Bei Möller in Wedel geht der Streik weiter

Das Städtchen Wedel schließt sich gleich nördlich an Hamburg an, die S-Bahn endet dort. Es liegt an der Elbe. Die Firma Möller gibt es seit 40 Jahren, ist aber längst nicht mehr in Familienbesitz sondern gehört einer Schweizer Holding. Es werden optische Geräte hergestellt für die Medizin. Dort wird seit zwei Wochen gestreikt, weil der Arbeitgeber vor fast drei Jahren aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist und damit nicht mehr der Tarifbindung unterliegt. Die tariflichen Gehaltserhöhungen hat er zwar seitdem gezahlt, aber als freiwillige Leistung. Nach Ansicht der Streikenden bereitet die Firma mit dem Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband künftige Lohnkürzungen vor und die Lieferung von Produktion aus China.

Nicht ganz verständlich ist das Verhalten von Betriebsrat und Gewerkschaft (IGM): Der Geschäftsleitung wurden zehn Prozent Produktionserhöhung angeboten, falls die Firma wieder in die Tarifbindung eintritt. Das Widersprüchliche ist, daß die Firmenleitung dann ja zehn Prozent weniger Arbeitskräfte bräuchte, die KollegInnen sich selbst überflüssig machten. Die Geschäftsführung lehnte dies Angebot aber ab.

Die Firma hat 160 Beschäftigte, davon machen 50 Streikbruch und arbeiten. Dafür kriegen sie pro Tag 50 Euro Antrittsgeld, zu Jesus Zeiten waren das 30 Silberlinge. Von den Streikenden ist bisher niemand reingegangen!

Drei Kollegen sind am Freitag nach Bern gefahren, um mit den Chefs der Holding zu verhandeln. Falls bis Montag nichts herauskommt, will die Belegschaft sich in den Zug setzen und ebenfalls nach Bern fahren. Am Freitag war auch eine Demonstration, rund um das Betriebsgelände und dann zum Marktplatz, auf dem ein großer Roland steht. Es waren ca. 250 DemonstrantInnen, die meisten mit roten IGM-Jacken, Kappen und Transparenten. Einige hatten aber auch selbst Transparente und Schilder gemalt. KollegInnen von Airbus (Hamburg-Finkenwerder), aus Flensburg, Heide und Bremen waren gekommen. Die Kollegin Helga Schwitzer, zuständig für Tarife im Hauptvorstand der IGM, lobte die Streikenden, daß sie ihr "letztes Mittel" einsetzten, die Arbeitskraft zu verweigern. Daß die "letzten Mittel" in Frankreich vor zwei Jahren andere waren und es jetzt in Griechenland andere sind, erwähnte sie nicht. Den Satz mit den "letzten Mitteln" hatte sie auch schon vor den Streikenden der Vacuumschmelze Hanau (VAC) gesagt. Die Frage muß erlaubt sein: Wenn mit den "letzten Mitteln" nicht gewonnen werden kann gegen den Unternehmer und Lohn- und Sozialabbau hingenommen werden muß, können diese "letzten Mittel" dann die "letzten Mittel" sein? Die Betroffenen werden es selbst entscheiden. Schwitzer weiter: "Es gilt, den Unverschämtheiten des Kapitals Grenzen zu setzen". Sehr ideologisch empörte sich der zuständige Bundestagsabgeordnete Ernst-Dieter Rossmann (SPD): "Was ist das für eine Zeit, in der man den Unternehmern Solidarität beibringen muß". Damit meinte er, daß die Firma Möller wieder in die Tarifbindung eintreten solle. Weiter: "Gleiche Augenhöhe gehört in die Zeit". Der Roland, unter dem die Abschlußkundgebung stattfand, habe die Aufgabe, auf dem Marktplatz für Gerechtigkeit zu sorgen. Rossman wünschte sich, daß der Roland die Geschäftsleitung der Firma daran erinnern möge, sich rechtmäßig zu verhalten. Daß sie sich der Tarifbindung entzogen habe, sei kriminell.

Trotz dieser moralischen und ideologischen Argumentationen gab es Beifall bei einigen der Kundgebungsteilnehmer.

Dieter Wegner, 14.12.2008