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Updated: 18.12.2012 15:51
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Arbeitsbedingungen in Lehrjahren. Interview mit zwei Konditorlehrlingen

Jedes Jahr im September beginnt sie, die große Heulerei über die Ausbildungsmisere: zu wenige Plätze für zu viele BewerberInnen, immer mehr Abiturienten gehen in die berufliche Ausbildung und verdrängen damit Haupt- und Realschülerinnen vom Arbeitsmarkt – zu einem nicht geringen Teil für immer. Man solle deshalb glücklich und dankbar sein, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu haben. Und vor allem gilt es durchzuhalten. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre.

Die Direkte Aktion sprach mit zwei Auszubildenden im Konditoreibereich. Was Lehrjahre für junge Menschen bedeuten, vor allem im Handwerk und anderen kleinen Klitschen, zeigt dieses Interview beispielhaft. Dabei wird deutlich, dass Strategien gegen die beschriebenen Zustände, die zum Teil eher die Regel als die Ausnahme darstellen, noch zu entwickeln bzw. wiederzuentdecken sind. Bisher stehen die Betroffenen ziemlich allein da.

- DA: Stellt Euch doch mal kurz vor.

An: Ich arbeite in einer kleinen Bäckerei/Konditorei in Berlin-Charlottenburg als Konditorlehrling. Neben mir als Lehrling arbeiten dort noch zwei Verkäuferinnen, eine Konditorin, ein Bäcker und ein Meister, der auch Konditor ist.

Ad: Ich arbeite in einer etwas größeren Konditorei – aber jetzt auch nicht wirklich groß – in Berlin. Besonders daran ist, dass es eine biologische Vollkornbäckerei ist. Wir haben fünf Läden, da arbeiten glaube ich jeweils ein Verkäufer bzw. eine Verkäuferin. In der Bäckerei sind vier Leute, davon eine Azubi – eine Frau. In der Konditorei sind wir im Moment zu dritt und damit gnadenlos unterbesetzt. Es gibt zwei Chefs, die die Besitzer sind. Und bei mir gibt´s noch eine Konditormeisterin.

- DA: Lernt Ihr eigentlich etwas oder seid Ihr einfach nur billige Arbeitskräfte?

An: Bei mir ist das Problem, dass wir sowieso an Torten sehr wenig machen, und wenn, dann macht das entweder der Meister oder die Konditorin. Die hat dort auch gelernt und arbeitet dort schon ewig – deshalb vertraut der Meister ihr dann gewisse Sachen an. Ich durfte bis jetzt gerade mal einen Blechkuchen machen. Ich bin jetzt im dritten Lehrjahr, und ehrlich gesagt kann ich jetzt so viel wie eine bessere Hausfrau. Dementsprechend wird mir auch vorgeworfen, dass ich ja überhaupt nichts kann. Ich kann nun mal nur so viel, wie man mir beigebracht hat. Und ich glaube, dass ich Glück habe, wenn ich meine Abschlussprüfung schaffe.

Ad: Bei mir legt die Meisterin eigentlich schon sehr viel Wert darauf, dass ich auch etwas beigebracht bekomme – allein schon deswegen, dass ich besser mitarbeiten kann. Sie begreift das als ihre Aufgabe. Das Problem ist allerdings im Moment, dass wir gnadenlos unterbesetzt sind und ich dann bei neuen Sachen immer ins kalte Wasser geschmissen werde. Und dann muss man es können oder irgendwie machen. Zwar ist es nicht so, dass es mir in so einer Situation zum Vorwurf gemacht wird, wenn ich es nicht kann. Dennoch ist es nicht so, wie es eigentlich vorgesehen ist, nämlich dass mir die Sachen langsam beigebracht werden. Man ist da voll in der Produktion, und alles was man lernt, lernt man dann dabei. Auch wenn das nicht unbedingt gewünscht ist, das funktioniert gerade nicht anders.

An: Ein weiteres Problem bei mir ist das Gehalt. Ich kriege keine Gehaltsabrechnung. Das Geld wird mir nur auf mein Verlangen hin gegeben. Wenn ich sage: „Chef, mein Kühlschrank ist leer, ich brauche jetzt unbedingt mal wieder Geld“, dann bekomme ich 50 Euro auf die Hand. Ich muss selber dafür sorgen, dass ich ungefähr 300 Euro im Monat zusammenkriege, muss also selber total hinterher sein. Urlaub wird bei uns prinzipiell nicht aufgeschrieben und eigentlich glaube ich schon, dass ich noch ein paar Wochen habe. Urlaub an sich ist selten. Bei uns muss er von langer Hand geplant, ja, erbettelt werden. Am Ende kriegt man nochmal eins reingewürgt und darf dann erst in Urlaub gehen. Ich hab auch schon versucht, meinen Chef darauf aufmerksam zu machen, und hab auch abgemahnt und alles Mögliche mit meiner Mutter unternommen, weil die mich da am Anfang sehr unterstützt hat, da ich ja keine Ahnung davon hatte. Aber der Chef reagiert eigentlich überhaupt nicht darauf. Er verspricht, dass alles besser wird, und am nächsten Tag ist man doch wieder der Arsch, den er anschreit.

Ad: Ich habe – grob geschätzt – eine lustige 50-Stunden-Woche. Es wird nichts aufgeschrieben, nichts abgebummelt. Wie schon gesagt, wir sind mindestens ein bis zwei Leute zu wenig. Und das arbeiten wir alles mit. Das Problem ist, dass die Belegschaft und auch die Meisterin schon sagen, dass das nicht mehr geht – die haben schließlich alle irgendwelche krassen Krankheiten an den Beinen –, aber es letztlich wird viel geredet und wenig gemacht, um sich gegen die Chefs durchzusetzen. Der Urlaub ist aber korrekt. Ich habe relativ viel Urlaub: 24 Tage, die kriege ich auch; und ich habe jetzt auch mal einen Tag mehr bekommen, wegen Überstunden, damit eine Woche voll wird. Das ist schon noch okay. Ich erhalte auch die Gehaltsempfehlung der Konditoreninnung. Im zweiten Lehrjahr waren es jetzt 320 € Netto. Das ist nicht viel. Aber es kommt regelmässig. Bei den anderen sieht es ganz anders aus, die warten seit Monaten auf ihren Lohn.

An: Ich habe schon mal versucht, mit der Konditorin zu sprechen, dass sie mir doch mehr beibringt. Aber das Problem ist, dass sie total viele Überstunden macht und einfach gar keine Zeit dafür hat. Und mit dem Meister lässt sich überhaupt nicht reden – das geht einfach nicht. Er ist, glaube ich, auch überhaupt nicht gewillt, mir etwas beizubringen. Der sagt immer: „Ja klar, nächste Woche machen wir mal ´ne Torte“. Doch die einzige Torte, die ich jemals gemacht habe, war kurz vor meiner Zwischenprüfung in der überbetrieblichen Ausbildung.

- DA: Das mit der Bezahlung entspricht ja auch in keiner Weise irgendwelchen Standards. Hast Du schon mal erwogen, dagegen zu klagen, oder befürchtest Du, danach gemobbt zu werden?

An: Naja, gemobbt werde ich ja jetzt schon. Aber dann wäre es noch schlimmer. Und ich denke nicht, dass ich dann sofort einen anderen Job bekomme. Ich habe jetzt noch ein Jahr und hoffe, dass ich das irgendwie rumkriege. Ich werde danach sowieso nicht übernommen, weil ich ja nichts kann. Meine Kollegin hatte da schon mal einen Riesenstress mit dem Chef angefangen und auch gekündigt. Aber er hat sie dann so lange bearbeitet, bis sie wieder da war. Das Problem mit der Bezahlung ist bei allen gleich. Urlaub bekommt nur die Konditorin regelmäßig, der Bäcker – er ist jetzt, glaube ich, seit anderthalb Jahren bei uns – hatte, soweit ich weiß, mal eine Woche. Er arbeitet sechs Tage die Woche und hat quasi keinen Urlaub.

- DA: Sind bei Euch Sachen wie erhöhter Krankenstand vorgekommen?

An: Nee, also bei mir gar nicht. Ich war insgesamt – ich bin nun im dritten Lehrjahr – fünf Tage krank. Und neulich war ich drei Tage am Stück krank. Das war vor ein paar Monaten, und da hieß es dann auch: „Ja, die ist scheinkrank“. Wenn man also krank ist, bekommt man schon ziemlichen Ärger. Und außerdem weiß ich auch, dass meine Kollegen – gerade die Konditorin, mit der verstehe ich mich ziemlich gut – den ganzen Scheiß zusätzlich machen muss, wenn ich nicht da bin.

- DA: Seht Ihr Perspektiven gewerkschaftlicher Arbeit in Euren Betrieben?

Ad: Das funktioniert ja nur mit den anderen Leuten. Und wenn es dazu kommt, denke ich, dass sich da etwas mit äußerem Druck, zumindest erstmal als Drohung, machen lässt. Das muss man noch ein bisschen ausloten – ich habe so konkret noch nicht zur Sprache gebracht, dass es auch diese Möglichkeit gibt. Ich glaube, es ist allgemein das Dilemma in so kleinen Klitschen, dass man sich nicht einfach mit zehn Leuten zusammensetzen kann und auch nicht ohne den Rest der Belegschaft etwas machen kann, bei dem ja eindeutig ist, von wem es ausgeht, so dass die Person im Endeffekt gearscht ist. Man darf nicht unterschätzen, was dann für ein Mobbing stattfindet. Schon ohne gezielte Kampfformen ist das recht krass, wenn z.B. irgendwelche Sachen nicht gemacht werden. Solche kleinere Sachen gibt es ja schon, also dass einfach irgendwann gesagt wird: „Nee, machen wir nicht mehr“. Das ist aber sehr sporadisch und jedes mal mit einem riesen Stress verbunden. Da organisierter ranzugehen – dafür gibt es jetzt noch nicht wirklich Ansätze. Man muss mal schauen, wie es jetzt weiterläuft.

Das Interview führte die OG Potsdam der FAU und erschien in der Direkten Aktion vom März/April 2007. Wir danken dem Verlag!


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