Bahnbrechende Tarifverträge zwischen verdi und Telecom-Systems-International?
Fast jeder der - in letzter Zeit in zunehmender Zahl - abgeschlossenen betrieblichen
Tarifverträge in der TK Branche wird als Meilenstein bewertet, der über
den jeweiligen Betrieb hinaus Maßstäbe setzt (auch für die innergewerkschaftliche
Konkurrenz). So war es bezüglich des Bereichs berufliche Fortbildung mit
dem entsprechenden Vertrag von verdi bei IBM: von verdi gefeiert, ansonsten
höchst umstritten. Und so wird auch das Paket von Abkommen, das verdi jüngst
bei der Überleitung von debis in den Telekom-Konzern - als TSI - abgeschlosen
hat, diskutiert.
Im Paket enthalten (alles pdf-Dateien):
Zur Einleitung einer möglichen konkreteren Diskussion über diese
Verträge seien hier einige Passagen zur Arbeitszeit etwas näher betrachtet:
- Als "Eingangsgeschenk" für die Auszubildenden bestimmt §7, Absatz 4:
"Ausbildungszeiten gelten nicht als Zeiten der Betriebszugehörigkeit".
- Und wer sich jetzt freut, dass er oder sie keine Auszubildenden mehr sind,
freue sich nicht zu früh: Ähnliches wird auch für den (noch
ausstehenden) Vertrag über Qualifizierungsmaßnahmen angedeutet.
Im § 9, Absatz 9a des MTV heisst es zu Qualifizierungsmaßnahmen: "Nach
Maßgabe der Bestimmungen des Qualifizierungstarifvertrages bringt der
Arbeitnehmer Zeitguthaben für Maßnahmen ein, die dem Erhalt oder
Ausbau seiner Qualifikation dienen".
- Soweit zu Ausbildungs- und Qualifikationszeiten: Privatsache der Beschäftigten,
sich fit fürs Unternehmen zu machen.
Und es ist kein Wunder, dass dies so behandelt wird - die gesamten Arbeitszeitregelungen
sind geprägt vom Unternehmenswunsch nach Flexibilität. Und zwar keineswegs
von der Art, die etwa die persönliche Zeitsouveränität der Beschäftigten
erhöhen würde.
- In § 9, Absatz 2 wird knapp festgehalten: "Die tarifliche Regelarbeitszeit
ist je nach Lebensphase unterschiedlich hoch. Sie beträgt für alle
Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 49.Lebensjahres 40 Wochenstunden". Augenblick!
War da nicht mal was? Damals ? Tief in den 80ern? Aber da gab es auch verdi
noch nicht, mit aufregend bunten Arbeitszeiten. Mit einer Stufenregelung gilt
dann auch die 35 Stundenwoche. Allerdings: ab 55. Ist es vielleicht da mal
beruhigend, dass der Tarifvertrag im Geltungsbereich definiert, daß
er nur für verdi-Mitglieder gilt ?
- Der darauf folgende Absatz 3 deselben Paragraphen legt schliesslich fest:
"Projekt bzw aufgabenbezogen können auf freiwilliger Basis individuell
befristet jeweils für einen Zeitraum von max. 12 Monaten Arbeitszeitbudgets
vereinbart werden." Nein, kein Streit jetzt darüber, was wann wo als
freiwillig gelten kann. Aber Jahresbudgets erfüllen genau das oben erwähnte
Hauptkriterium, Unternehmensstrategien umzusetzen.
Trotz aller Kürze: Diese beiden Bereiche zum Fragenkomplex Arbeitszeit
im MTV zeigen ziemlich deutlich, daß es nicht eben ein Fortschritt wäre,
wenn diese Verträge zur Leitlinie in der Branche würden. Und ob daraufhin
der Massenzustrom an neuen Mitgliedern zu verdi kommen wird, bleibt sehr abzuwarten.
Was auch als Einladung zu einer weiteren Diskussion wirken soll....
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Helmut Weiss