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Updated: 18.12.2012 15:51
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Streik in Medizintechnik-Werk Möller in Wedel beendet

"Ihr habt gewonnen", mit diesen Worten gab Ludwig Dieckmann, BR-Vorsitzender und Mitglied der örtlichen Streikleitung das Ergebnis der Verhandlungen bekannt. Der Streik war seit dem 1. Dezember geführt worden, um die Firmenleitung wieder in die Tarifbindung zu zwingen. Diese hatte im Januar 2006 den Arbeitgeberverband verlassen. Die Löhne waren zwar entsprechend den tariflichen Ergebnissen zwischen IGM und Arbeitgeber-Verband weiter gezahlt worden, aber auf freiwilliger Basis. Kürzlich hatten die 160 Beschäftigten Einzelarbeitsverträge angeboten bekommen, nur wenige hatten unterschrieben. In der Firma herrschte viel Unsicherheit, seit Geschäftsführer Schmidt von seinen Geschäftsvisionen erzählt hatte, u.a. von einer Reduzierung der Belegschaft auf 80 KollegInnen. Es sollte nicht mehr in Wedel produziert sondern nur noch unter dem Traditionsnamen verkauft werden. Die Beschäftigten bekamen auch das "Angebot", statt 35 in Zukunft 40 Stunden arbeiten zu müssen, ohne Lohnausgleich. Sie unterbreiteten daraufhin einen Gegenvorschlag, der die Bereitschaft zu zehnprozentiger Produktionssteigerung bei einer Erhöhung der Arbeitszeit auf 37 Stunde beinhaltete. Das wurde aber von der Konzernzentrale in Bern abgelehnt.

Das Streikziel, Wiederherstellung der Tarifbindung wurde erreicht. "Ein guter Kampf gegen neoliberale Deregulierung geht mit dem Schutz durch die flexiblen IG Metall-Tarifverträge erfolgreich zu Ende", so Uwe Zabel, 1. Bevollmächtigter der IGM Unterelbe. Falls die Streikenden dem Abschluß in der Urabstimmung am Donnerstag und Freitag zustimmen und daran besteht kaum Zweifel, tritt der Tarifvertrag am 2. Januar 2009 in Kraft.

Die Streikenden, versammelt im Streiklokal "Isi´s Chamäleon", ganz in der Nähe des Werkes, hatten gar nicht mehr mit einem Abschluß an diesem Tag gerechnet. Sie hatten sich schon für den nächsten Tag um fünf vor den Werkstoren verabredet, um das Werk zu blockieren. Von den 160 Beschäftigten arbeiteten bei Streikbeginn ca. 35 weiter, ca. 30 ließen sich krank schreiben, einige nahmen Urlaub. Wieviele ihre Krankheit abgebrochen hatten und auch wieder arbeiteten, ist nicht genau bekannt. Von den Streikenden war jedenfalls niemand reingegangen. Für Donnerstagabend war schon eine Kundgebung vor dem schweizerischen Konsulat in der Hamburger Innenstadt geplant, für Anfang Januar die Zugfahrt zur Holding Haag-Streit in Bern, dem Eigentümer des Wedeler Werkes. Die Fahrt der Belegschaft war schon geplant und letzten Montag auf einer Kundgebung in Wedel verkündet worden. Es sollte damit eine kleine Verhandlungsdelegation von drei Kollegen in Bern unterstützt werden. Diese Aktion war aber kurzfristig von der IGM abgesagt worden. Dafür wurden von dem Geschäftsführer des Wedeler Werkes, Martin Schmidt, am Dienstag Verhandlungen aufgenommen worden. Zwischen der Konzernleitung in Bern und der Geschäftsführung in Wedel scheint es häufiger Dissenzen und Mißverständnisse gegeben zu haben, zuletzt um die Aufnahme des "Fit for Future-Programmes" (auch Fit-Programm genannt) in die Abmachung. Die IGM trat für eine Aufnahme ein, auch die Genfer Konzernführung, aber nicht der Wedeler Geschäftsführer. Jetziger Stand ist, daß über das Fit-Programm im Januar Verhandlungen aufgenommen werden sollen. Unklar war am Mittwochnachmittag noch, ob die Streiktage (gegen Bezahlung) nachgeholt werden müssen, denn der Betrieb ist in guter Auftragslage.

Den ganzen Tag waren die Streikenden vom Organisationsberater Wolf Reichhelm in Isi´s Chamäleon über den Fit-Prozeß informiert worden und hatten in sechs Arbeitsgruppen darüber diskutiert. Dieses Fit for Future-Programm war ihnen bisher nicht bekannt.

"Wir müssen erreichen, daß die Möller-Geschäftsführung "Fit" unterstützt, damit das Ganze eine Chance hat", so Reichhelm, der dieses Konzept schon in anderen Metallbetrieben propapiert hat, bisher immer auf Anregung der Firmenleitungen, zuletzt bei SIHI in Itzehoe, einem Pumpenhersteller (300 Beschäftigte). "Das Problem sind nicht die Beschäftigten, die Probleme liegen bei den Führungskräften", so der Referent. Dadurch würden Ressourcen verschwendet, nach Untersuchungen Milliardenbeträge. Er zog eine Parallele zum Verhältnis Eltern-Kinder. Auch Eltern verprügeln ihre Kinder, weil sie deren Bestes wollen. Auch die Unternehmer wollen das Beste. Aber sie müßten sich verändern im Fit-Prozeß! Es gehe für den Unternehmer und die Belegschaft um die gemeinsame Frage: "Wo will das Unternehmen in fünf Jahren stehen?". Es gelte, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wettbewerbsfähig zu sein.

Für den BR-Vorsitzenden Ludwig Dieckmann eröffnet sich die Chance für alle Beteiligten: "Unternehmensleitung, Geschäftsführung, Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall...um gemeinsam auf der Basis der dann geltenden flexiblen Tarifverträge der IG Metall über die Zukunftsgestaltung des Standortes Wedel zu beraten und zu diskutieren. Kontinuierliche Verbesserung aller Prozesse führt zu einer besseren Standortsicherung und Kostensenkung..." Standort- und Wettbewerbssicherung seien die Ziele. Auch der Betriebsrat Andrè Meister sieht den Verhandlungen im Januar optimistisch entgegen: "Jetzt werden wir den kontinuierlichen Verbesserungsprozeß in Gang setzen, um Arbeitsabläufe zu optimieren und Störfaktoren zu beseitigen". Er ist überzeugt: "Das Gold ist in den Köpfen der Kolleginnen und Kollegen". Womit er sicher recht hat.

Das Konzept von Fit stieß bei den KollegInnen in den Arbeitsgruppen auf Resonanz, vor allem auch vor dem Hintergrund einer Unzufriedenheit, die sich verstärkt in den letzten drei Jahren gebildet hatte, vieles sei schief gelaufen, sehr unproduktiv, mit viel Schlendrian und Unproduktivität. "Das kann doch so nicht sein, das ist doch unsere Firma", erklärte ein Kollege aus tiefstem Herzen. Das Fit-Konzept sprach ihren Produzentenstolz an. Außerdem sehen sie wohl durch diesen "Schlendrian", für den sie die Schuld der Geschäftsführung geben, letztlich ihre Arbeitsplätze in Gefahr. In einer Arbeitsgruppe ergab sich vor dem Hintergrund, daß das Fit-Konzept von ihren Vorgesetzten abgelehnt wurde eine interessante Diskussion. "Dann machen wir das Fit-Konzept ohne das Management, das tauschen wir aus". Ein anderer: "Das machen wir selbst". Alle lachen...

Die zentrale Frage ist in der Tat: "Wer bekommt das Gold, das aus den Köpfen der KollegInnen gehoben wird?". Sich mit dieser Frage zu beschäftigen, haben die Streikenden/wohl bald wieder Arbeitenden noch einige Wochen Zeit. Sie können auch aus Firmen wie Sihi, Itzehoe und Arcelor, Bremen (früher Klöckner) KollegInnen einladen und sich Auskunft geben lassen, wieviel Gold sie erwirtschaftet haben und ob ihre Eltern sie noch immer prügeln oder ob Demokratie und "gleiche Augenhöhe" in die Betriebe eingezogen ist.

Aber am Freitag ab 12 Uhr wird das Ergebnis erstmal gefeiert. Und es gibt vor dem Werkstor eine Kundgebung mit Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IGM Küste.

(Einige Zitate sind dem Streikinfo-aktuell Nr. 12 vom 17.12.08 entnommen).

Dieter Wegner, 17.12.2008 (Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg)
Kontakt: info@linkstermine.org


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