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Updated: 18.12.2012 15:51
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Stichwortprotokoll vom 2. bundesweiten Treffen der Idee Agenturschluss am 2. Oktober 2004 im autonomen Zentrum Wuppertal


Es waren trotz der Großdemo in Berlin etwa 25 Leute aus folgenden Städten anwesend: Köln, Göttingen, Wuppertal, Duisburg, Essen, Berlin, Frankfurt, Münster Nürnberg und Labournet (Bochum). Göttingen und Nürnberg konnten gegenüber dem ersten AgenturSchluss-Treffen als neue Städte in der geboteten Herzlichkeit begrüsst werden.

Das Treffen dauerte rund sechs Stunden und war bei außerordentlichen leckerem Essen von zwei kurzen Pausen unterbrochen.

In der ersten Runde gab es gewissermaßen „Städteberichte“ über die an den jeweiligen Orten stattfindende Entwicklung im Zusammenhang mit den Montagsdemonstrationen. Immer wieder wurde hier die mehr oder minder herausragende Rolle der MLPD erwähnt. An einem Ort waren sie nett, an einem anderen wiederum nicht, hier und da gab es auch Spaltungen, an anderen Orten
machte die aufgrund eines zurückgehenden Interesses keinen rechten Sinn mehr.
Allerorten wurden von einem Rückgang der TeilnehmerInnenzahlen an den Montags-Demos berichtet. Ein Genosse aus Göttingen verwies darauf, dass man hier die mediale Kleinarbeitung dieser doch für alle Beteiligten überraschend ausgebrochenen Proteste in Rechnung stellen müsse. Vom Berliner Presseministerium sei schließlich die Parole verbreitet worden, dass man nun endlich angefangen habe, den Leuten die schönen HARTZ IV-Maßnahmen zu erklären, so dass es danach natürlich auch keinen vernünftigen Grund mehr geben kann, dagegen zu sein.

Der in diesem Zusammenhang bei ein paar Diskutanten aufkommenden Stimmung, dass aufgrund des aktuellen Rückganges der TeilnehmerInnenzahlen der Montags-Demos wieder mehr unklar geworden sei, wen man eigentlich mit dem AgenturSchluss erreichen wolle, wurde die Entstehungsgeschichte dieser Idee entgegen gehalten. Denn diese sei zu einem Zeitpunkt entstanden, als noch kein Mensch etwas von den Montagsdemos wusste. Ein zentrales Moment dieser Idee sei auch nicht der Traum gewesen, unzählige andere Leute mit der eigenen - in der Regel immer ziemlich klugen - Politik zu repräsentieren, sondern sich selbst zum Subjekt in dieser Aktion werden zu lassen. Insofern wurde ein direkter Zusammenhang der Aktion AgenturSchluss mit der Entwicklung der Montagsdemonstrationen glattweg in Abrede gestellt.

Trotzdem konnte nach dieser ersten Runde bilanziert werden, dass in manchen Städten die Idee AgenturSchluss noch nicht richtig bekannt ist, während an anderen Orten das Interesse daran wächst. Wenn man noch einmal das erste bundesweite Treffen in Erinnerung ruft, so kann aber gesagt werden, dass sich bislang etwa Leute aus rund 30 Städten an den Diskussionen beteiligt haben.

Jemand berichtete von der Aktionskonferenz in Frankfurt am 17/18. September, an der 150 Leute teilgenommen haben. Die Idee AgenturSchluss stieß dort auf großes Wohlwollen und Sympathie. Als besonders wichtig wurde hier noch einmal eine energische Beteiligung an dem dort noch einmal bekräftigten bundesweiten Aktionstag am alten Buß- und Bettag, dem 17. November herausgestellt.

In dem nächsten Block wurde über die Bedeutung und aktuelle Umsetzung des sogenannten 1-Euro-Job-Programms gesprochen. Von einem Diskutanten wurde hervorgehoben, dass man nicht das große Ausmaß von Demoralisierung unterschätzen solle, das viele Erwerbslose sehr interessiert dafür mache, sich so einen Job zu ergattern. In Essen hätten sich bereits jetzt 650 Leute freiwillig dafür beworben.
Es wurde von einem offenen Brief aus Hamburg von der Sozialpolitischen Opposition pdf-Datei berichtet, der an die Sozialverbände (AWO, Caritas, Diakonie usw.) gerichtet sei, mit denen diese aufgefordert würden, sich dem gigantischen 1- Euro-Job Programm zu verweigern. In Berlin wird dieser Brief gerade auf die lokale Situation umgeschrieben. Niemand auf dem Treffen hielt es für eine schlechte Idee, hier die offensive Debatte und öffentliche Auseinandersetzung mit dem Sozialverbänden lokal vor Ort zu suchen. Jemand ergänzte hier den Hinweis, dass bereits hier und da zu direkten Hausbesuchen und Farbschmierereien bei Verantwortlichen gekommen sei.

Von den Anwesenden wurde dann darüber diskutiert, welche praktischen Probleme und ideologischen Widersprüche um dieses gigantische 1-Euro-Job-Programm kreisen. So wurde davon berichtet, das man hier schon von Seiten staatlicher Stellen damit begonnen habe, diese 1-Euro-Jobs zusammen mit der Sozikohle auf 5-6 Euro Stundenlohn hochzurechnen, der doch wiederum über einigen Tariflöhnen liege.
Als eine Widerspruchs- und Protestidee wurde angedacht, ob sich nicht 1-Euro- Job-Leute mit orangen Overalls im Alltag sichtbar machen sollten. Eine andere Idee bestand in einer Art Kampagne unter dem Motto: „Hey Leute in den Betrieben, zeigt euch eure Lohnzettel!“

Kritisch wurde noch zu dem immer mal wieder verwendeten Begriff „Zwangsarbeit“ vermerkt, das dieser zwar so komplett falsch nicht sei, auf der anderen Seite hier jede Assoziation zur Zwangsarbeit im Faschismus völlig fehl am Platze sei.

Summa summarum: Doch einige Ideen und Träume von einer besseren politisch- sozialen Protestpraxis in einer insgesamt betrachtet natürlich elender werden Situation.

Im nächsten Block wurde über den aktuellen Stand des Rücklaufes der ALG II oder besser: Armutsanträge an die Bundesagenturen für Arbeit berichtet. In Berlin ist derzeit die Rede davon, dass bis jetzt lediglich 27% Rücklauf ist, von einigen Städten im Ruhrgebiet wurde jedoch bis jetzt von einem Rücklauf von bis zu 80% berichtet. Hier wurde der Vorbehalt geltend gemacht, dass es sich natürlich auch um politische Propaganda handeln könne, die sich ohnehin nicht überprüfen lasse. Jemand sagte, das er schwarz-auf weiß gelesen habe, dass die Anträge bis spätestens 10. Dezember zurück gegeben werden müssten, weil man sonst kein Geld für den Januar erhalte. Dem wurde wiederum von jemanden anders widersprochen. Hier zeigte sich eine Unsicherheit über die Grundlagen des aktuellen Behördenkuddelmuddels.
Lange Rede kurzer Sinn: Es wurde verabredet von unserem Treffen einen Aufruf zu formulieren, der die Leute, die das wollen, dazu aufruft am 6. Dezember, sprich Nikolaus gemeinsam die Armutsanträge bei den Bundesagenturen abzugeben. Der Aufruf wird unter den Interessierten via Mailing-Liste bekannt gemacht, diskutiert und dann verbreitet.

Aus Nürnberg gab es dann einen Bericht über den Stand der Vorbereitung der am 6. November geplanten Demonstration gegen die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit. Die Demo wird ungefähr 4-5 Kilometer Fußweg von der Innenstadt, an einem SPD-Laden vorbei zu der etwas außerhalb der Stadtmitte gelegenen Gebäude der Bundesagentur nehmen. Die Bullen haben wohl in den Vorbereitungen bereits klar gemacht, dass sie ein vor dem Bundesagenturgebäude gelegenes Gleisbett mit vielen Steinen ziemlich gut absichern wollen, damit wir keine Argumente gegen die Bundesagentur werfen können. Ja so ist sie, unsere Polizei. Zu der Demo in Nürnberg wird es in einigen Städten noch ein paar Vorbereitungsaktionen geben.

Im letzten und zeitlich größten Block wurde noch einmal intensiv über die Fragen, Probleme und Widersprüche der geplanten AgenturSchlusses verhandelt. Der Einschätzung, dass man diese Idee bislang nicht so recht habe verbreiten können, wurde kurzerhand entgegen gehalten, dass sie als kleine Initiative bereits eine außerordentlich große Resonanz erhalten habe. Die Gewerkschaft hätte sich schließlich schon davon u.a unter Hinweis, das die Beschäftigen der Arbeitsagentur gleichfalls zu den „Opfern von Hartz IV“ – das ist übrigens ein sehr interessanter Opfer-Begriff – zählten, distanziert. Kein geringerer als Verdi-Chef Frank Bsirske hat davon schon öffentlich abgeraten, was natürlich – bei seinem geschätzten Jahreseinkommen in Höhe ungefähr 170.000 Euro - auch sein gutes Recht ist.

Dennoch zeigte sich bei der Diskussion aus der Sicht des Protokollanten bei vielen DiskussionsteilnehmerInnen unter der Frage: „Wen wollen wir genau erreichen?“ immer wieder das große Interesse, mit AgenturSchluss eine Politik der klugen Repräsentation zu verfolgen. Klar, dass hier der Gedanke von Autonomie und Selbstbestimmung im Kampf gegen die uns in den nächsten Jahren ziemlich sicher drohenden Zumutungen keine größere Rolle mehr spielen kann. Für Berlin wurde jedenfalls ein derzeit natürlich völlig vorläufiges Szenario für den 3. Januar 2005 entworfen, das davon ausgeht, das an mindestens einem zentralen Ort ungefähr 300 Leute in eine Arbeitsagentur gehen werden, um dort gemeinsam mit allen Beteiligten eine mehrstündige Vollversammlung inklusive gutem Essen, Musik und einer schönen Feier durchzuführen. Mit etwas Glück wird es so etwas oder ähnliches auch an einigen anderen Orten in Bundesrepublik geben. Dass dafür die noch kommenden drei Monate genutzt werden sollen, um noch mehr Leute vor Ort für diese Idee zu begeistern, wurde auf dem Treffen mehrfach bekräftigt. Egal wie viele Leute letztlich genau am 3. Januar 2005 in eine Arbeitsagentur mit der Forderung gehen werden, an diesem Tag keinen regulären Betrieb stattfinden zu lassen, es stehen mit dieser Aktion in jedem Falle Millionen Überflüssiger hinter ihnen. Wann lässt sich so etwas schon von einer politischen Aktion behaupten?

Auf diesem Treffen wurde jedenfalls verabredet für AgenturSchluss 5.000 Mobilisierungsplakate zu drucken, deren Finanzierung bei einem Berliner Solifonds zur Unterstützung von Anti-Hartz-Aktionen beantragt werden soll. Dafür soll das bereits im Aufruf verwendete Logo benutzt werden.
Die weitere Organisierung von AgenturSchluss muss nun weiter lokal vor Ort erfolgen. An einem weiteren überregionalen Treffen vor dem 3. Januar besteht auch deshalb kein Bedarf mehr. Es wurde aber ein überregionales Auswertungstreffen zu Agenturschluss am Samstag, den 15. Januar 2005 im autonomen Zentrum in Wuppertal 11 Uhr, Markommannenstr. 3, 4210 verabredet. Alle bis dahin in diesem Zusammenhang aufgelaufen Presseartikel sollen auf der Homepage von Labournet dokumentiert werden.

Soweit Der Protokollant


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