letzte Änderung am 31. Juli 2003 | |
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28. Juli 2003
Liebe Freunde und Kollegen!
Ich möchte euch kurz informieren über den Verlauf des Prozesses am 24.7.03 beim Landesarbeitsgericht in Hamm.
Die Verhandlung hat 4,25 Stunden gedauert. Es waren ausser den Beteiligten ca. 15 Prozessbesucher anwesend. Wegen dem öffentlichen Interesse im Vorfeld wurde die Verhandlung in einen größeren Saal verlegt und es waren auch Sitzplätze für die Presse vorgesehen. Der Prozess fand das Interesse einiger Journalisten, die jedoch erst darüber Berichten wollen, wenn es ein Urteil gibt.
Zu Beginn nahm ich bei der Frage der sozialen Vergleichbarkeit Stellung und habe gegenüber dem Gericht erklärt, dass ich grundsätzlich nicht bereit bin Namen anderer Kollegen zu nennen. Da ich grundsätzlich die Arbeitsplatzvernichtung ablehne, lehne ich es ebenfalls ab, dass anderen Kollegen gekündigt wird. Dazu erklärte der vorsitzende Richter, dass er es ebenfalls nicht als Aufgabe eines gekündigten ansieht, sondern als Aufgabe des Gerichts, die Sozialdaten der verbliebenen Beschäftigten zu prüfen und hier sogar einen Urteilsspruch des BAG für fragwürdig hält. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand vor allem die Frage der Leiharbeit. Dazu erklärte ich, dass ich es grundsätzlich ablehne, dass die fest eingestellten Beschäftigten abgebaut und vor allem durch Leiharbeiter ersetzt werden. Sie sind in besonderer Weise entrechtet, werden geheuert und gefeuert und durch ihren Einsatz wird das allgemeine Lohnniveau der Beschäftigten insgesamt gedrückt. Die drei geladenen Zeugen und später ein im Publikum anwesender aus der Personalabteilung wurden vernommen zu der Frage, ob zum Zeitpunkt der Kündigung klar gewesen ist, dass Leiharbeiter ab dem 1.12.01 beschäftigt werden. Alle vertraten, dass die Planung für das Personal so kurzfristig sei, dass es vorher nicht klar gewesen sei. Es stellte sich gleichzeitig heraus und wurde zu Protokoll genommen, dass der Personalchef E.Boese die Zeugenaussage mit dem stellv. BR-Vorsitzenden H.Bühner vor dem Gerichtstermin abgesprochen hatte und daher die Glaubwürdigkeit sehr in Frage steht.
Während der Verhandlung gerieten dei Verteter von Nokia immer mehr in die Defensive, da immer mehr ungereimtheiten auf den Tisch kamen mit dem Gipfel der Einflussnahme auf die Zeugenaussagen. Obwohl fast alle Zeugen Führungskräfte bei Nokia sind, konnten sie sich merkwürdiger Weise nicht erinnern, ob in der Weihnachtszeit viele Handys verkauft werden und ob in den vergangenen Jahren zu Weihnachten Leiharbeiter gebraucht wurden. Mit Hilfe meines Anwalts und der Unterstützung einiger Prozessbesucher habe ich die Umgehensweise mit uns Beschäftigten prinzipiell kritisiert und einen Vergleich abgelehnt, da es einer Legitimierung der Praktiken durch Nokia gleich käme.
Die Verhandlung wurde vertagt und kein Urteil gesprochen. Ein neuer Termin steht gegenwärtig nicht fest. Eventuell sollen noch weitere Zeugen geladen werden, da die Frage offen steht, wie der Betriebsrat über den Einsatz der Leiharbeiter informiert wurde. Immerhin gelang es uns nach zu weisen, dass in der gleichen Woche, wo die Kündigungen zur Zustimmung beim Betriebsrat vorlagen, ebenfalls ein Antrag auf Zustimmung beim Betriebsrat einging, für den Einsatz von 50 bzw. 100 Leiharbeiter. Der Vertreter vom Betriebsrat geriet in Rechtfertigungsnot, weshalb in solch einer Situation eigentlich zugestimmt wurde.
Insgesamt ist die Verhandlung für uns positiv verlaufen. Trotzdem ist es noch völlig offen wie es ausgehen wird. Es zeigte sich aber auch, dass der in den Fabriken inzwischen massenhafte Einsatz von Leiharbeitskräften noch nicht vollständig seine Entsprechung in der Gesetzgebung gefunden hat. Wegen diesen Umstand hat der Richter ebenfalls angekündigt, dass ungeachtet des Urteils selbst, eine Revision zugelassen wird. D.h. es kann bis zum Bundesarbeitsgericht gehen. Hier gibt es also noch einige Lücken, die vielleicht genutzt werden könnten. Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Prozess weiterhin öffentlich und politisch eine Rolle spielt und wir so Einfluss nehmen auf den Prozessverlauf. Deshalb würde ich mich freuen, wenn ihr weiterhin mithelft den Fall breit bekannt zu machen. Am Verhalten des Gerichts während der Verhandlung zeigte sich, dass die bisherige Öffentlichkeitsarbeit Wirkung hatte.
Am 31.7.03 um 12:00 Uhr wird der Parallelfall meines Kollegen Carsten Löbbert beim LAG in Hamm verhandelt. Auch bei ihm ist jede Unterstützung willkommen.
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