Berliner Demo 3.6.2006
Liebe KollegInnen, FreundInnnen und alle, die diese unmenschliche Gesellschaftsordnung nicht für der Weisheit letzten Schluss halten!
Es ist allen von uns überdeutlich, was die Ziele von Kapital und Kabinett bei Hartz 4, 5 oder 6, Gesundheitsreform und im Rentensystem sind:
- es wird immer massiver umverteilt von Unten nach Oben,
- die Bereiche öffentlicher Daseinsvorsorge sollen mit aller Gewalt für die private Kapitalvermehrung erschlossen werden, und
- lohnabhängig Beschäftigte und Arbeitslose sollen in eine immer größere Situation der Unsicherheit gebracht und damit gefügig für alle Zumutungen gemacht werden.
Das gilt nicht nur für Millionen Arbeitslose und prekär Beschäftigte, sondern hat längst die erreicht, die meinten sichere Arbeitsplätze zu haben.
Selbst in Betrieben wie DaimlerChrysler ist jeder Konsens mit der Belegschaft längst aufgekündigt und das Zwangs-Regime zeigt sich immer krasser:
- erstes Beispiel: Kollegen, die von DC entlassen wurden, kommen wieder zurück als Arbeiter von Leihfirmen mit Spottlöhnen
- zweites Beispiel: Auszubildende werden zu Wanderarbeitern gemacht, die in allen DC-Betrieben der Republik Arbeit annehmen müssen - das ist ein anti-soziales Entwurzelungsprogramm in Reinkultur!
- Dass es wegen jedem Scheiß Abmahnungen hagelt, um ein Klima der Einschüchterung zu erzeugen, braucht fast nicht mehr erwähnt zu werden.
Jede/r im Betrieb weiß, was "Arbeitsmarktreform" heißt: Die Grenze zwischen Arbeit und geregeltes Einkommen zu haben und rausgestoßen zu werden ist verdammt schmal geworden - ein "soziales Netz", das vor Abstürzen schützt, gibt es nicht mehr.
Das Gute am Schlechten: Die Propaganda gegen Arbeitslose, die es sich angeblich in der sozialen Hängematte bequem machen, zieht bei den KollegInnen nicht mehr.
Das ist wichtig, denn es ist eine der Voraussetzungen, die Spaltungen zu überwinden, auf die die Herrschenden setzen, ja regelrecht angewiesen sind!
Es ist bei den KollegInnen im Betrieb längst angekommen: Es geht nicht um ein paar kleine Korrekturen, sonder ums Ganze! Überall dort, wo Widerstand wächst - von Alstom Power in Mannheim bis zu CNH in Spandau - heißt die Parole deshalb: "Französisch lernen!"
Nicht so im Grossteil der Führungen unserer Gewerkschaft:
- Kollege Klaus Zwickel, seinerzeit Vorsitzender der IGM, billigte im Vorfeld der Hartz-Reformen, dass gegen den (angeblichen) Missbrauch vorgegangen werden müsse,
- Berthold Huber, 2.Vorsitzender der IGM, beschwichtigte in der Diskussion um Schröders Agenda 2010, "nicht jede Kürzung führe zur Demontage der Sozialsysteme"..
Doch, Berthold: jede Kürzung ist nämlich ein Test, wie weit Kapital und Kabinett gehen können bei dieser Demontage, und führt so zwangsläufig zur nächsten Kürzungsrunde!
Der Umschlag von Quantität in Qualität hat längst stattgefunden, und die Demontage alles Sozialen gewinnt immer noch an Fahrt im ehemals "sozialen Sicherungs-System" und in Betrieben und Büros!
Kolleginnen und Kollegen, die Demoskopen sagen uns immer wieder, aktuell in der vergangenen Woche: Die Bevölkerung ist einerseits tief verunsichert, will aber andererseits solidarische wirksame Sozialsysteme und lehnt die heutige Kahlschlagpolitik ab.
Was, KollegInnen, braucht jemand, der verunsichert ist?
Wer verunsichert ist, braucht Orientierung!
Und er kann am wenigsten gebrauchen, was unsere Gewerkschaftsvorstände heute allzu oft anbieten:
- nämlich noch mehr Verunsicherung, Zögerlichkeit, Zaghaftigkeit!
- Und Illusionen in gemeinsame Interessen von unten und oben.
Denn die gibt es definitiv nicht!
Der weg aus der Defensive führt
- nicht über wehleidiges Beschwören eines illusionären, längst aufgekündigten Konsenses mit Regierung und Unternehmern,
- nicht übers Betteln um einen Platz am KanzlerInnen-Kamin oder genauer: am Katzentisch der Mächtigen.
Der Weg aus der Defensive führt über die Streiks und Aktionen vor den Toren von Alstom Power in Mannheim, den Kampf der KollegInnen von Gate Gourmet, die Kämpfe und Aktionen der KollegInnen und Kollegen im ÖD gegen Privatisierungen und Arbeitszeitverlängerung.
(Nebenbei: das ist ein unübersehbares Signal, dass die Bedeutung der Arbeitszeit und der Arbeitszeitverkürzung wieder erkannt wird und nicht mehr der tote Hund ist, als der das Thema ein Jahrzehnt lang galt.)
Der Weg führt über die Streiks vorm Tor von Opel in Bochum, über die von den Mettinger Daimler-Arbeitern besetzte Bundesstrasse 10 und über die Demonstrationen am 1.11.2003 in Berlin, über die Massenkundgebungen am 3.April 2004 und unsere heutige Demo und Dieser WEG HEISST WIDERSTAND!
Und wie erfolgreich das sein kann, haben wir in Frankreich sehen können.
Bei dieser Art von Einmischung warnen Regierung und Unternehmer sofort vor Klassenkampf.
Weil sie wissen: Wer sich nicht sichtbar macht, wird übersehen! Wer sich kein Gehör verschafft, wird überhört!
Weil wir uns Gehör verschaffen und uns zeigen, warnen sie vor Klassenkampf, weil sie wissen:
Veränderung beginnt mit Widerstand gegen die Politik von Kapital und Kabinett, und geht weiter mit unserer Reform-Agenda, mit unseren Forderungen z.B. nach
- Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn zu Lasten der Profite
- Mindestlohn 10 Euro/Std
UNSRE CHANCE - RÉSISTANCE!
Tom Adler
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