Home > Diskussion > Aktionen > Herbst2004 > Nürnberg04 > AdNuernb3
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Gegen Ausbeutung und Ausgrenzung, ... die Kosten rebellieren

Aufruf antirassistischer Gruppen zur Beteiligung an der Grossdemonstration am 6.11.04 in Nürnberg, vor der Bundesagentur für Arbeit und gegen Hartz IV ...

Bereits im Herbst letzten Jahres waren antirassistische AktivistInnen der Bundesanstalt für Arbeit, der heutigen Bundesagentur (BA), "aufs Dach gestiegen". "Ausbeutung ohne Grenzen" stand auf dem Transparent, das im Rahmen der Aktionstage gegen das Ausreiselager in Nürnberg/Fürth auf dem Vordach der BA plaziert wurde.
Dieser Protest richtet(e) sich gleichermaßen gegen Zwangsarbeit wie Arbeitsverbote, gegen die neuen Zumutbarkeitsregelungen wie gegen Razzien auf Baustellen, gegen die Ausweitung der Niedriglohnarbeiten mittels Personalserviceagenturen (PSA) wie gegen die miesen Bedingungen, in denen die meisten der SaisonarbeiterInnen in der Landwirtschaft schuften müssen.

In der Umsetzung all dieser Maßnahmen und insbesondere in der Ausweitung und Aufrechterhaltung rassistischer Hierarchisierungen auf dem Arbeitsmarkt spielt die Nürnberger Bundesagentur- wie auch nun bei Hartz IV - eine Schlüsselrolle.

  • Zum Teil unterliegen Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge einem direkten Arbeitsverbot, zum anderen Teil ist die BA für die Umsetzung der sogenannten Bevorrechtigungsregelung verantwortlich. Damit muss ein Arbeitgeber für die freie Stelle zunächst für 6 Wochen nach "bevorrechtigten Arbeitnehmern" (mit deutschem Pass, EU-MigrantInnen, Migrantinnen mit Daueraufenthalt ...) suchen, erst dann hat ein Asylsuchender die Chance, den Job zu kriegen.
    Diese Regelung bedeutet ein faktisches Arbeitsverbot für die meisten Flüchtlinge.
  • Seit vielen Jahren sind es insbesondere Flüchtlinge im Asylverfahren oder im Duldungsstatus, die für einen Euro die Stunde zu sogenannter "gemeinnütziger Arbeit herangezogen" werden. Mit Hartz IV ist geplant, diese Zwangsarbeit auszuweiten, Ein-Euro-Jobs sollen zur Massennormalität werden.
  • Zahllose Flüchtlinge und MigrantInnen haben keine andere Chance als sich mit "illegaler Arbeit" durchzuschlagen. Sie haben entweder keinerlei Aufenthaltstatus und/oder keine Arbeitserlaubnis. Einerseits sind manche Sektoren der standortgebundenen Wirtschaft auf diese billige, rechtlose Arbeit angewiesen, andererseits gibt es ein staatliches Interesse, dass sich diese Schattenwirtschaften nicht unkontrollierbar ausweiten. Razzien auf Baustellen, in Restaurants oder auch im Sexgewerbe gehören daher zum Alltag, insbesondere illegalisierte MigrantInnen sind davon betroffen und werden nicht selten anschließend in Abschiebehaft genommen und abgeschoben. Zwar hat mittlerweile der Zoll die Federführung für diese Razzien von der BA übernommen, doch ca. 2000 Mitarbeiter der BA sind nach wie vor mit diesen Maßnahmen beschäftigt.
  • Ziel einer Aktion des letztjährigen Grenzcamps in Köln war die Zentrale Arbeitsvermittlungsstelle (ZAV) in Bonn. Sie ist eine Filiale der BA und u.a. damit befasst, SaisonarbeiterInnen aus osteuropäischen Ländern zu Niedrigstlöhnen in die deutsche Landwirtschaft zu vermitteln. Wie auch bei den Greencards, der Entsendearbeit oder einem geduldeten Sockel von illegalisierten ArbeitsmigrantInnen geht es darum, migrantische
    Arbeitskräfte entsprechend der Erfordernisse des Arbeitsmarktes zu steuern.

Razzien, Abschiebehaft und Abschiebungen stehen dazu nicht im Gegensatz. Es ist vielmehr genau diese Kombination von Ausgrenzung und Ausbeutung, dieser komplexe "Selektionsprozeß", den das moderne Migrationsmanagement auszeichnet: Abschottung, Lagerunterbringung und Ausweisung der Unerwünschten, der Renitenten, der Unproduktiven einerseits, und Rekrutierung und Kanalisierung der Erwünschten, der Nützlichen, in die Billiglohnsektoren andererseits.

Hartz IV, die sogenannte Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, ist im Kern nichts anderes als der Versuch, nun immer mehr Menschen in Niedriglohnarbeiten zu treiben. Dagegen ist massiver Widerstand so notwendig wie berechtigt.

Es scheint jedoch kein Zufall, dass die im ALG II formulierten Drohungen mit Zwangsarbeiten oder mit Lebensmittelgutscheinen statt Bargeld bei angeblicher "Verweigerung von zumutbaren Jobs" bislang in erster Linie an Flüchtlingen durchexerziert wurden, die selbst wiederum entsprechend des neuen Zuwanderungsgesetzes mehrheitlich vom ALG II gänzlich ausgeschlossen bleiben.

Die Rechtlosigkeit von Flüchtlingen und illegalisierten MigrantInnen, die Ausgrenzungspolitik insgesamt hat zweifellos die Funktion, Menschen in Arbeitsbedingungen zu pressen, die sonst niemand akzeptieren würde. Zunehmende Konkurrenz und Lohndumping auf dem gesamten Arbeitsmarkt sind die beabsichtigten Folgen.

Ob als illegalisierte ArbeiterInnen in miesen Putzjobs oder als Zwangsbeschäftigte für einen Euro in der Grünflächenreingung, ob als rumänische Erntearbeiterin "für Deutschland ackern" oder als polnischer Entsendearbeiter auf den Grossbaustellen schuften ..., wer die Realitäten und besonderen Ausbeutungsbedingungen der unterschiedlichen ArbeitsmigrantInnen nicht einbezieht, wird mit einer Kritik der allgemeinen Verschärfungen immer zu kurz greifen.

Die Situation der migrantischen Arbeit, so die zu diskutierenden Thesen italienischer FreundInnen, nimmt vorweg, was sich als verallgemeinernde Tendenz der Prekarisierung entwickelt und alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst.

Doch dabei geht es nun nicht darum, das Bild der "armen ausgegrenzten Flüchtlinge" nun durch ein Bild der "armen ausgebeuteten ArbeitsmigrantInnen" zu ersetzen. Vielmehr geht es zunächst darum anzuerkennen, dass die Prekarisierung von MigrantInnen und migrantischer Arbeit ein sich verallgemeinernder umfassenderer Prozess ist, der sich nicht allein auf den Arbeitsplatz, sondern eben auch auf Aufenthalt und Bewegungsfreiheit bezieht. Und dass dies ein Prozess ist, der mehr als alles andere mit globalisierten Ausbeutungsbedingungen konfrontiert, die nur ignorieren kann, wer letztlich nach standortnationalistischen Lösungen sucht.

Davon ausgehend wären die Bewegungsformen von MigrantInnen, die vielen stillen Widerständigkeiten und Verweigerungen, und erst recht die politisch artikulierten Proteste und Kämpfe von Flüchtlingen und ArbeitsmigrantInnen in den "Zonen des Reichtums" als Aneignungsmomente anzuerkennen. Ob innerhalb, außerhalb oder in eigenen migrantischen Gewerkschaften, ob in Communities, in Workers Centers oder in temporären autonomen Zusammenschlüssen, solche Ansätze von migrantischer Organisierung, die es mittlerweile in ersten Ansätzen auch in Deutschland gibt, müssen nicht zuletzt bei den laufenden Protesten gegen die sozialen Angriffe von oben einen eigenen Stellenwert einnehmen.

In diesem Sinne: Auf nach Nürnberg, gegen die Machenschaften der Bundesagentur für Arbeit, nicht nur wegen Hartz IV und gegen PSAs, sondern auch gegen Arbeitsverbote und Razzien gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen.

Erstunterzeichnende Gruppen:

Amplitude/kein mensch ist illegal; Karawane für die Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge/Gruppe Nürnberg; Aktionsbündnis gegen Abschiebung/Rhein-Main; Antirassistische Gruppe Für Freies Fluten/Hanau; Antirassismus Büro/Bremen

http://www.grossdemo-nuernberg.tk/ externer Link
http://thistuesday.org externer Link


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang