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Updated: 18.12.2012 15:51
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Jetzt feiern - aber das dicke Ende kommt erst

Anmerkungen zum Streik bei Vacuumschmelze Hanau

Die Gewerkschaften sind Zwitterwesen , einmal sind sie Stellvertreter der Belegschaft gegenüber dem Kapital zum anderen sind sie die Stellvertreter des Kapitals gegenüber den Belegschaften. Aus dieser Rolle kann die IGM auch nicht beim Streik bei VAC in Hanau heraus - jedenfalls nicht ohne Hilfe der Belegschaft.

Jetzt feiern aber erstmal alle zusammen ihren Sieg gegen die VAC-Geschäftsführung, die Belegschaft, IGM-Funktionäre und Landrat Pipa mit seiner Initiative "Eine Region steht auf". Gemeinsamer Siegesgrund ist, daß VAC zwei Prozesse verloren hat, also gestreikt werden "darf" und in den Arbeitgeberverband, also in die Tarifbindung zurückgekehrt ist. Unterschiedlich sind die Gründe zum Feiern: Die Belegschaft freut sich, vor dem Hintergrund ständiger und allgemeiner Niederlagen im Arbeitnehmerlager, endlich mal Kapitalisten bezwungen zu haben, sogar noch eine sogenannte Heuschrecke. Und dabei noch die ganze Region hinter sich zu haben.

Die IGM-Funktionäre feiern, weil sie ihren Sozialpartner durch Gerichtsurteile auf die Gewerkschaftsgleise, das Pforzheimer Abkommen gezwungen haben. Und sie freuen sich sicherlich, sich in Einklang mit Mitgliedern und Bevölkerung zu befinden.

Die Frage muß allerdings erlaubt sein: Was wäre gewesen, wenn die beiden Gerichte den Streik nicht erlaubt hätten? (Wie beim ersten Prozeß gegen die GDL im Bahnstreik vor einem Jahr).

VAC ist ein Metallbetrieb in Hanau mit 1500 Beschäftigten. Die Arbeiter sind zu 99 Prozent organisiert. Sie stellen Spezialteile her für: Uhrenbauer, Medizintechnik, regenerative Energien, Schiffbau, Telekommunikation, Automobilbau und Luftfahrtindustrie. Seit 1923 war VAC Teil des Siemens-Konzerns, von 2005 an der Private Equity Firma OEP.

VAC war im Juni d.J. aus dem Arbeitgeberverband/Flächentarifverband ausgestiegen, weil sie freie Hand haben wollte: dauerhaft die Löhne absenken und sie an die jeweilige Geschäftslage anbinden, die Arbeitszeit sollte unentgeltlich erhöht werden. Begründet wurde der Tarifaustritt auch mit gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten. Das Pforzheimer Abkommen (Vertrag zwischen Arbeitgeberverbänden und IGM aus 2004) sollte dabei gar nicht benutzt werden. Es besagt, daß Firmen bei schlechter Ertragslage, im Sanierungsfall oder bei wichtigen Investitionen Tarifbedingungen nachverhandeln können, um Löhne zu senken und Arbeitszeiten heraufzusetzen... IGM Bezirksleiter Schild erklärte: "Wir haben einen umfangreichen Beitrag der Arbeitnehmer angeboten!" (Hanauer Zeitung vom 18.8.08). Die Geschäftsführung schien der Meinung zu sein, die Gewerkschaften nicht mehr beim Sozialabbau zu brauchen. Deutsche Gerichte haben sie eines Besseren belehrt.

Seine Ziele hat VAC sicher auch nicht nach den verlorenen Prozessen beim Arbeitsgericht Hanau und beim LAG Frankfurt aufgegeben. Wie die FAZ schreibt (17.9.08), "sollen die Kosten nun anders gespart werden. Die Geschäftsführung sehe sich nunmehr gezwungen, Arbeitsplätze am Standort Hanau abzubauen. Damit entfalle auch die Beschäftigungsgarantie, die im Gegenzug zu flexiblen Arbeitszeiten für den Fall des Abschlusses eines Haustarifvertrags angeboten worden sei. Weiter werde die Auszahlung von Erfolgsbeteiligungen sowie von freiwilligen Zulagen gestrichen."

Ein Sieg der Belegschaft ist es erst dann, wenn kein Abbau der Arbeitsplätze passiert, keine Lohnkürzungen und keine Arbeitszeitverlängerung. Da bei dieser Belegschaft, nach sieben Tagen engagiertem Streik, es der örtlichen IGM schwerfallen dürfte, das Problem mit der Geschäftsleitung innerbetrieblich durch Verhandlungen zu lösen, dürfte es zu einer Streikfortsetzung kommen. Ein Erfolg hat allerdings zur Voraussetzung, daß die Beschäftigten den Arbeitskampf bestimmen, also wer im Streikkomitee ist, daß die Verhandlungen transparent sind und die Belegschaft ständig auf Versammlungen informiert wird und daß über das Ergebnis abgestimmt wird . Eben, daß der IGM-Apparat seine Rolle nicht spielt sondern die KollegInnen sich selbst vertreten. Erst dadurch können sie ihr Machtpotential ausspielen und haben die Chance, den Angriff der Firmenleitung abzuwehren! Wobei es ja um keinerlei Verbesserung geht sondern um die Verhinderung von Verschlechterungen . Aber die Metalltarifrunde steht ja bevor und schafft neue Unübersichtlichkeiten. Es ist zu hoffen, daß die KollegInnen von VAC sich durchsetzen und erneut feiern werden. Man wird sehen, wer dann mitfeiern wird.

Die Stellvertretung der IGM-Führung gegenüber der Belegschaft ist nur eine relative , die sie nur einsetzen kann, solange ihre absolute Stellvertretung, die für das Kapital, nicht tangiert wird. Wenn es brenzlig wird, muß die IGM den Kampf abbrechen und den Kompromiß abschließen, siehe AEG Nürnberg vor zweieinhalb Jahren, siehe Bosch-Siemens Berlin vor zwei Jahren, der kürzliche Bahnstreik usw. Das ist nicht mal böser Wille oder Verrat des IGM-Apparates, es ist seine Rolle in Staat und Wirtschaft.

Aber noch feiern die IGM-Funktionäre mit der Masse und treten kämpferisch auf gegen die böse und unfähige Geschäftsführung, die "abgewählt gehört" Zur Rollenausfüllung gehört eben dazu, im ersten Akt klassenkämpferisch aufzutreten, im zweiten Akt auf "gleicher Augenhöhe" mit "den Sozialpartnern" das im "Gesamtinteresse zur Standortsicherung" beste herauszuholen und im dritten Akt dann das Ergebnis als Erfolg zu verkünden. Selbst wenn es herbe Kürzungen sind.

Interessant ist noch, was in den Streiknachrichten der IGM Hanau, Sonderblatt 3 steht: "Diese Geschäftsführung muß sich allerdings fragen lassen , ob sie weiterhin diesen Betrieb mit oder gegen die Belegschaft führen will. Das Vertrauen der Beschäftigten in die Geschäftsführung ist durch die Geschehnisse der letzten Wochen nachhaltig gestört". Sind wir schon bei einer Art Räteherrschaft, daß in Deutschland Betriebe mit der Belegschaft geführt werden?! Aber mensch versteht schon: So wie es auf nationaler Ebene der Wunsch des DGB-Apparates ist, daß Ruhe und Harmonie herrscht, so wünscht es sich auch die IGM in Hanau. Gedanken an Rebellion und Widerstand, auch im Alltagsbetrieb, sind den Funktionären fremd, den KollegInnen auch? Stattdessen freut sich die IGM Hanau (auch Sonderblatt 3) über die Unterstützung des Arbeitgeberverbandes, der sich dafür einsetzen will, "daß unverzüglich Verhandlungen aufgenommen werden, um die zur Sicherung des Standorts erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren". Wie hoch der Preis bei der Belegschaft für die Sicherung des Standortes dann sein wird, wird sich herausstellen.

Helga Schwitzer vom Vorstand der IGM sprach am 14.9. zur Belegschaft: "Ihr setzt das letzte Mittel ein, das abhängig Beschäftigte haben, wenn sie sich wehren wollen: Ihr verweigert Eure Arbeitskraft". Sie ist wohl Hellseherin. Woher weiß sie, was das letzte Mittel der Beschäftigten ist?

Bezirksleiter Armin Schild schreibt in einem Flugblatt der Frankfurter IGM (17.9.08) von einer "tarifpolitischen Geisterfahrt der Geschäftsleitung". Er meint damit, daß VAC darauf verzichtete, das Pforzheimer Abkommen in Anspruch zu nehmen und immer noch auf Arbeitsplatzabbau aus ist. Zu fragen wäre: Warum sind die VAC-Geschäftsführer Geisterfahrer? Nur, weil sie ihren OEP-Chefs ehorchen müssen, die wohl noch nichts vom Pforzheimer Abkommen gehört hatten? Er kann sich darauf verlassen, sie sind Realisten und fahren auf der derselben Spur wie immer, der der ungehemmten Kapitalvermehrung.

Franz Rehbein

info@linkstermine.org  


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