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Updated: 18.12.2012 16:07
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Der erste „virtuelle Streik“ bei IBM in Italien – Wieso, weshalb, warum

Im Laufe dieser Woche, also zwischen dem 25.09. und dem 30.0.2007 wird es auf der Seite des Online-Spiels "Second Life" zu einem virtuellen Streik - oder sagen wir besser zu einer virtuellen Protestaktion - kommen. Die KollegInnen von IBM in Italien versuchen erstmals auf diese Weise, zusammen mit dem internationalenGewerkschaftsverbund UNI, gegen die Kürzungspläne des Managements und für die Erneuerung des ergänzenden betrieblichen Tarifabkommens zu protestieren. Über die Hintergründe des Konfliktes, was dieses "Second Life" überhaupt ist, wie man die KollegInnen unterstützen kann und wie man sich bei "Second Life" anmeldet, ein Artikel von Justin Monentes als virtuelle Second-Life-Variante von Ralf Pandorf vom 22./23.09.2007.

Als Redakteur beim LabourNet hat man es nicht leicht. Statt samstags das zu tun, was Menschen Samstags eben so tun, sitzt man zu Hause vor dem Computer und schreibt über etwas, von dem man keine Ahnung – und zwar wirklich überhaupt keine – hat. Draußen ausnahmsweise das schönste Wetter und drinnen? Tja drinnen beginne ich ein neues Leben. Spötter werden sagen, wird auch Zeit, dass erste ist eh verpfuscht, in der realen Welt hat’s eben nicht geklappt, bleibt ja noch die virtuelle… Genau das wird’s werden: Ich werde Mitglied in „Second Life“, schmeiße meinen alten Namen fort und nenne mich ab sofort Justin Monentes.

Warum ich so etwas Bescheuertes mache ist eigentlich recht leicht erklärt: Die KollegInnen von IBM in Italien planen einen Streik. Nicht draußen vor der Tür, sondern in der virtuellen Welt eines Online-Spiels namens „Second Life“. Den Grund erklärt Waldemar Bonze in seinem Artikel „Neue Protestform?externer Link in der jungen Welt vom 04.09.2007:
„…Damit wollen die IBM-Gewerkschafter, die 9000 Beschäftigte des IT-Konzerns in Italien vertreten, gegen die Kürzungspläne des Managements und für die Erneuerung des ergänzenden betrieblichen Tarifabkommens protestieren, das die erkämpften Standards sichert. »Die Rechte der IBM-Arbeiter stehen nicht zum Verkauf«, erklärt der Betriebsrat und lehnt die vom Unternehmen trotz optimaler Erträge, vorgeschlagenen »lächerlichen Lohnerhöhungen« von durchschnittlich sechs Euro ab. Scharf wendet er sich auch gegen die massiven Verschlechterungen für Neueingestellte, denen die Jahresprämie sowie die Einzahlungen in den Gesundheits- und Rentenfonds gestrichen werden sollen, was unter dem Strich einen Verlust von 1000 Euro pro Jahr bedeuten würde…“
Und so hat sich die gewerkschaftliche Vertretung von IBM im italienischen Vermercate, die RSU (Rappresentenza Sindacale Unitaria) externer Link entschlossen in den virtuellen Streik zu treten. Unterstützt wird diese Aktion international von der UNI - Union Network International, die auch eine eigene Sonderseite externer Link eingerichtet hat, allerdings nur in den Sprachen Englisch, Italienisch und Spanisch, weshalb ich also real am Samstag vor dem Computer sitze und das ganze sozusagen virtuell in Deutsch aufarbeite.

Die ganze Aktion soll irgendwann im Zeitraum zwischen Dienstag dem 25. September und Sonntag dem 30. September 2007 stattfinden. Wann und wie genau, wird noch geheim gehalten, soll ja eine Überraschung für IBM werden, jeder kann sich aber auf der Seite der UNI in den Newsletter eintragen externer Link und bekommt 24 Stunden vorher eine Mail, wenn es losgeht.
Der virtuelle Streik wird dann über 12 Stunden gehen, so dass alle Zeitzonen auf der Erde abgedeckt werden können.

Jetzt komme ich zum eigentlichen Problem: Um am Streik teilzunehmen und die italienischen KollegInnen zu unterstützen, muß man Mitglied im Online-Spiel „Second Life“ werden. Was das überhaupt ist, beschreibt wikipedia externer Link:
„Second Life (von Teilnehmern kurz „SL“ genannt) ist eine Internet-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Das seit 2003 online verfügbare System hat inzwischen mehr als neun Millionen registrierte Nutzer, von denen rund um die Uhr durchschnittlich zwischen 15.000 und 50.000 das System aktiv nutzen…“
Die Teilnehmer mutieren im Spiel übrigens zu so genannten Avataren, also zu einer künstlichen Person bzw. dem grafische Stellvertreter einer echten Person in dieser virtuellen Welt.

Wer sich jetzt die Frage stellt, was denn jetzt da eigentlich um alles in der Welt, wie, bestreikt werden soll, den belehrt wikipedia mit den Worten:
…Firmen nutzen Second Life bislang vor allem für PR-Zwecke. Der Aufbau einer Repräsentanz sichert häufig kostenlose Presseartikel. Auch wird SL direkt für Produkttests und Produktinformationen verwendet. Der Grund hierfür ist äußerst einfach: Firmen können hier ohne große Kosten Artikel erstellen und verbreiten, um zu sehen, ob die Produktinformationen oder das Image bei potenziellen Käufern Anklang finden würden. So hat Adidas zum Beispiel ein virtuelles Geschäft aufgebaut, in dem man Schuhe aus der aktuellen Kollektion für seinen Avatar kaufen kann. Auch BMW, FriendScout24, Mercedes Benz, Mazda, IBM, Reebok, Sony BMG, der TÜV und andere haben mittlerweile ihre Dependance errichtet. Seit dem 3. Mai 2007 ist auch die Deutsche Post in Second Life vertreten. In der virtuellen Konzernzentrale, dem Post Tower auf Post Island können Besucher eigene Postkarten erstellen. Diese werden von der Deutschen Post weltweit als echte Grußkarte in die reale Welt verschickt…“
Aber auch IBM ist dort vertreten und kann dort besucht und damit auch bestreikt werden, womit hoffentlich jetzt jedem klar ist, wie die Aktion ablaufen wird: Jeder der Mitglied im Second-Life ist, dort also einen Atavar rumlaufen hat, kann sich in dieser Welt bewegen und dort vor der Konzernzentrale z.B. von IBM, demonstrieren. Da man sich auch noch Kleidungsstücke anlegen kann, gibt’s von der Uni auch T-Shirts, mit der Aufschrift „IBM is deaf to ist employees‘ demands“ [IBM ist taub für die Forderungen seiner Mitarbeiter] sowie virtuelle Plakate in denen nach Bonuszahlungen verlangt wird.

Wer also mitmachen möchte, muß sich anmelden. Ich habe das getan, und zwar anhand der englischen Instruktionen bei der UNI. Das funktionierte recht reibungslos und ist übrigens kostenlos, auch wenn es Premiumdienste gibt, die unterschiedliche Gebühren verursachen. Ich übersetze jetzt mal die Anweisungen unserer KollegInnen ins Deutsche und ergänze es mit meinen Erfahrungen. Aber um es klar und deutlich zu sagen: Die Installation ist keine zwingende Empfehlung vom LabourNet Germany! Wenn da etwas schiefgeht, gebt mir oder uns nicht die Schuld. Ganz ehrlich halte ich dieses "Second Life" für eine komplett bescheuerte Geschichte, die diese Welt nicht braucht, möglicherweise verdient, aber definitiv nicht braucht.
Aber was die KollegInnen machen oder planen ist eine alternative Protestform, über die wir berichten wollten. Übrigens wird man ja sehen, wie der Erfolg ausfallen wird und ob man das weiterverfolgen sollte.

Eine kleine Anmerkung noch am Rande: Ich bin kein Profi für Online-Spiele, genauer gesagt ist es wirklich das erste Mal, dass ich mich für sowas anmelde und soetwas bediene. Andere haben sicherlich mehr Erfahrung und könnten das folgende ergänzen oder nützliche Tipps zum Erlernen geben. Für diesbezügliche Hinweise wären wir dankbar. Ach noch eine Kleinigkeit: Wenn man sich einmal angemeldet hat, also mit realem Namen und E-Mail-Adresse, habe zumindest ich keine Möglichkeit gefunden, mich auch wieder abzumelden.

Eine Übersicht von kritischen Artikeln zu Second Life erhält man übrigens auf Telepolis vom Heise-Verlag. Dort unter "Suche" den Begriff "second Life" eintragen. Sehr gefallen hat mir persönlich der Artikel

  • "Kein richtiges Leben im zweiten"
    "Eine kleine Episode von menschenleeren Städten, billigen Sexparties und dem Versuch von virtuellen Personalberatern, arbeitslose Avatare zu vermitteln. Die virtuelle Online-Welt Second Life wird seit Monaten von allen Medien als neuer Hype verkauft. Ob Cybersex oder die Möglichkeit, sein anderes Ich auszuleben – jeder sucht etwas anderes im "zweiten Leben". Doch hinter der schönen Oberfläche steckt nur eine billige Kopie des alten Lebens..." Artikel von Marcus Kirzynowski auf telepolis vom 16.09.2007 externer Link Darin auch der schöne Satz: "...In der realen Welt ist die grafische Auflösung besser, dafür ist Sex 'ne verdammt umständliche Angelegenheit und fliegen kannst du auch nicht..."

How to get startet in SecondLife - Deutsche Kurzanleitung

Zunächst einmal kann man sich die deutsche Seite von SecondLife externer Link ansehen und sich dort etwas umsehen. Dort stehen auch die Nutzungsbedingungen etc. Mit sehr alten Computern wird es übrigens nicht funktionieren. Bitte also im Zweifelsfall zuerst die Systemanforderungen [Der Link ist ganz unten auf der Startseite] ansehen.

  1. Auf der Eingangseite für die Anmeldung externer Link wird der künftige Bewohner vor die Wahl gestellt, ob er über eine Community beitreten möchte oder nicht. Da ich keine Ahnung habe, was das sein soll, habe ich auf „Skip this step“, also überspringen, getippt.
  2. Auf der nächsten Seite gebe ich zuerst einen beliebigen Vornamen „First Name“ ein. Den Nachnamen „Last Name“ kann ich nicht frei wählen, sondern wähle ihn aus einer Vielzahl von Vorschlägen aus. Damit ist mein Name und Identität für den Login bestimmt. Über „Check this name for availability“, also prüfe ob der Name schon vergeben ist, geht’s weiter. Sollte er vergeben sein, bitte einen anderen aus den Vorschlägen auswählen.
  3. Es folgt die Eingabe des Geburtsdatums, wichtig für die Umsetzung des Jugendschutzes und die reale E-Mail-Adresse, an die auch am Ende der Anmeldung eine Bestätigungsmail geschickt wird.
  4. Im nächsten Schritt kann der Bewohner aus einer Reihe von vorgefertigten Identitäten (Avatare) wählen. Er muss es aber nicht. Es gibt verschiedene ethnische Gruppen, beide Geschlechter und Phantasiefiguren.
  5. Auf der Folgeseite werden die üblichen Daten für den Account abgefragt wie Vorname und Nachname (diesmal die echten), Passwort usw. Ein Klick auf den Submit-Knopf, die Angaben werden überprüft. Sollte alles richtig sein, gibt es eine Bestätigungsmail an die angegebene E-Mail-Adresse. Diese Mail muß über den Link unter „Please go here to activate your account:” per Klick aktiviert werden.
  6. Jetzt muß noch die Software für den Zugang installiert werden. Bei mir ging‘s nach der Aktivierung sofort zur Downloadseite, wo man unter Windows-, Mag- und Linux-Programmen wählen kann.
  7. Nach der Installation kann man die Software starten und mit dem Anmeldenamen und dem Passwort kann es losgehen!

Sich in der virtuellen Welt bewegen und agieren

Jeder Neuankömmling wird wohl zuerst in eine Testumgebung gepflanzt und kann lernen sich dort zu bewegen. Wichtig sind zunächst die Pfeiltasten: Pfeil-nach-oben-Taste bewegt vorwärts, Pfeil-nach-unten-Taste bewegt rückwärts, Pfeil-nach-links dreht sich nach links etc. Drückt man z.B. die Taste nach-oben und nach-rechts gleichzeitig, bewegt man sich nach vorne und nach rechts.

Um zu fliegen, drücke die Bild-nach-oben-Taste. Je öfter man drückt umso höher fliegt man. Um wieder zu landen drückt man die Seite-nach-unten-Taste solange bis man wieder auf dem Boden der virtuellen Tatsachen angekommen ist. Während des Fluges kann man sich mit den Pfeil-Tasten rechts, links, vorwärts und rückwärts bewegen. Bestimmt Mäuse haben Räder, die ebenfalls Funktionen wie ran- und raus zoomen unterstützen. Bitte einfach ausprobieren.

Fliegen ist ja schon nicht schlecht, Teleportation ist besser. Genau dies geht in SL. Um schnell zu einem bestimmten Land oder einer Firma zu kommen, wählt man die Option „Bearbeiten > Suchen“. Dann über den Reiter auf „Orte“ und z.B. „Uni“ eingeben. Angezeigt wird jetzt u.a. „UNI global union“. Anklicken und dann auf „Teleport“ gehen und man landet in der virtuellen Zentrale der UNI. Das gleiche passiert natürlich bei Eingabe von „IBM“ oder anderen Orten…


Ganz nett ist auch die Kartennavigation. Man erhält einen Eindruck, wo man sich eigentlich befindet. Die grünen Punkte zeigen übrigens die Anwesenheit weiterer Personen an. Man kann einen solchen Punkt anklicken und dorthin teleportieren um diese Personen zu treffen und sich zu unterhalten…

Falls es Euch gelungen sein sollte, in die UNI-Zentrale zu kommen, schaut euch in wenig um. Alles was dort steht kann angeklickt werden. Z.B. die Kleiderstange mit T-Shirts oder die fliegenden Würfel mit unterschiedlichen Ländersysmbolen. Dort kann z.B. das Streik-Paket kostenlos erworben werden. Bitte ausprobieren. Wenn man mit der rechten Maustaste drauf klickt erscheint das folgende Menü

Einfach mal ausprobieren.

Unten rechts auf der Seite befindet sich die Option „Inventar“. Falls es gelungen ist z.B. das Streik-Paket der UNI zu kaufen wird es dort angezeigt, mit seinem gesamten Inhalt. Zum Beispiel das Plakat „Sign ‚not let go‘“: Rechte Maustaste und „Tragen“ anklicken und schon hat man das Protestplakat in der Hand…

Zu dieser ganzen Sache gibt’s viel zu sagen, was ich mir jetzt erspare. Alle anderen Funktionen müsst ihr selbst herausfinden und testen.

Ansonsten wünsche ich den KollegInnen bei der Aktion viel Erfolg!


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