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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Neues zu IXION - Auf dem Weg zur Firmenschließung?

Im Frühjahr 2006 wurden bei der Maschinenbaufirma IXION in Hamburg neue vom geltenden Manteltarifvertrag erheblich abweichende Arbeitsverträge gegen einen großen Teil der Beschäftigten durchgesetzt. Als Druckmittel diente eine drohende Insolvenz mit Betriebsschließung. Die damaligen Kapitalisten erhofften sich durch den Einstieg von Investoren die Abwendung der Insolvenz.

Neuer Arbeitsvertrag [Anm1]

  • 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich
  • Erhöhung des Gleitzeitkontos von +/-105 Stunden auf +/-200 Stunden
  • Bereitschaft zur Schichtarbeit
  • Zumutbarkeit von Arbeiten in anderen Bereichen und anderen Standorten in der BRD
  • Berechnung des Jahresurlaubs auf 6 Werktage wöchentlich (5 Wochen Urlaub)
  • Verzicht von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, dafür erfolgsabhängige Prämie
  • Anwesenheitsprämie von 1 Euro pro Arbeitstag. Abzug von 30 Euro von der Prämie pro Tag ab dem 6. Fehltag.
  • Unbezahlte Nacharbeit von Ausschuss bei grober Fahrlässigkeit und im Wiederholungsfall
  • Auflösende Bedingung bei Scheitern der Sanierung.

IXION Frühjahr/Sommer 2006

Zum Jahresanfang tritt IXION aus dem Arbeitgeberverband Nordmetall mit Tarifbindung in den ohne Tarifbindung über.

Der neue Arbeitsvertrag trifft insbesondere die Arbeiter. Ein großer Teil der Angestellten hatten bereits vorher individuelle Arbeitsverträge mit der 40-Stundenwoche; bekamen dafür eine Lohnerhöhung von 10-12,5%.

Von den Angestellten weigerte sich einer, seit 2 Jahren beschäftigt, den neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Es kam zu einer Einigung mit Auflösungsvertrag.

Insbesondere im Arbeiterbereich kam es zu erheblichen Problemen. Ursprünglich sollte der neue Arbeitsvertrag bereits am 1.3.2006 in Kraft treten. Zu dem Zeitpunkt hatten aber höchstens die Hälfte der damals 39 Arbeiter unterschrieben.

Weit in den März hinein verweigerten lange anfangs 14 Kollegen trotz Kündigungsdrohung ihre Unterschrift. Um wahrscheinlich einen Sozialplan [Anm1] zu umgehen gab es dann intensive Einzelgespräche, in dem dann sieben mit z.T. erheblichen Zugeständnissen von Seiten der Kapitalisten bei Arbeitszeit, Urlaub oder Lohn unterschrieben.

Von den verbliebenen sieben wurden drei kurzfristig von der Arbeit freigestellt; kehrten aber aufgrund einer einstweiligen Verfügung in den Betrieb zurück [Anm1]. In den anschließenden Kündigungsschutzverfahren trafen drei eine Einigung und verließen mit einer Abfindung den Betrieb. Alle drei haben neue Jobs gefunden.

Ein Vierter gewann seinen Kündigungsschutzverfahren [Anm1]. Vermutlich weil ohne Aussicht auf Erfolg, wurde gegen die restlichen drei keines mehr eingeleitet. Sie arbeiten weiter zu den alten Vertragsbedingungen.

AUERBACH/MAXION

Von der Insolvenz waren auch die mit IXION in einen Firmenverbund verbundenen Firmen AUERBACH in Auerbach/Ellefeld (Sachsen) und MAXION in Pößneck (Thüringen) bedroht. Den dortigen Beschäftigten wurden dieselben neuen Arbeitsverträge vorgelegt. Da AUERBACH und MAXION nicht im Arbeitgeberverband organisiert sind, galten dort auch vorher die Tarifverträge nicht. Die Arbeitszeiten lagen bereits bei 40 Stunden die Woche. Der Urlaub betrug 5 Wochen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld lag niedriger.

Von den damals 160 Beschäftigten in den beiden Betrieben unterschreiben 157 den neuen Arbeitsvertrag.

Eine Verbindung zu den KollegInnen in AUERBACH und MAXION gelingt trotz gelegentlicher, sporadischer Kontakte durch Beschäftigtenaustausch nicht!

Investoren

Mit den neuen Arbeitsverträgen als Anreiz fanden sich drei Investoren, die sich zu der Holding MKS zusammenschlossen und in die Betriebe einstiegen. Im Zuge einer Kapitalerhöhung von 2,25 Millionen Euro beteiligten sie sich mit 51% an IXION und AUERBACH, zusätzlich brachten sie 2,5 Millionen Euro Darlehen ein (später noch mal 1,35 Millionen).

Nachdem die Anteile der Alteigentümer übernommen werden gingen die Firmen komplett in den Besitz der MKS über. In Hamburg lösten sie gleich die Lackiererei/Putzerei mit einer damit verbundenen betriebsbedingten Kündigung eines Kollegen, der den neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben hat, auf.

Als nächstes werden die Lohnfertigungen bei IXION und AUERBACH zu einer eigenständigen Firma TiXbo ausgegliedert, mit Sitz in Auerbach/Ellefeld.

MAXION als schwarze Zahlen schreibendes Unternehmen wird durch ein sogenanntes MBO (Managment-Buy-Out) ebenfalls ausgegliedert.

IXION und AUERBACH sollen bis Ende 2007 zu einer Firma zusammengeführt werden. Konstruktion, Vertrieb und Verwaltung werden daraufhin ausgerichtet. Insbesondere der Verwaltungs- und Führungsbereich werden personell besser ausgestattet.

Die Eigenfertigung, in der drei der Nichtunterschreiber arbeiten, wird begonnen maschinell auszudünnen.

Einer der Investoren wird Geschäftsführer bei IXION und AUERBACH und tritt durch einen selbstherrlichen Führungsstil in Erscheinung.

IXION Frühjahr/Sommer 2007

Aus Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in der Firma kündigt im Laufe des Jahres 2007 die gesamte Konstruktion und weitere Angestellte.

Im Sommer entschließen sich zwei Kollegen, den alten Arbeitsvertrag gerichtlich zurückzufordern. Als IGM-Mitglieder hat für sie der alte tarifgebundene Arbeitsvertrag nach wie vor Geltung und kann eingeklagt werden (Für IGM-Mitglieder gilt der Tarifvertrag weiter, wenn der Arbeitgeber beim Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses tarifgebunden war. Daran ändert auch ein Austritt aus der Tarifbindung nichts.) Zudem könne die mit dem neuen Arbeitsvertrag beabsichtigte Sanierung des gesamten Betriebes mit den Schließungen und Auslagerungen als gescheitert betrachtet werden, womit die auflösende Bindung des Vertrages in Kraft treten müsste.

Die MKS [Anm2] reagiert schnell auf die Entwicklung. Der Forderung aus der Belegschaft nach einer außerordentlichen Betriebsversammlung folgt der Betriebsrat nicht. Er beteiligt sich stattdessen an von der MKS initiierten Beschäftigungsinterviews, zu denen extra ein Moderator aus Zürich eingeflogen wird, wobei die Nichtunterschreiber und Selbstkündiger ausgeschlossen werden.

Der Geschäftsführer wird aus der Schusslinie genommen und es wird ein neuer, unter den Beschäftigten als integer geltenden Geschäftsführer, beauftragt. (Er gehört nicht zu den Investoren. Sie sind somit nur noch finanziell mit dem Betrieb verbunden.) Sie trennt sich von der bisher eingeschlagenen Linie der Zusammenführung von IXION und AUERBACH und trennt sie fortan komplett. Damit wollen die Probleme bei IXION von AUERBACH fern halten, das angeblich bereits 2007 schwarze Zahlen schreibt.

Zur Verbesserung der Stimmung in der Belegschaft, bietet IXION ihnen die Ausschüttung des gesamten Gewinns vor Steuern des Jahres 2007 an.

2008 soll es dann 85% Gewinnausschüttung geben, was sich dann schrittweise bis 2013 auf 15% reduziert. Im Gegenzug soll es dann wieder Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sowie 30 Tage Urlaub geben.

Davon redet heute niemand mehr. Trotzdem wurden an die Beschäftigten, die den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben haben, zwei mal eine Prämie von insgesamt mehreren hundert Euro ausgezahlt. Die Beträge lagen aber erheblich unterhalb des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, welches ihnen eigentlich zusteht. Gleichzeitig tauchen die ersten Gerüchte über erneut drohende Entlassungen auf.

Das Scheitern des Sanierungkonzeptes wird damit endgültig. In Arbeitsgerichtsprozessen wird vom Gericht bei einem noch laufenden Verfahren die Ansicht vertreten, dass das Sanierungskonzept, einseitig zu Lasten der Beschäftigten geht. Ein entsprechender Beschluß steht aber noch aus. Der zum Sanierungskonzept gehörende neue Arbeitsvertrag ist arbeitsrechtlich ohnehin nicht tragbar. Es ist allein das repressive deutsche Arbeitsrecht, was den Weiterbestand sichert. Danach muß jeder einzelne Beschäftigte individuell klagen.

IXION Herbst/Winter 2007/2008

Seit Ende Juli 2007 führt der Betriebsrat Verhandlungen mit der Geschäftsführung über einen Interessenausgleich [Anm1]. Im September wird das auch offiziell in der Belegschaft bekanntgegeben. Angeblich stimmt die Kostenstruktur, insbesondere bei den Löhnen, nicht mit dem Auftragsvolumen überein; es ist um 3 Millionen zu niedrig.

Über die Verhandlungen läßt der Betriebsrat nichts verlauten. Es gäbe nichts zu berichten. Die Geschäftsleitung habe ein Konzept zur Weiterführung des Betriebes vorgelegt, was vom Betriebsrat als keines betrachtet wird und abgelehnt wird.

Ende Oktober setzt der Betriebsrat die Verhandlungen aus. Am 9.11. findet endlich eine Betriebsversammlung statt. Auf der verkündet die Geschäftsführung ihr Konzept. Die Eigenfertigung, die Elektromontage und die Hausmeisterei sollen geschlossen werden, Buchhaltung und Marketing sollen verschlankt werden. Das bedeutet 13 Entlassungen, davon 9 im produktiven Bereich.

Im Betrieb verbleiben soll allein die mechanische Montage. Fertigungsteile sollen fremd vergeben werden. Die Elektromontage soll über Leiharbeiter im Betrieb erfolgen, im Gespräch sind maschinengebundene Werksverträge.

Um die Kostenstruktur bei den Kaufteilen zu optimieren und das Auftragsvolumen zu verbessern werden Einkauf und Vertrieb personell verstärkt. Mit den Maßnahmen soll der Betrieb vor der Insolvenz bewahrt werden!!!!

Der Sozialplan [Anm1]

Am 27.11.2007 wird der ausgehandelte Sozialplan auf einer Betriebsversammlung vorgestellt. Er beinhaltet folgende Abfindungsregelung:

  • Mindestbetrag: 2500 EUR
  • bis 44 Lebensjahr 0,5% vom Monatsbrutto 10/07 pro Beschäftigungsjahr
  • 45 - 49 Jahre 0,6%
  • 50 - 57 Jahre 0,65%
  • ab 58 Jahre 0,6%

Hat ein Beschäftigter zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 60. Lebensjahr ereicht oder überschritten, verringert sich für jeden vollen Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres die nach der vorstehenden Formel errechnete Abfindung um 1/60.

Für unterhaltsberechtigte Kinder und Schwerbehinderte gibt es 1500 EUR zusätzlich. Letztendlich kein besonders guter Sozialplan.

Innerhalb von zwei Tagen findet die Anhörung des Betriebsrates zu den Entlassungen statt. Er stimmt keiner Entlassung zu. Noch am Freitag, den 30.11. werden die Kündigungen den Betroffenen ausgehändigt, bzw. per Boten den zu diesem Zeitpunkt Kranken und Urlaubern ausgehändigt. Am Montag, den 3.12. laufen die ersten drei Leiharbeiter für die Elektromontage auf!!! Die Gekündigten sollen sie einarbeiten. Allerdings ist der Krankenstand in der Elektromontage und der Eigenfertigung sehr hoch.

Sechs der 13 Betroffenen stellen Kündigungsschutzklage; mit Fünfen gibt es sogenannte einvernehmliche Lösungen; zwei sind erst knapp ein Jahr beschäftigt.

Resümee

Wie die Montage der komplexen CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen ohne eigene Fertigung und vor allem Elektromontage funktionieren soll, ist umstritten. Es kann vermutet werden, dass es sich bei dem Konzept um keine betriebswirtschaftliche, sondern vielmehr um eine "politische" Entscheidung handelt.

Die Entlassungen würden den "widerständigen" Kern unter den Arbeitern zerschlagen. Es sind acht von zur Zeit noch 23 Beschäftigten (incl. zwei Meister) im produktiven Bereich, wovon sieben jetzt entlassen werden. Mit fast einen Drittel "Quertreibern" lassen sich keine weiteren Angriffe führen der Geschäftsleitung problemlos gegen die Beschäftigten durchsetzen.

Kollektiv gegen die Entlassungen vorzugehen ist nicht mehr möglich. Die seit 2003 anhaltenden Konflikte im Betrieb, ohne das es gelingt, kollektiv offensiv zu werden, wirkt zermürbend auf Aktivisten. Zwar versuchen Fünf ihre Kündigungsschutzklagen weitestgehend kollektiv durchzuführen - arbeitsrechtliche Schritte bleiben aber immer individuell. Es bleibt fraglich, ob die Fünf ihre Weiterbeschäftigung erstreiten können, wenn die Geschäftsleitung das nicht will. Arbeitsprozesse werden immer vorrangig mit dem Ziel einer "außergerichtlichen gütlichen Einigung" geführt.

Haben anfangs nur 2-3 Arbeiter aufgemuckt, sind es im Laufe der Zeit doch 13-15 geworden. Wobei ein erheblicher Teil bereits die vergangenen Jahre genutzt haben, den Betrieb zu verlassen. Es ist aber nicht gelungen, die Spaltung zu den Angestellten, insbesondere den Konstrukteuren, zu überwinden. Mit den Selbstkündigungen (die gesamte Konstruktion) gingen sie ihren eigenen Weg.

Eine weitere Schwäche war, dass es nicht gelungen ist, Beziehungen zu den ArbeiterInnen von AUERBACH und MAXION herzustellen.

Nachdem einige Kollegen in den Angestelltenbereich versetzt wurden, werden im produktiven Bereich noch 12 Arbeiter verbleiben. Die Basis für kollektives Handeln bei zukünftigen Angriffen wird immer schmaler und wird von einen erheblichen Teil der Verbliebenen auch gar nicht angestrebt.

(Mit Drohungen, ihre Gelder aus dem Betrieb zurückzuziehen besteht ein Druckmittel der X-tec Machinery Holding GmbH gegenüber der Restbelegschaft, weitere Verschlechterungen durchzusetzen. Kann die Fremdvergabe von Eigenfertigung und Elektromontage einerseits zu Störungen in der Montage führen, kann es natürlich auch funktionieren. Dann stellt sich die Frage, warum dann nicht die gesamte Montage über Werksverträge durchgeführt werden kann.)

So reibungslos wie die Kapitalisten es sich vorstellen klappt das nicht immer mit Angriffen auf Lohnbestandteile und Arbeitsbedingungen - diese Erfahrung wurde gemacht. Es hat aber nicht gereicht, den Kapitalisten insgesamt die Stirn zu bieten. Sollten die Entlassungen durchgehen, werden sie mit der Restbelegschaft leichtes Spiel haben.

Bericht eines Beschäftigten vom 27.2.2008

Anmerkungen

1) Liegt der Redaktion des LabourNet Germany vor

2) Die Holding hat sich zu der Zeit in X-tec Machinery Holding GmbH umbenannt, nachdem MKS in einem Flugblatt mit Money-Kohle-Schotter übersetzt wurde.

Der erste Prozeß, bezüglich Kündigungsschutzklage findet am 28.3.2008 um 10:45 Uhr im Saal 109 vor dem Arbeitsgericht Hamburg, Osterbekstraße 96 statt.


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