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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Verstaatlichung – wieso und für wen? Französische Gewerkschaftler haben einen internationalen Aufruf verbreitet, der eine Verstaatlichung des Airbus-EADS-Konzerns, seine demokratische Kontrolle und Arbeiterselbstverwaltung fordert. Das klingt nicht schlecht, hat aber einige Haken. Erst einmal ist das Airbus-Konsortium so rein privat nicht, wie der Aufruf suggeriert. Gegründet wurde es mit erheblicher staatlicher Nachhilfe, weil die europäischen Luftfahrtkonzerne zu kapitalschwach waren, um eine derartige Produktion allein auf die Beine stellen zu können. Zusammengeschlossen sind darin zwar mehrere private Firmen aus Frankreich, Deutschland und Spanien (die British Aerospace ist inzwischen ausgeschieden, um sich wieder ganz dem Rüstungsgeschäft widmen zu können), aber der Airbus ist zugleich einiges der prominentesten Beispiele staatlicher „europäischer“ Industriepolitik, die relativ erfolgreich darauf abgezielt hat, die Monopolstellung des US-Konzerns Boeing auf dem internationalen Flugzeugmarkt zu brechen. Ohne staatliche Protektion und Subvention könnte das Unternehmen bis heute nicht bestehen. Dies gilt im Übrigen auch für den US-Konkurrenten, der maßgeblich von Rüstungsaufträgen profitiert. Der Konzern ist auch insofern politisch gesteuert, als sowohl in der Zusammensetzung der Führungsgremien als auch bei der Lokalisierung der Produktionsstandorte genau darauf geachtet wird, dass vor allem der deutsche und der französische Einfluss penibel austariert bleibt. Dies ist ein höchst konfliktträchtiges Arrangement, weil die französische Regierung alles tut, um ihre Kontrolle über das Unternehmen nicht zu verlieren und darüber gelegentlich auch mit der deutschen ins Gerangel kommt. Dies hat erhebliche wirtschaftliche und organisatorische Folgen, nämlich erhöhte Produktionskosten und technische Koordinationsprobleme, die neben dem üblichen Managementversagen zu den Schwierigkeiten geführt haben, in denen Airbus derzeit steckt. Daher nun der „Plan 8“, der umfangreiche Rationalisierungen, Werksschließungen und Auslagerungen beinhaltet – zu Lasten der Beschäftigten. Insofern passiert bei Airbus allerdings auch nur das, was inzwischen in fast allen Branchen zum kapitalistischen Alltag gehört. Überhaupt ist die Frage, wie weit unter den Bedingungen eines globalisierten Kapitalismus die Unterscheidung zwischen öffentlich und privat trägt. Eine strikt „nationale“ Wirtschaftspolitik gibt es nicht mehr, nicht einmal auf europäischer Ebene. Auch staatliche Unternehmen stehen unter den Zwängen des Weltmarkts. Sie befinden sich keinesfalls außerhalb des in der Tat herrschenden „Gesetzes des Dschungels“. Das Prinzip der Gewinnmaximierung gilt auch für sie. Dafür, dass sich staatliche Unternehmen ziemlich gleich wie private verhalten (müssen), gibt es Beispiele genug. Siehe zum Beispiel die Deutsche Bahn, die sich ja bislang auch noch im Staatseigentum befindet. Auch eine Arbeiterselbstverwaltung, hält man dieses Ziel einmal für realistisch, würde diese Zwänge nicht außer Kraft setzen. Möglicherweise würde sie allerdings dazu beitragen, Rationalisierungsmaßnahmen konsensualer und vielleicht etwas sozialverträglicher durchzusetzen – immerhin. Eine Perspektive hätte das jedoch nur, wenn das Unternehmen dauerhaft und noch nachhaltiger am Tropf der Staatshaushalte hängen bliebe. Nun könnte man das unter dem Gesichtspunkt akzeptieren, dass auf diesem Wege längerfristig Arbeitsplätze gesichert werden. Das Problem ist allerdings, wofür diese Mittel ausgegeben werden, nämlich für die Produktion immer weiterer Klimakiller und von Transportgeräten, die den internationalen Warenaustausch beschleunigen und damit die Voraussetzung für weitere Rationalisierungen und Arbeitsplatzvernichtung anderswo schaffen. Wenn also staatlich subventionierte Produktion, warum nicht für sinnvollere Zwecke? Was bedeutet unter diesen Bedingungen überhaupt die merkwürdige Formulierung „Bedürfnisse und Ziele der Industrie“? Kann denn eine Industrie Ziele und Bedürfnisse haben, oder ist das nicht eher eine Angelegenheit der Menschen? Deren Bedürfnisse stimmen allerdings mit denen der „Industrie“ öfters nicht so richtig überein. Was in dem Aufruf vornehm verschwiegen wird ist die Tatsache, dass Airbus nicht nur eine 80%ige Tochter des Rüstungskonzerns EADS (European Aeronautic, Defence and Space Company) ist, sondern selbst in größerem Umfang Militärflugzeuge herstellt. Rüstungstechnische Unabhängigkeit von den USA war ein wesentlicher Grund für diese Sparte europäischer Industriepolitik. Auch das gehört zu den „Bedürfnisse und Ziele“, die es nach Ansicht der Autoren des Aufrufs zu respektieren gilt – im Interesse der Arbeitnehmer selbstverständlich. So gesehen, ist die Lage der Airbus-ArbeiterInnen wahrlich verzwickt, und man kann es ihnen nicht übel nehmen, wenn sie zwecks Sicherung ihrer materiellen Existenz nach einer Verstaatlichung rufen. Bei dieser etwas traditionslinken Orientierung wird aber vergessen, dass Verstaatlichung weder Arbeiterselbstverwaltung, noch demokratische Kontrolle bedeutet und schon gar nicht kapitalistische Mechanismen außer Kraft setzt. Eine gewerkschaftliche Politik auf der Höhe der Zeit hätte das zumindest in Rechnung zu stellen. Und es gälte nicht zuletzt zu erwägen, welche Rolle die Verstaatlichungsforderung im Machtpoker zwischen den beteiligten Unternehmen und Staaten spielt. Nun wissen die Gewerkschaftler sicher selbst, dass sich auch in diesem Falle eigentlich wieder einmal die Systemfrage stellt. Und dass sie deren Lösung nicht für ein Nahziel halten, ist auch verständlich. Verstaatlichung ist allerdings kein Ersatz für starke gewerkschaftliche Aktionen, und für diese stehen die Bedingungen gegenwärtig schlecht. Grundsätzlich bliebe aber zumindest im Auge zu behalten, dass der isolierte Kampf um Arbeitsplätze vor allem dann, wenn er mit untauglichen Mitteln geführt wird, die ArbeiterInneninteressen spaltet und zumindest auch dazu tendiert, das System zu stabilisieren, das verbal attackiert wird. Das ist linker Konservatismus. Joachim Hirsch, 09.04.2007 |