in diesem Land eine ungeheure Zusammenballung von Reichtum und politscher Macht in den Händen einern winzigen Minderheit, die ihren Einfluss zur Systemveränderung benutzen! Systemveränderung im Interesse und zum Nutzen einiger weniger, zum Schaden und auf Kosten der gewaltigen Bevölkerungsmehrheit. Es ist nötig, wieder über andere Gesellschaftsformen zu reden, in denen nicht der Profit einiger weniger , sondern der Nutzen für die Menschen im Mittelpunkt der Gesellschaft steht, Ziel der Produktion ist. "Her mit dem schönen Leben für alle" drückt das aus. Daraufhin, und auf eine Gesellschaft, in der das möglich ist, müssen wir die Diskussion und unsere Forderungen orientieren.

Schöne Grüsse und eine erfolgreiche Woche wünscht Euch
Gunnar (engagiert im Anti-Hartz-Bündnis NRW).


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