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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Agenturschluss - ein spekulative Bilanz Immerhin: Nach dem ausbrüten der witzigen Idee auf dem Dortmunder Kongress „Die Kosten rebellieren“ im Juni 04 und zwei überregionalen Vorbereitungstreffen in Wuppertal, dessen letztes immerhin vor einem Vierteljahr am 2. Oktober stattfand, kam es in 83 Städten im Bundesgebiet gegen die Einführung des Hartz IV-Armutsregimes zur mehr oder weniger gelungenen Realisierung von „Agenturschluss“. Aufgrund des vorbildlichen Engagements von Labournet, Indymedia und der FAU-AktivistInnen liegen bislang etwas konkretere Berichte aus 56 Städten vor, die auf den entsprechenden Internet-Seiten nachgelesen werden können. Wer sich hier einmal die Mühe macht diese Berichte und Fotos durchzusehen, wird schnell ein buntes zum Teil auch im besten Sinne phantasievolles Potpurri der unterschiedlichsten Situationen, Konfrontationen, Protesttypen und Manifestationen finden: Von der etwas anderen Montagsdemo, Infostand, Sektfrühstücken, irritierenden Behördenumzügen, einem Baggerangriff bis hin zu einem schwungsvoll-dynamischen Demonstrationsmarsch direkt auf das AA-Gebäude findet sich einiges, dass mit Fug und recht als ordnungswidrig bezeichnet werden kann. Und glaubt jemand im Ernst, die Freundinnen und Genossen in Flensburg, Lindau, Zeitz, Worms, Jüterbog, Landshut und Königs Wusterhausen hätten an diesem Tag einfach so für sich losgelegt, ohne zu wissen, das sie an diesem Tag mit ihrer von vornherein an der Arbeitsagentur auf symbolische Konfrontation angelegten Präsenz in einem etwas größeren Organisierungszusammenhang stehen ? Übrigens: Wenn die TAZ (Tageszeitung) noch die wäre, weswegen sie einst Ende der 70er Jahre gegründet worden ist, dann hätte sie analog zu Landkarten über Gorlebenproteste und Hausbesetzungen zu Beginn der 80er Jahre eine mit Agenturschlussorten übersäte BRD-Karte publiziert. Anyway: Die vorbehaltlose Unterstützung der tapferen Sozialkahlschlagspolitik der rot-grünen Bundesregierung durch die auch nicht gerade üppig bezahlten TAZ-Journalisten erfordert (nicht nur) von diesen selbstredend eine andere Publikationspolitik. Festzuhalten ist zunächst aber einmal das die dezentral orientierte Initiative Agenturschluss, die ganz im Unterschied zu ziemlich effektiv – und damit inhaltlich natürlich auf Null - organisierten Parteien, Verbänden oder Gewerkschaften über nicht einen einzigen bezahlten Mitarbeiter verfügte, es mit ihrer Aktionsidee vermocht hat, weit über ihren organisatorischen Binnenkreis hinaus ein paar tausend Leute anzusprechen: Und das auf nicht weniger als einem Terrain das sowohl in der BRD als auch in der ehemaligen DDR vollständig durch die entsprechenden Institutionen für rund ein halbes langes Jahrhundert verstaatlicht war und noch weitgehend ist. So ist es zunächst einmal nicht verwunderlich, das diese Initiative derzeit innerhalb der Institutionen des bürgerlichen Staats auch nicht über einen einzigen nennenswerten Bündnispartner verfügt. Stattdessen hat sich Agenturschluss mit seinem Anspruch auf lokale Selbstorganisation und der (wenn auch noch etwas zu formalen) Ablehnung bürgerlicher Repräsentationspolitik unmissverständlich sowohl mit der Bundesregierung, den zuständigen Gewerkschaften, aber auch mit vielen anderen linken Gruppen angelegt. Als Fußnote kann hier eine an Skurrilität wohl kaum noch zu überbietende Presseerklärung des PDS Ortsverbandes Düsseldorf vom 21.12.2004 zitiert werden. Ausgerechnet die Untergliederung einer Partei, deren Landesverbände in Berlin und Meck-Vopo an der Regierung alles dafür getan haben, Hartz IV zum effektiven Verwaltungsalltag werden zu lassen, unterstützte Agenturschluss, nicht ohne dabei die von der neuen sozialdemokratischen Partei Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) ausgesprochene Distanzierung davon zu geißeln. Was für verkehrte Welten: Eine Regierungspartei unterstützt Agenturschluss während die Partei, die da doch noch erst hin will, sich jetzt schon von den Agenturschlussmitarbeiterinnen distanziert. Das weiß man zumindest über die WASG nicht viel, aber doch das, das sie von kluger Politik einfach keine Ahnung zu haben scheint. Doch genug mit der Selbstzufriedenheit, zumal sich die Entstehung dieser Initiative selbst der Ohnmacht, Dummheit, und Hilflosigkeit der sozialdemokratischen Gewerkschaften verdankt, die das Hartz IV-Regime selbst mit auf die Rolle geschoben haben. Unvergessen soll hier die markante Formulierung des hochrangigen verdi-Funktionärs Obermann bleiben, der sich einen Tag vor Agenturschluss in der Unternehmergazette Handelsblatt nicht nur mit einer obligatorischen Distanzierung zu Wort zu melden hatte. Doch anstatt es dabei zu belassen, wusste er sich gleich darüber hinaus damit zu rühmen, das es doch gerade die Mitglieder seiner Organisation gewesen seien, die bei der verwaltungstechnischen Umsetzung von Hartz IV „enormes geleistet“ hätten. Wohl wahr, verdi-Kollege Obermann! Nachfolgend sollen einige – selbstverständlich völlig unvollständige – Schlaglichter im Zusammenhang mit der Agenturschluss-Kampagne aufgeworfen werden. Sie beziehen sich dabei auf die Probleme einer Repräsentationspolitik über die bürgerlichen Medien, deren Chancen, Risken und unvermeidlichen Wirkungsgrenzen; sie skizzieren ein wenig die völlig ungelöste Problematik zwischen minoritären Protest- und Widerspruchsaktivismus auf dem sozialen Terrain versus der bislang damit weitgehend fehlenden Massenaktivierung und streifen danach die aktuelle Zukunft einer bundesweit agierenden Assoziation unter dem Namen Agenturschluss. Ein paar zu diesen Komplexen eingestreute „Erfahrungen“ beziehen sich dabei auf die Mitarbeit in dem Berliner Bündnis „Ende der Bescheidenheit“, (EdB) an dem sich in den letzten zwei Monaten vor Agenturschluss, wöchentlich teilweise bis zu 30 Leute beteiligt haben. Kommunikationsguerilla versus Selbstentmächtigung durch die Medienindustrie Nun: Der auf der Dortmunder Konferenz erfundene Begriff „Agenturschluss“ hat sich in den letzten sechs Monaten sowohl in den Welten des Internets wie auch in allen bürgerlichen Presseorganen wie auf allen TV-Sendern als eine Art Gegenbegriff zu Hartz IV negativ institutionalisieren können. Wer sich den Spaß gemacht hat, diesen Begriff von Beginn an zu googeln, der startete mit 137 Einträgen und darf heute weit über 40.000 genießen. Wer will, kann das „erfolgreich“ nennen. Symbolisch konterkarierte dieser von nicht sehr mitgliederstarken Gruppierungen erfundene Begriff den für den 3. Januar vorgesehenen natürlich als „erfolgreich“ beabsichtigen Start des Hartz IV-Armutsregimes. Exemplarisch hierfür ein nachfolgend dokumentierter Bericht aus dem Lokalteil Helmstedt in der Braunschweiger Zeitung vom 31.12.04, mit dem auch die Bewohnerlinnen dieser Kommune über unsere tolle Aktionsidee informiert wurden:
Die publizistische Präsenz der Initiative Agenturschluss als ein kurzfristiger Spieler im etablierten System wurde noch einmal durch eine am 29. Dezember in Berlin durchgeführte Pressekonferenz verstärkt. Hier haben eine ganze Reihe von Leuten und GenossInen sprichwörtlich ihre Visage für diese Idee hingehalten. Schon mal das ist etwas weniger leicht im politischen Raum zu ignorieren als eine anonyme d.h. hier konkret: gesichtslose Mobilisierung. Summa summarum: Eine Präsenz im etablierten publizistischen Raum ist auch dann nicht gering zu veranschlagen, wenn prinzipiell davon auszugehen ist, das außerinstitutionell operierende politische Kräfte für die bürgerliche Medienindustrie immer nur Trottel für die bunte Seite sein können oder eben als potentielle Straftäter für den Politikteil in Frage kommen, da sie nicht über die geringste formaldemokratische Legitimation verfügen. Auf der anderen Seite unterwirft man sich natürlich durch einen derartigen Zugang den von unserer Seite nicht zu kontrollierenden Konkurrenzmechanismen der Medienindustrie: Und zu denen gehört sowohl das beliebige Hoch- wie runterschreiben einer politischen Initiative unter der Maßgabe von „Fallhöhe“ wie auch die logische Unmöglichkeit in den papiernen Ausdrucksformen der ökonomischen Gewerbefreiheit die Idee höherer Löhne für viele zu transportieren: Einfacher formuliert: In der bürgerlichen Presse von heute kann in einem demokratischen Sinne nur über die Frage diskutiert werden, wie die Löhne gesenkt, und nicht darüber, wie sie gesteigert werden können. So wirft das sich einbringen in die bürgerliche Medienindustrie
seine eigenen Tücken auf, die auf uns selbst zurückwirken. Auf
der einen Seite hat man natürlich das Recht einigen den Agenturschluss
am nächsten Tag nachfolgenden Presseschlagzeilen alà „Proteststurm
bleibt aus“ (SPIEGEL-online vom 3.1.05) oder „eher Protestbrise
als ein Proteststurm“ (STERN vom 3.1.05) unter Hinweis darauf zu
widersprechen, das der Proteststurm-Begriff weder von unserer Seite auf
der Pressekonferenz noch in Mobilisierungspapieren jemals aufgetaucht
ist. Einerseits. Anderseits ist es aber auch wahr, das es niemand im Verlauf
der Pressekonferenz fertig brachte unmissverständlich darauf hinzuweisen,
das die Initiative Agenturschluss erstens eine von kleinen überschaubaren
lokalen Gruppen ist, und 2. selbstverständlich mit ihrem Aktivismus
„deutlich unter 500.000 TeilnehmerInen mobilisieren wird“,
die bekanntlich (oder etwa nicht?) vom DGB am 3. April 04 auf die Beine
gestellt worden sind, für die sich allerdings unmittelbar danach
leider auch keiner mehr interessiert hat. Szenen aus Berlin Im Vorfeld von Agenturschluss war es kurz vor Weihnachten am 18. Dezember in Berlin einer Gruppe mit der programmatischen Selbstbezeichnung „Die Überflüssigen“ gelungen im Luxusrestaurant „Borchardts“, dem zentralen Fressort sowohl der Schickeria wie auch der politischen Klasse (z.B. Schröder, Merkel und andere), mit dort anwesenden Gästen überraschend „Bedarfsgemeinschaften“ zu gründen. Die ziemlich simple wie einsichtige Logik dieser vorbildlichen Aktion: Wer in der Lage ist im Borchardts 85 Euro für eine Mahlzeit rauszupusten, der ist auch ohne die geringsten Probleme dazu fähig, hungrige ALG II-Empfänger einmal von ihren exquisit gedeckten Tellern mitessen zu lassen. Die Borchardts-Aktion schaffte es auf die Titelseiten der Berliner Boulevard-Blätter und zog in der lokalen Presse eine weite Resonanz nach sich. Die Artikel lesen sich dabei selbst in den Springer-Gazetten fast als Hymnen, in denen nebenbei auch nicht vergessen wurde, auf die Aktion Agenturschluss am 3. Januar im Berliner Wedding hinzuweisen. (Der Verlauf sowie die nachfolgende Berichterstattung zu dieser Aktion kann in dem Bericht „Überflüssige gingen im Nobelrestaurant essen“ bei http://germany.indymedia.org/2004/12/102038.shtml nachgelesen werden). Spätestens nach der Borchardts-Aktion kann zumindest für die interessierte lokale Öffentlichkeit in Berlin behauptet werden, das die grobe Idee und vor allem Datum und Ort von Agenturschluss für alle die, die sich mindestens ein bisschen dafür interessieren, bekannt waren. Zu registrieren war auch eine außerordentlich freundliche
Resonanz bei Flugiverteilaktionen vor ein paar Arbeitsämtern in Berlin
in der Woche vor Weihnachten. Es gab wirklich in keinem Fall – selbstredend
mit der Ausnahme von ein paar unvermeidlichen Security-Schergen –
dumme Bemerkungen oder gar Aggressionen. In nur kurzer Zeit wurden wir
an einem Ort in nur 90 Minuten rund 600 Flugblätter los. In ein paar
Fällen besorgten sich Arbeitslose von uns noch ein paar weitere Flugis
und zeigten sich an der Idee Agenturschluss interessiert. Negativ kann
hier allenfalls die Unfähigkeit des Bündnisses Ende der Bescheidenheit
vermerkt werden, das rund 30 Leute trotz eines mehrmonatigen Planungsprozesses
nicht dazu in der Lage waren, eine flächendeckende „Informationsbetreuung“
aller Berliner Arbeitsämter zu übernehmen. Im EdB-Bündnis
war die aktive Beteiligung sowie die Leidenschaft sich um filigrane Formulierungen
im alles entscheidenden Aktionsaufruf zu streiten, erheblich intensiver
ausgeprägt, als sich morgens vor eine Arbeitsagentur zu stellen,
wo man in kurzer Zeit leicht mehrere hundert Leute erreichen konnte. Und doch war die Demonstration der vielleicht 600 Leute am 3. Januar vom Weddinger Leopoldplatz die Müllerstraße herunter mit einem überraschenden und ordnungswidrigen Fahrbahnwechsel schwungvoll und dynamisch. Mit dieser Bewegung gelang es der Demo samt Lautsprecherwagen erfolgreich – und von den Ordnungsbehörden unerwischt - in den Raum diagonal zwischen SPD-Landeszentrale und direkt vor die Arbeitsagentur zu gelangen, die mit spanischen Reitern, behelmten Kampfbullen zuzüglich einem Batzen bissiger Maulkorbhunde abgeriegelt war. Ganz im Unterschied zu vielen anderen Sozialprotestaktionen versanken an diesem Ort die Teilnehmerinnen gerade nicht in herumstehender Lethargie, sondern forderten mit ihren Mitteln unmissverständlich in einem kollektiven Sinne Einlass in das versperrte Gebäude. In gewisser Weise kann diese Aktion als eine Art zweite Bielefeld-Manifestation interpretiert werden, wo 350 Demonstranten im Frühjahr 1999 den Anspruch erhoben, den ziemlich demokratischen Pro- und Contra Kriegsparteitag der Grünen Regierungspartei in eine Anti-Kriegsvollversammlung umzufunktionieren. Sowohl damals wie heute entwickelte sich aus dieser von den herrschenden Mächten hergestellten Konfrontationssituation ein politischer Tumult. Ein paar weitere Details zu dem ungewöhnlichen Geschehen an diesem Ort können nachfolgend in einem informierten Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 4.1.2005, Seite 3 nachgelesen werden.
Drei zunächst unverbunden erscheinende Punkte sollen an dieser Stelle noch nachgetragen werden. Auf der dem Agenturschluss am Abend vorher voran gehenden Vollversammlung meinte ein Genosse noch schnippisch: „Hoffentlich werden wir morgen mehr Aktivsten als Presseleute!“ Wir hatten mit unserer Teilnehmerinnenzahl Glück, denn man und Frau Agenturschluss lag dann doch etwas über dieser kritischen Marge, allerdings muss man davon dann noch einen Batzen Genossen abziehen, die ebenfalls an diesem Ort mit der Kamera unterwegs waren. Offensichtlich nimmt die Zahl der Demonstrationstrottel, die einfach so mit ihrem Körper ohne Kamera vielleicht mit einem Transparent oder einem Plakat demonstrieren selbst zu einem so wichtigen wie lange vorbereiteten Anlass immer noch weiter ab. Es war eigentümlich zu beobachten, das der beständig
von einem Schwarm von Medienleuten umlagerte Demoanmelder Grottian Leuten
Interviews gab, die nicht nur allein der Kleidung nach, bitter arm wirkten,
sondern sogar noch im Gesicht völlig fertig aussahen. Ob viele mehrfach
freie Journalisten aus diesen Aufnahmen nach der Aktion noch irgendwas
gemacht haben, weiß man nicht. Klar ist aber auch, das wenn es unter
Umständen noch einmal eine ganz andere Dramatik bei dieser Aktion
gegeben hätte, (z.B. einen Toten) sie sicher auch noch mit dem letzten
Fitzel von Bildern und Interviews von diesem Ereignis hätten ein
paar Euro verdienen können. Es waren in dem Gebäude mehr Aktionen überlegt und geplant, als letztlich auch aufgrund einer dichten Bullen- und Zivifrequenz durchgeführt worden sind. Hier hat es ganz sicher einiges an individuellem Versagen gegeben, das allerdings noch mal darauf verweist, das die konkrete Architektur der Arbeitsagenturgebäude darauf angelegt ist, uns alle dort erstens zu individuieren und zweitens damit zu „kleinen Würstchen“ zu machen. Am 3. Januar ist es uns letztlich kaum gelungen diese Grenze in der Weddinger Müllerstasse Haus Nr. 16 zu überspringen; lebendige Stimmung brachte erst eine nachfolgende unangemeldete und unkontrollierte Agenturschluss-Demonstration von etwa 150 Leuten in die sonst toten Gänge der Arbeitsagentur in der Charlottenstraße. Ein wohl in diesem Zusammenhang ausgelöster Feueralarm erinnerte alle in diesem Gebäude Anwesenden daran, das es immer richtig ist, sich bei Feuer und höchster Not schleunigst aus der Gefahrenzone zu bewegen. Über die Vergangenheit und die Zukunft der Agenturschluss-Struktur Wer genau hingeguckt hat, dem wird es nicht verborgen geblieben sein, das sich insbesondere für den Verlauf des zweiten bundesweiten Vorbereitungstreffen am 2.10. in Wuppertal eine ganze Reihe von sehr schwerwiegenden intellektuellen Mängeln offenbart haben. Aus meiner Sicht stand dieses Treffen deshalb dicht vor dem Abbruch, da ein nicht unwesentlicher Teil der Teilnehmerinnen nach dem sichtbaren Abflauen der Montagsdemos in der Agenturschlussinitiative keine Repräsentationsoptionen mehr sah. Und da wo einem nichts mehr einzufallen scheint, bzw. die Idee konkreter aktivistischer Selbstorganisation mit öffentlich bekundeter konfrontativer Stoßrichtung fast unvorstellbar ist, da und dort kann man dann immer noch über die MLPD, auslaufende Montagsdemos oder über andere Ein-Euro-Jobber schwadronieren. Das stört im Prinzip nun wirklich nichts und niemanden, allein es ist Zeitverschwendung dafür quer über das halbe Bundesgebiet anzureisen. Wo weder politische Hoffung, intellektuelle wie praktische Neugier, noch soziale Leidenschaft wie Phantasie zusammenkommen, da gibt es auch nichts mehr zu organisieren oder gar bundesweit etwas zusammen zu führen. Ich bin mir derzeit jedenfalls nicht ganz sicher, ob sich das nach dem dann doch wirklich dezentral halbwegs engagiert auf die Beine gestellten großen Agenturschluss-Tag vollständig verändert hat. Darüber hinaus gilt für selbstorganisierte und aktivistisch lokal geerdete Strukturen für bundesweite oder überregionale Organisierungsprozesse sowieso zehnmal mehr als für zentral gesteuerte Organisationen, das immer der Inhalt weit vor der hohlen Form kommen muss. Derzeit sind zwei konkretere Vorschläge bekannt, mit denen es unter Umständen Sinn machen könnte, die in der Tat etwas fragile bundesweite Struktur Agenturschluss aufrecht zu erhalten. Der eine besteht in einer überregionalen Koordination gegen das Ein Euro Zwangsarbeitregime und der andere Vorschlag besteht in einer Kampagne gegen Billiglöhne in den Lidl-Filialen, die in absehbarer Zeit – sagen wir das vorletzte April-Wochenende in einen gemeinsamen überregionalen Aktionstag an einer Vielzahl von Lidl-Filialstandorten mündet. Ich votiere deshalb für letzteres, weil hier die Konfrontations- Öffentlichkeits- und damit auch Assoziationslinien in einem überregionalen Sinne leichter zu entfalten sind, als auf dem außerordentlich vielschichtigen Ein-Euro-Job-Terrain. Nach meiner vorläufigen Spekulation werden hier zumindest in diesem Jahr fast alle unmittelbar Beteiligten irgendwie freiwillig mitspielen, - im gemeinsamen Agreement wird ein nicht geringer Teil des objektiv als Lohndumpingprojektes entworfenen Ein-Euro-Job-Instrumentes in der Wohlfahrtsbürokratie verdampfen - so dass sich überregional nur außerordentlich schwer gemeinsam beschreibbare Konfrontationspunkte (im sprichwörtlichen Sinne) benennen lassen werden. Anyway: Ob es denn Sinn macht eine zeit- und ressourcenaufwendige bundesweite Organisierung a là Agenturschluss weiter aufrecht zu erhalten, wird sich aus den Diskussionen auf dem bundesweiten Arbeitstreffen in Wuppertal am 15. Januar ergeben. Von besonderer Bedeutung werden dabei die vielen hoffentlich überzeugend generierten Argumente sein, was denn in den nächsten Monaten sinnvoller Weise getan werden kann, um mit unseren – zugegeben bescheidenen – Mitteln substantiellen politischen Einfluss im Kampf für ein glückliches Leben zu nehmen. Fred |