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Updated: 18.12.2012 15:51
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»BenQ macht für Siemens die Drecksarbeit«

Beide Unternehmen profitieren von der Schließung der Handyproduktion. Mitarbeiter wurden über den Tisch gezogen.

Ein Interview von Wolfgang Pomrehn mit Leo Mayer, Mitglied des DKP-Parteivorstandes und ehemaliger Betriebsrat im Münchner Siemens-Werk Hofmannstraße, zuerst erschienen in der Jungen Welt vom 30.09.2006

Die deutsche Tochter des Handyherstellers BenQ, erst seit Oktober 2005 im Besitz der taiwanesischen Mutter, hat Konkurs angemeldet. Der Betriebsrat sieht die Belegschaft vom Vorbesitzer Siemens »arglistig getäuscht«. Weshalb?

Die Mitarbeiter in der Handyfertigung hatten einem Ergänzungstarifvertrag zugestimmt, der eine unbezahlte Arbeitszeitverlängerung von fünf Stunden in der Woche und einen zusätzlichen Gehaltsverzicht von 15 bis 30 Prozent vorsah. Dafür hatten sie das Versprechen bekommen, daß der Betrieb eine Perspektive haben würde. Nach einem knappen Jahr ist nun alles aus, und die Kollegen sind doppelt gekniffen. Sie haben fünf Stunden in der Woche unbezahlt gearbeitet, und der Arbeitsplatz ist doch nicht sicher. Außerdem bezieht sich das Arbeitslosengeld, das sie jetzt erhalten, auf die niedrigeren Einkommen. Das zeigt, daß diese Ergänzungstarifverträge hinfällig sind, wenn es ernst wird.

Das Ganze ist sowohl für BenQ als auch für Siemens ein großartiger Deal: Siemens hat zwar BenQ eine ziemlich große Summe gezahlt, damit das Unternehmen seine Handysparte übernimmt. Aber Siemens muß sich um keine teuren Sozialpläne kümmern und kann die Drecksarbeit BenQ überlassen. Auch für die ist es ein guter Deal- zum einen wegen des Geldes, das sie von Siemens bekommen haben, zum anderen, weil ein Konkurrent aus dem Weg geräumt und zugleich Technologie eingekauft wurde.

Welche Möglichkeiten haben die BenQ-Beschäftigten, sich gegen den Konkurs zu wehren?

Das ist nicht einfach. Am Freitag gab es eine Demonstration vor der Konzernzentrale von Siemens in München. Siemens trägt letztlich die Verantwortung, und BenQ sitzt in Taipeh auf Taiwan, wo es schlecht zu erreichen ist. Außerdem läßt der Vorgang nichts Gutes für die Ausgliederungen erwarten, die zum 1. Oktober erfolgen sollen. Deshalb hat die IG Metall die Beschäftigten aller Siemens-Werke zum Protest aufgerufen.

Um welche Ausgliederungen handelt es sich?

Zum 1. Oktober stößt Siemens seinen kompletten Telekommunika­tionsbereich ab. Ein Teil wird an eine mit Nokia geführte GmbH gehen. Was aus dem Rest wird, ist offen. Der könnte z. B. auch von einem Finanzinvestor gekauft werden.

Wie sieht es mit internationaler Solidarität aus? Haben die Kollegen von BenQ Verbindungen zu Belegschaften in anderen Ländern?

Durch den Arbeitsprozeß gibt es auch Verbindungen zu den Mitarbeitern in anderen Ländern, aber hier in München in der Entwicklung gibt es das Problem, daß die Belegschaft sehr schlecht gewerkschaftlich organisiert ist. In Kamp-Lintfort sieht es etwas besser aus. Allerdings gibt es allgemein das Dilemma, daß zwar durch den Arbeitsprozeß die Internationalisierung vorangetrieben und in der täglichen Arbeit spürbar wird, es aber noch nicht gelingt, das in den Aufbau internationaler Gegenmacht umzusetzen.

Was müßte konkret passieren, um das zu ändern?

Zum einen müßten sich die Beschäftigten der Mittel bewußt werden, die ihnen die multinationalen Unternehmen in die Hand geben. Die internationale Zusammenarbeit ist nichts Abstraktes mehr, sondern greift in diesen Branchen in den täglichen Arbeitsprozeß ein. Die Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen Ländern ist heute vollkommen normal. Dem steht natürlich entgegen, daß die Bedingungen etwa in Indien, Taiwan oder Deutschland sehr unterschiedlich sind. Daraus resultieren unterschiedliche Interessen, und die Konzerne versuchen, das durch interne Standortkonkurrenz zu verstärken.

Was bedeuten die Ausgliederungen für den Siemens-Konzern?

München war einmal der größte Siemens-Standort, doch nach dem 1. Oktober wird es kaum noch Siemens-Angestellte in der Stadt geben. Der Computerbereich wurde bereits an Siemens-Fujitsu abgegeben. Nun ist der Telekommunikationsbereich mit weltweit 40000 bis 50000 Beschäftigten dran. Der größere Teil geht in das Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia, der Rest wird in eine »Park-GmbH« gesteckt. Der Konzern will sich auf Infrastruktur konzentrieren, das heißt auf Wasser-, Verkehrs-, Energie- und Medizintechnik.


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