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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Einseifen und Einseifen lassen oder: Die Ästhetik des Job-Widerstands sieht anders aus «Wenn Sie sich waschen und rasieren, finden Sie auch einen Job.». Natürlich war das eine zynische Bemerkung von Beck, eine Stammtischparole, wie sie Millionen teilen oder sogar glauben. Allerdings müssen sich Millionen von "Beschäftigten", also Menschen mit Job, tagtäglich weitaus größere Demütigungen gefallen lassen, um diesen ja "um Alles in der Welt" zu behalten. Körperpflege gehört dabei noch zu den geringsten Zumutungen der Lohnarbeitsgesellschaft. Um welche Scheiß-Jobs hier "auf Teufel komm raus" gebuhlt und geworben werden muß, das ist u.E. der Skandal. Muss nach rund zwei Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit immer noch reflexartig auf Versuche der Individualisierung der Ursachen reagiert werden? Wird der (erzwungene) Wille zur Lohnarbeit nicht genügend bewiesen, Eingliederungsvereinbarungen und Sanktionen sei Dank? Die Zumutbarkeiten für die Gegenleistung von Hunger-Löhnen und Hunger-Grundsicherung werden regelmässig verschärft, das ist die Logik des Workfare. Sich auf diese Debatte sowie den dazu gehörenden Medien-Hype einzulassen oder diesen gar mitzumachen, kann u.E. nur mit einem Schuss nach Hinten enden. Die Methode Einzelfall - Mißbrauchsskandal - Kollektivierung - Gesetzesverschärfung funktioniert immer wieder. Auch jetzt: Die Bild-Zeitung titelt am 19.12.06: "Acht Stellen-Angebote sind ihm scheißegal (.) Deutschlands frechster Arbeitsloser", schon steht die Frage im Raum "Sollen Sanktionen für Arbeitsverweigerer erhöht werden?" (N24 am 19.12.) und "Warum kriegt so einer Stütze?" (Bild 20.12.06) Und was tut ein Teil der Erwerbslosenbewegung? Anstatt diesen Rechtfertigungszwang weit von sich zu weisen, wird dieser nicht nur akzeptiert, sondern auch prompt bedient:
Was als Happening vor der Mainzer Staatskanzlei hätte spaßvolle Verhöhnung versprechen können, droht nun zum freiwilligen Einseifen und zur Massenbettelei um Ausbeutung auszuarten, wenn es dazu vom Erwerbslosen Forum heisst " Zu viele Erwerbslose seien empört darüber, wie einfach der SPD-Vorsitzende in einer feudalistischen Weise Jobs aus dem Hut zaubern kann. Daran wollen sie auch teilhaben ." Dafür sollen "jede Menge ernsthaft gemeinte Bewerbungsmappen" überreicht werden. Soll dem neuen Kapitel der Mißbrauchsdebatte (siehe dafür im Labournet "Auf ein Neues: Scheinarbeitslose und Mißbrauchsdebatte") ein neues Kapitel der Spaltung in echte und unechte Arbeitssuchende hinzugefügt werden? Der Wettbewerb ist längst eröffnet: ". Ich wäre von hier nach Mainz gelaufen, um die Angebote abzuholen - und hätte dem Herrn Beck noch die Füße geküsst ." So der KFZ-Pfleger Stephan Goritsch (51) aus Cottbus laut Bild vom 20.12.06. Die Bettelei um Ausbeutung geht nicht nur weiter, sie basiert immer noch auf Illusionen. "Wenn viele Menschen dann vor der Staatskanzlei ernsthafte Jobangebote einfordern würden, hätte die SPD ein Erklärungsproblem, da sie außer fortgesetztem Sozialabbau keine wirklichen Angebote und Perspektiven für Erwerbslose hat." So heißt es hierzu in der Pressemeldung des Erwerbslosen Forum Deutschland und der Parteilosen Wählergruppe Gelsenkirchen, vom 20.12.2006. Wie oft noch müssen die SPD vorgeführt und der Arbeitsmarkt entlarvt werden? Dabei spielt es keine Rolle, ob Henrico Frank sich als ein Stellvertreter aller Erwerbslosen sieht oder von diesen auch so wahrgenommen wird. Viel folgenreicher ist es, dass er von den bürgerlichen Medien so gesehen und behandelt wird. Es war längst Zeit für einen neuen "Florida-Rolf", der medial die nächste Runde der Verschärfungen einläutet. Doch aus dem bisherigen Mißbrauch von Einzelfällen durch die Medien hat offensichtlich auch die Erwerbslosenbewegung wenig gelernt: "Die Hartz4-Plattform ist erschüttert, dass Boulevardmedien und private TV-Anstalten Henrico Frank zunächst lukrative Exklusive-Verträge angeboten haben, um ihn zu verheizen und nun - nach dem Frank diese abgelehnt hat - mit Wort und Bild über ihn herfallen und auf diese Weise auf seinem Rücken ihr Auflagen- und Quotengeschäft machen" heißt es naiv empört in der Presseerklärung der Hartz4-Plattform vom 20.12.06. Manche Medienvertreter blicken da eher durch: "Es ist nicht so, dass Menschen mit Arbeit nicht auch mal zu viel trinken und aus, auf oder über Möbel fallen. Nur wer aus der Erwerbstätigkeit fällt, fällt ohne Mitleid ins Bodenlose."(Artikel von Karin Ceballos Betancur in den Businessnews vom 18.12.2006 mit dem Titel "Arbeitsloser Henrico Frank: Was sich gewaschen hat. Der Friseur betrog ihn, Verdi schmiss ihn raus, Beck sucht ihm einen Job. Henrico Frank fragt, was mit den anderen Arbeitslosen ist") Wer glaubt seine grundlegenden Ansprüche immer wieder beweisen und begründen zu müssen und dabei auch noch auf Mitleid hofft, wird nicht nur gewaschen und rasiert, sondern richtig eingeseift. Die Ästhetik des Job-Widerstands sieht anders aus. Sie skandalisiert nicht die Erwerbslosigkeit, sondern die systemimmanente Entwürdigung. Nicht die Folgen, sondern die Ursachen. Mag Wompel und Ralf Pandorf Der Text beinhaltet zwei Cartoons von Michael Kinder (http://www.logocartoons.de.vu ) - wir danken! |