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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Manuskript der Rede von Tom Adler, Betriebsrat Daimler-Untertürkheim und Vertreter der Gewerkschaftslinken, auf der Kundgebung am 28.3.09 in Frankfurt/M. Liebe KollegInnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde, im Herbst 2008 haben Finanzminister Steinbrück, Angela Merkel und ihr Vize Steinmayer der Bevölkerung erklärt, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass Deutschland überhaupt eine Rezession bevorsteht. Dabei war die Krise bereits unübersehbar und wurde täglich tiefer. Heute ist Deutschland nicht nur in einer tiefen Rezession, sondern die ganze Weltwirtschaft im freien Fall, und dieselben Herrschaften treten in London beim G20-Gipfel an und behaupten allen ernstes, Politik für uns, gegen diese Krise zu entwickeln, eine Krise, die sie damals so wenig verstanden haben wie heute! Das kann doch nur ein Schwätzer-Gipfel werden! Bestenfalls ein Schwätzer-Gipfel, denn es ist ja absehbar, dass dort nicht nur heiße Luft produziert wird, sondern dass dort alle vor allem eines wollen: nämlich das ungestörte "Weiter so!" bei der Umverteilung von unten nach oben organisieren! Denn das haben sie ja auch vor der Krise schon getan, mit Steuersenkungen für Reiche, mit der Agenda 2010, mit Hartz4, mit der Demontage der Renten- und Krankenversicherung und mit der Rente mit 67. Und mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Millionäre in Deutschland seit der Agenda 2010 sprunghaft gestiegen ist, dass von den rund 6 Billionen Vermögen die reichsten 10% der Bevölkerung über 60% besitzen. Die haben ihre Vermögen ja nicht bei Günter Jauch gewonnen! Diese Politik machen sie auch konsequent in der Krise weiter: auch im freien Fall wollen die Dax-Konzerne 2009 Dreiundzwanzigeinhalb Milliarden Euro Dividenden ausschütten - genausoviel wie 2007, mehr als doppelt soviel wie 2004! Allein der Plan ist ein einziger Skandal! Und diese ganzen Herrschaften aus den CDU-, SPD-, FDP- und Konzernzentralen, die mit ihrer Politik der Umverteilung von unten nach oben diese Krise erst ermöglicht haben, diese Brandstifter, die geben jetzt für die deutsche und internationale Öffentlichkeit die redlichen Feuerwehrleute - das dürfen wir denen nicht durchgehen lassen, Kolleginnen und Kollegen, und auch deshalb protestieren wir hier und Europaweit gegen diese Wölfe, die die Krisenlasten auf uns abwälzen wollen, gegen diese Umverteilungswölfe, die sich bis nach der Bundestagswahl den Schafspelz umhängen, um uns zu täuschen und ruhig zu halten! Aber jetzt ist es vorbei mit der Ruhe! Was in Griechenland, Island, Irland und Frankreich angefangen hat, wird hier weitergehen, das ist die Europäische Einheit die wir brauchen!! Merkel, Steinbrück und Steinmayer wissen : allerspätestens nach der Bundestagswahl werden wir mit Firmenzusammenbrüchen, massivem Druck auf die Lohn- und Sozialstandards und mit einer Massenarbeitslosigkeit konfrontiert sein, wie wir sie noch nie erlebt haben. Schon heute beginnen die Chefs der großen Autokonzerne wieder Lohnverzichtsforderungen an die Belegschaften zu stellen. Auszubildende werden nach der Ausbildung nicht übernommen, sondern wie bei Daimler auf die Straße gesetzt. Wir alle wissen : Was in der gewerkschaftlich gut organisierten Autoindustrie den Kolleginnen und Kollegen erfolgreich abgepresst werden kann, ist die Vorlage für den Angriff auf alle anderen Branchen und Belegschaften, und die Vorlage für die nächsten Angriffe auf die Erwerbslosen! Deshalb muss jetzt der Widerstand beginnen, weitergehen, verbreitert, verstärkt werden! Denn ob die Zetsches und Schäfflers, die Merkels, die Ackermänner, Steinmayers und Steinbrücks sich gegen uns durchsetzen, ist eine gesellschaftliche Machtfrage. Und Machtfragen werden immer noch danach entschieden, zu welcher Mobilisierung auf Straßen und Plätzen und in den Betrieben wir in der Lage sind! "Millionen sind stärker als Millionäre!" so hat das vor 50 Jahren Willi Bleicher auf den Punkt gebracht, Willi Bleicher, der berühmte alte Bezirksleiter der IG Metall in BaWü. An diese elementare Erkenntnis muss man etliche seiner Nachfolger an den Spitzen der heutigen DGB-Gewerkschaften aber immer wieder erinnern! Gerade auch in meiner Gewerkschaft IG Metall! Wir brauchen nämlich keinen Schulterschluss für ein blindes "Weiter so!" in der Autoproduktion mit Zetsche, Forster, Winterkorn und anderen Bossen der deutschen Autoindustrie, wir brauchen kein Bündnis für Abwrackprämien und Lohnverzicht und gegen die Umwelt-Auflagen der EU ! Das ist eine Geisterfahrt, die uns weder in eine sichere noch in eine lebenswerte Zukunft führt! Wir brauchen im Gegenteil ein industrielles Umsteuern auf Umwelt- und Sozialverträgliche Verkehrskonzepte plus deutliche weitere Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, um Arbeitsplätze und Einkommen zu verteidigen! Und beides geht nicht mit den Konzernspitzen, sondern nur mit den Belegschaften , mit massivem Druck von unten! Weil nur Millionen in Bewegung stärker sind als die Millionäre! Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen auch definitiv keinen öffentlichen Schulterschluss unserer Gewerkschaftsvorsitzenden mit solchen verlogenen, unappetitlichen Profiteuren der letzten Jahre, wie Maria Elisabeth Schäffler von Conti-Schäffler, die keine Hemmungen kennen, auch einen Billig-Kittel über den Ozelot zu ziehen, wenn das erleichtert, an Steuergelder und zu Lohnverzicht zu kommen! Wir brauchen vielmehr den gewerkschaftlichen Schulterschluss der norddeutschen Conti-Kollegen mit den Conti-Belegschaften in Frankreich, die ihren Bossen Beine machen, wenn Arbeitsplätze vernichtet werden sollen! Dort gibt es Schuhe und Eier statt Verständnis für die Arbeitsplatzvernichter, Sozialabbauer und Gehaltsdiebe! Kolleginnen und Kollegen, um Millionen in Bewegung zu bringen , um sie stärker zu machen als die Millionäre, braucht es Bündnisse der Gewerkschaften mit den gesellschaftlichen Kräften, die sich dem "Weiter so!" der Herrschenden widersetzen, die kämpfen gegen das "Weiter so!" beim Lohn- und Sozialabbau, die kämpfen gegen das "Weiter so!" bei der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen! Wir brauchen für die dringend nötige Steigerung des Widerstands ein breites gesellschaftliches Bündnis vom Umweltschützer bis zum Autoarbeiter, wir brauchen für die Mobilisierungen des DGB im Mai alle Kräfte an einen Tisch, die sagen "SO NICHT WEITER!" , von der Erwerbslosenbewegung über den VdK bis zum BUND und den Antifas, von attac bis zu den Naturfreunden und 3.Welt-Soli-Bewegung! Und: wer für Rente mit 67, Hartz4, Agenda 2010 oder demnächst Agenda 2020 steht, wie Merkel oder Steinmayer, hat dort nichts, aber auch gar nichts verloren, nicht am 1.Mai, nicht am 16.Mai in Berlin, nicht bei der Kundgebung der IG Metall in Frankfurt 14 Tage vor der Bundestagswahl! Wir brauchen Gewerkschaften die entschlossen voran gehen! Wir brauchen Mobilisierung, um den Zorn und Wut an der Basis in kämpferische Energie zu wandeln! Wir müssen nicht Dampf ablassen, sondern den Kessel anheizen! KollegInnen und Kollegen, Kapital und Kabinett müssen uns wieder fürchten lernen! Nur wenn wir sie wieder das fürchten lehren, grenzüberschreitend, können wir verhindern, dass sie die Kosten ihrer Krise auf uns abwälzen und sich davon machen mit dem, was sie sich aus unseren Taschen genommen haben! Veränderung beginnt mit unserem Widerstand! Unsere Chance heißt: Résistance! |